Im Flugzeug hört dich niemand schreien! Nein, wir befinden uns, trotz tödlichem Virus, nicht in der Luftfahrt-Variante von TRAIN TO BUSAN (2016), sondern in einem waschechten Katastrophenthriller, der nicht von ungefähr an artverwandte Titel der 1990er Jahre erinnert. Trotz allseits bekannter Motive avancierte EMERGENCY DECLARATION – DER TODESFLUG (2021) in seiner Heimat Südkorea zum Kinohit, nicht zuletzt durch das dort bestens bekannte Star-Ensemble. Plaion Pictures spendiert dem hierzulande beim letzten Fantasy Filmfest uraufgeführten Nägelkauer eine entsprechende Veröffentlichung. Ob sich die Anschaffung lohnt, verraten wir euch in unserer Kritik.

Originaltitel: Bisang seoneon

Drehbuch & Regie: Jae rim-Han

Darsteller: Song Kang-ho, Lee Byung-hun, Jeon Do-yeon, Nam-gil Kim, Si-wan Yim, Park Hae-joon…

Artikel von Christopher Feldmann

Handlung:

Sergeant Koo In-ho (Song Kang-ho) geht einem Hinweis über einen jungen Mann nach, der mit einem Terroranschlag auf ein Flugzeug droht. Bei seinen Ermittlungen stellt er fest, dass sich der Verdächtige (Si-wan Yim) bereits an Bord von Maschine KI501 nach Hawaii befindet. Schon kurz nach dem Start stirbt einer der Passagiere auf mysteriöse Art und Weise. Angst und Chaos greifen um sich, nicht nur an Bord der Maschine, sondern auch an Land. Gemeinsam mit der Ministerin Sook-hee (Jeon Do-yeon) und ihrem Krisenstab sucht Sergeant Koo am Boden verzweifelt nach einem Ausweg aus der Katastrophe und einer Möglichkeit, das Flugzeug zu landen …

EMERGENCY DECLARATION ist ein wahres Sammelsurium an etablierten Motiven des Blockbusterkinos und darf trotz Virus- und Bioterrorismus-Plot fast schon als Hommage an das klassische Hollywood-Katastrophenkino gewertet werden. Die Verortung der Haupthandlung in ein handelsübliches Passagierflugzeug erinnert nicht von ungefähr an Klassiker wie AIRPORT (1970), der Terrorismus/Virus-Einschlag lässt den Zuschauer wohlig an 90er-Knaller wie EINSAME ENTSCHEIDUNG (1996) und OUTBREAK (1995) denken. Drehbuchautor und Regisseur Jae rim-Han streckt seine Fühler in viele Richtungen aus und kreiert einen spannenden, temporeichen Thriller, der nicht nur bei Fans des koreanischen Genrekinos Anklang finden dürfte.

Allerdings fühlt sich EMERGENCY DECLARATION am Ende nicht zu einhundert Prozent rund an. Das liegt in erster Linie an der dezenten Überfrachtung der Handlung, die nicht nur versucht mehreren Genres, sondern auch einzelnen Handlungssträngen gerecht zu werden. So steht zunächst natürlich der durchgeknallte, von irgendwelchen Rachefantasien getriebene Terrorist im Zentrum, der sich selbst und sämtliche Passagiere eines Flugzeugs auf dem Weg nach Hawaii mit einem tödlichen Virus infiziert. Sobald der erste Fluggast Blut erbricht und jämmerlich zwischen im Durchgang der ersten Klasse krepiert, dreht der Film richtig auf. Es wird geschrien, Panik macht sich breit und die Spannungskurve schnellt nach oben. Denn während an Bord versucht wird, einen Ausweg zu finden, ist am Boden schon der Krisenstab im Einsatz, um eine Lösung, sowie einen sicheren Landeplatz für die Maschine zu finden. Dass die Motive des Verantwortlichen zunächst wage bleiben, ist dabei nicht sonderlich von Belangen, fällt die Figur doch schnell aus der Handlung. Und da beginnt nach einem sehr schönen Aufbau auch schon das Problem, denn das Drehbuch mutet sich eindeutig zu viel zu, was sich irgendwann etwas negativ auf den Zuschauer auswirkt.

