Ein Hexenfilm aus Tschechien? Da hatte ich sofort ´Drei Krötenbeine für Aschenbrödel´ als Titelidee im (durchaus kranken) Kopf. Doch der Film, den BUSCH MEDIA GROUP hier präsentiert, ist gänzlich anders einzuordnen. Hier werden eher Freunde des Folkhorrors, also von Filmen wie Midsommar, Hereditary oder The Witch angesprochen. Immerhin: Die in der IMDb angegebenen Schlagworte ´female frontal nudity´, ´female rear nudity´ und ´female full frontal nudity´ haben mich neugierig gemacht. Would you like to know more?

Regie: Tereza Nvotová

Darsteller: Natalia Germani, Eva Mores, Jana Olhová, Noel Czuczor

Artikel von Christian Jürs

Die Endzwanzigerin Šarlota (Natalia Germani) ist ein Stadtmensch. Geboren ist sie allerdings in einem abgelegenen Bergdorf in den Karpaten, wo sie die ersten Jahre ihrer Kindheit verbrachte. In einer kurzen Eingangssequenz werden wir Zeuge eines tragischen Unfalls, bei dem die kleine Schwester Šarlotas in deren Anwesenheit in die Tiefe und damit dem Tod stürzt.

Da auch ihre Mutter mittlerweile den Gang alles Irdischen gegangen ist, möchte Šarlota ihr Erbe antreten und nebenbei ihrer Vergangenheit auf den Grund gehen, um herauszufinden, was damals wirklich geschah. Zu diesem Zweck begibt sie sich zurück in ihre damals, nach dem Unfall, fluchtartig verlassene Heimat. Dort findet sie das Haus ihrer verstorbenen Mutter bis auf die Grundmauern niedergebrannt vor. Als sie in der verlassenen Hütte ihrer ehemaligen Nachbarin, von der man behauptet, sie sei eine Hexe gewesen, übernachtet, erinnert Šarlota sich schnell an die im Dorf vorherrschende Frauenfeindlichkeit. Das Patriarchat und der Aberglaube, der wie aus einem vergangenen Jahrhundert wirkt, hatte sie einst zurückgelassen. Doch nun holt sie diese Vergangenheit ein, als der Großteil der Dörfler, egal ob jung oder alt, ihr mit Argwohn begegnet, Hass und ein genereller Zweifel an der Korrektheit von Šarlotas Identität machen sich breit. Die Dorfbewohner sind der Fremden wenig aufgeschlossen gegenüber und fürchten sie sogar. Einzig die kräuterkundige Mira (Eva Mores) steht Šarlota bei und freundet sich mir ihr sogar an. Doch dies bestärkt nur noch den Glauben der Einheimischen, dass sie es hier mit einer echten Hexe zu tun haben.

Ich muss zugeben, ich tat mich schwer mit diesem ruhig erzählten Hinterwäldler-Grusel aus dem Land, in dem man besser nicht in einem abgelegenen Hostel übernachtet. Nicht falsch verstehen, wir haben hier einen durchaus gelungenen Genrebeitrag, wenn auch mit Abstrichen, aber Nightsiren ist mir eine Spur zu arthousig und gesellschaftskritisch geraten und zu wenig horrorlastig. Dennoch erkennt auch ein Mainstream-Muckel wie ich die gelungene Arbeit der Regisseurin Tereza Nvotová. Nur handelt es sich hier halt weniger (bis gar nicht) um einen Horrorfilm, sondern um ein gute gemachtes, feministisches Drama, bei dem sich bei mir zunehmend der Hass gegen die ekelhaften Dortbewohner breitgemacht hat. Insbesondere die Männer, die ihre Frauen wie Gegenstände behandeln und diese rüberrutschen, wenn sie mal wieder Druck verspüren, waren echte Schätzchen. Nett auch die Momente, in denen sie ihre Kinder mit Prügelstrafe maßregeln. Von Wokeness also keine Spur im slowakischen Bergdorf. Wobei man allerdings auch anmerken muss, dass nicht alle anwesenden Exemplare der männlichen Gattung zu den totalen Arschgeigen gehören. Dafür sind auch die Frauen, die mit ihrem eingeschränkten Weltbild dem Hexenwahn verfallen, größtenteils absolut hassenswert. Klar, dass die Situation irgendwann eskaliert und es zu Gewaltausschreitungen seitens der Hinterwäldler kommt. Schade allerdings, dass keine Sarah Butler parat steht, die den Typen die Schwänze abschneidet oder ihnen eine Schrotflinte in den Arsch schiebt. Nein, hier bleibt alles im Rahmen und Arthouse gerecht.

Als Entschädigung für den Horrorfan spürt man das Grauen der abgeschiedenen Gegend voller unberechenbarer Bewohner – alles erzählt in weitestgehend ruhigen Szenen, unterbrochen von einer optisch toll inszenierten Tripszene in freier Natur. Wirklich spannend wird’s dann aber erst eine viertel Stunde vor dem Abspann. Doch anstatt hier die Spannungsschraube hochzudrehen bleibt der Film sich treu und endet mit einem seltsam-mystischen Epilog.

Insgesamt ein gutes Drama, aber eben kein echter Horrorfilm. Trotzdem könnte der Film Freunden des ruhig erzählten Folkhorrors durchaus gefallen. Mir war es eine Spur zu arthousig und ich fühle mich im Nachhinein auch noch schuldig, genauso mies zu sein wie die männlichen Dorfbewohner, da ich von der ´female full frontal nudity´-Erwähnung in der IMDb angefixt war und nun mindestens einen Jean Rollin– und zwei Jess Franco-Filme benötige, um dieses Schuldgefühl wieder loszuwerden.

Die vorliegende Blu-ray aus dem Hause Busch Media Group verfügt über eine ausgezeichnete Bild- (2,39:1 / 1080p) und Tonqualität (Deutsch & Slowakisch DTS-HD High Resolution Audio 5.1). Die Synchronisation ist gut. Im Bonusbereich gibt es lediglich Trailer und ein Wendecover ohne FSK-Logo.

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