So wechselt der Film immer wieder auf die Perspektive der Ermittler, die zuerst Erkenntnisse und später Hinweise auf einen Komplizen sammeln, inklusive einer Verfolgungsjagd auf offener Straße. Irgendwann geht man auf Konfrontation mit dem Konzern, aus dem der Virus entwendet wurde, es gibt politische Schlagabtausche, während die Situation an Bord des Flugzeugs immer schlimmer wird. Und trotzdem schickt man sich an, einzelne Figuren mit etwas Drama auszustatten. Etwa den Ermittler, dessen Frau zufällig in derselben Maschine sitzt oder ein Passagier, der früher mal Pilot war und eigentlich nie wieder fliegen wollte, jetzt aber irgendwie den Tag retten muss. Bei der Fülle an nicht allzu unbekannten Klischees werden fast schon Erinnerungen an die legendäre ZAZ-Parodie AIRPLANE (1980) wach, jedoch bekommt Jae rim-Han immer wieder die Kurve, um nicht zur eigenen unfreiwilligen Komödie zu werden. Dem Otto-Normal-Verbraucher werden diese Elemente nicht unbedingt auffallen aber wenn auf halber Strecke ein traumatisches Erlebnis in der Vergangenheit auf den Tisch gepackt wird, begann ich bereits etwas verlegen zu schmunzeln.

EMERGENCY DECLARATION fehlt es etwas an Fokus auf die wesentlichen Dinge. So hätte es diverse Subplots nicht gebraucht, die ganze Verstrickung zwischen dem Ermittler „Koo In-ho“ und seiner Frau führt sowieso ins Nichts und kommt daher kaum zum tragen. Selbst die eigentliche Suspense um den Terroristen wird schnell fallengelassen, zu Gunsten des Remmidemmis, denn im letzten Drittel gerät das Flugzeug unter Beschuss und man wähnt sich schon fast in einer Art „Guilty Pleasure“ alá THE CONCORDE…AIRPORT ’79 (1979), dem eigentlich nur noch eine Prise DELTA FORCE (1986) fehlt, um wirklich ALLES zu bedienen. Dennoch findet der Thriller immer wieder in die Spur zurück und gerade die Szenen im Flugzeug wissen zu überzeugen. Regisseur rim-Han hat seine Hausaufgaben gemacht und weiß die Klaustrophobie und die Angst unter den Passagieren effektiv in Szene zu setzen. EMERGENCY DECLARATION ist das, was man einen High-Octane-Thriller nennt, so dermaßen auf Anschlag laufen die einzelnen Elemente und ergeben einen wilden aber wirklich sehenswerten Film, der wirklich Alles vereint, was das Genre so hergibt. Dass ab und an etwas unfreiwillige Komik durchschimmert, mag auch daran liegen, dass hier sehr ernst inszeniert wurde und man als Zuschauer immer wieder in den Film hineingezogen wird, auch wenn die zahlreichen Schauplätze und Erzählstränge etwas ausfranzen.

Was dem Film sicher an den Kinokassen half, ist die durchaus beachtliche Besetzung, die sich aus bekannten Namen anderer großer Erfolge zusammenspeist. Niemand geringeres als Song Kang-ho, der eine Hauptrolle im Oscar-Hit PARASITE (2019) spielte, ist hier als unnachgiebiger Ermittler am Boden zu sehen. Als traumatisierter Pilot, der sich mitten im Geschehen wiederfindet, gibt sich SQUID-GAME-Star Lee Byung-hun die Ehre und als Ministerin ist mit Jeon Do-yeon ein K-Pop-Star an Bord, beziehungsweise am Boden. Dazu hämmert der Score von Byung-Woo Lee aus den Lautsprechern, dessen Kompositionen sehr stark an den Klangteppich angelehnt sind, den Hans Zimmer u.a. für INCEPTION (2010) produzierte.

Plaion Pictures spendiert dem rasanten Thriller eine edle Steelbook-Veröffentlichung, die mit einer 4K-Scheibe und einer Blu-ray ausgestattet ist. Uns lag zur Sichtung der Blauling vor, der mit bester Bild- und Tonqualität punkten konnte. In 4K und mit der richtigen Soundanlage ist das Ganze sicher eine Bereicherung für jedes Heimkino, vorausgesetzt die Nachbarn sind nicht sonderlich empfindlich. Als Bonus ist lediglich der Trailer vorhanden.

Fazit:

Wer auf satte Katastrophen-Actionthriller der alten Schule steht, wird an EMERGENCY DECLARATION – DER TODESFLUG (2021) seine helle Freude haben, vereint der koreanische Kracher doch so ziemlich Alles, was die prominenten Hollywood-Blockbuster dieses Genre auszeichnet. Zwar übernimmt sich der Film hier und da ein wenig mit seinen Handlungssträngen und seinen Figuren und auch gen Ende zieht sich das 140 Minuten lange Feature etwas, gut unterhalten kann es allerdings allemal.

Amazon-Links:

Steelbook (4K UHD & Blu-ray)

Blu-ray

DVD

Prime Video

Christophers Filmtagebuch bei Letterboxd – Your Life in Film

Zurück zur Startseite