Is everybody on the Floor? We put some Energy into this Place! I want to ask you something: Are you ready for the Sound of Scooter?!“ Mit diesen einfachen aber effektiven Zeilen startete die Hamburger Rave-Kombo Scooter ihren Siegeszug in die deutschen Charts und auch in die hiesige Popkultur, denn egal wie man es auch drehen und wenden mag, die Formation rund um den blondierten und nimmermüden Frontmann H.P. Baxxter hat es nicht nur geschafft, einen gewissen Kultstatus zu erreichen, sondern auch zu einem der erfolgreichsten deutschen Musikexporte zu werden. Fast pünktlich zum dreißigjährigen Betriebsjubiläum widmete die Regisseurin Cordula Kablitz-Post der Band eine abendfüllende Dokumentation, die nun über Eurovideo im Heimkino erscheint. Warum der zwischen Retrospektive, Wahnwitz und interessantem Zeitdokument pendelnde Film auch für Nichtfans sehenswert ist, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: FCK 2020 – Zweieinhalb Jahre mit Scooter

Drehbuch & Regie: Cordula Kablitz-Post

Darsteller: H.P. Baxxter, Jens Thele, Michael Simon, Sebastian Schilde, Ellen Geerdes, Rick J. Jordan…

Artikel von Christopher Feldmann

Als 1994 die Single HYPER HYPER europaweit die Charts stürmte, hatte wohl niemand damit gerechnet, dass aus dem damals von Kritikern wie auch Szene-DJ’s geächteten Dance-Act Scooter eine der erfolgreichsten Bands Deutschland wird. Band? Ja, richtig! Obwohl viele zu Beginn glaubten, dass es sich bei der Gruppe um einen rein fingierten und schnell gecasteten Act irgendwelcher Produzenten handelte, ist Scooter schon seit Anfang an ein Trio, dem vor allem Frontmann Hans-Peter Geerdes aka H.P.Baxxter vorsteht, der dem Ganzen nicht nur das Gesicht, sondern auch die Stimme leiht. Gemeinsam mit Rick J. Jordan und Ferris Bueller zimmerte der blondierte Ostfriese Gassenhauer wie Move your Ass, Fire! oder auch I’m Raving, sowie einige Alben. Von der Gründungsbesetzung ist nach nunmehr 30 Jahren nur noch Baxxter übrig, die Mitstreiter wechselten immer wieder, wobei Jordan ganze 20 Jahre die Tasten drücken durfte, während Bueller schon nach vier Jahren die Segel strich. Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten von FCK 2020 – ZWEIEINHALB JAHRE MIT SCOOTER (2022) komplettierten Sebastian Schilde (stieß 2019 nur Band) und Michael Simon (seit 2006) das Trio. Doch auch das ist mittlerweile passé, stiegen beide doch noch vor Kinostart aus und wer den Film genauer betrachtet, erkennt schnell, warum die Arbeit mit dem Bandchef nicht immer einfach ist. Aber auch abseits von dem authentischen Einblick in einen wahnwitzigen, dröhnenden Mikrokosmos aus dadaistischen Textzeilen, hämmernden Beats und ausschweifenden Aftershowpartys, ist die Dokumentation vor allem eine hervorragende Chronik der Corona-Pandemie, dank derer die Scooter-Jungs mehrmals ihre Tour verschieben mussten.

Man kann Scooter scheiße finden und die Musik vollends verachten, sollte aber anerkennen, dass es die Band mit Durchhaltevermögen, einer gepflegten „Leck mich am Arsch“-Attitüde und unbändiger Energie geschafft hat, seit dreißig Jahren erfolgreich zu sein und egal ob man nun Fan ist oder nicht, JEDER kennt mindestens zwei der zahlreichen Hits. FCK 2020 – ZWEIEINHALB JAHRE MIT SCOOTER verplempert allerdings nicht sonderlich viel Zeit damit, nochmal den gesamten Werdegang der Techno-Band zu rekapitulieren, sondern fokussiert sich dabei auf die Entstehungsgeschichte und die ersten Jahre im Business. Ursprünglich sollte der Film ein klassischer Tour-Film sein, der die drei Musiker über einen längeren Zeitraum begleiten sollte. Doch dann kam Corona und die Raves in den großen Hallen waren erstmal auf Eis gelegt. Somit musste das Skript geändert werden und als Zuschauer begleitet man nun H.P. Baxxter dabei, wie er versucht mit dem weltweiten Stillstand klarzukommen. Immer wieder wird verdeutlicht, dass die Bühne für den in Leer, Ostfriesland geborenen Schreihals eine Art Lebenselixier darstellt, inklusive amtlichem Warm-Up und rauschenden Aftershowpartys, bei denen gerne auch mal der Barzwang für sämtliche Crewmitglieder ausgerufen wird, egal ob diese nun wollen oder nicht. Was passiert, wenn das Alles nun nicht mehr geht? Der Film zeigt eindrucksvoll wie sehr die Konzertbranche und auch die Musikindustrie unter den Auflagen zu leiden hatte. So gibt es auch im Film die ein oder andere Krisensitzung, in der beratschlagt wird, wie man nun mit der Situation verfährt.

Jeder mögliche Gig wird bespielt, auch wenn es sich um ein Autokino handelt, was von H.P. einen Schnitt früher noch mit „kommt überhaupt nicht in Frage“ kommentiert wird. Generell lebt der Film vor allem von seiner Komik, denn insbesondere Baxxter ist gnadenlos unterhaltsam, etwa wenn er denkwürdige Sätze raushaut wie „Da haben jetzt halt irgendwelche Hupfdohlen aus irgendeiner Ficki-Ficki-Disco da rumhampeln, die die Show gar nicht kennen„, als er erfährt, dass die Tänzerinnen nicht bei einer Show in England auftreten können, da sie nicht geimpft sind. Auch sonst benimmt sich der in einer Protzvilla im englischen Landlordstil residierende Frontmann wie eine Mischung aus feierwütigem Altraver, divenhaftem Banddespoten und sympathischem Freidenker, der gerne mal seinen Tourmanager zusammenfaltet, weil der einen beschissenen Fahrer organisiert hat oder die kommenden Monatstermine dilettantisch aufbereitet hat und nach einem Luftbefeuchter in seinem Hotelzimmer verlangt, einfach weil er es gerade witzig findet. Beim regelmäßigem Rapport werden die Extrawünsche verdeutlicht, etwa ein spezielles 0,3l Longdrink-Glas, ohne das der Assistent gar nicht wiederzukommen bräuchte. Und wenn das Feiern in Deutschland nicht geht, fliegt man eben schnell nach St. Tropez (der „Ballermann für Reiche“) und lässt es da krachen, ungeachtet sämtlicher Ansteckungsgefahren. So bietet das knapp zweistündige Werk viel Humor, ordentlich Augenzwinkern und reichlich denkwürdige Momente, die neben all den auftretenden, nachdenklichen Einschüben vor allem zum Lachen anregen.

Dass Baxxters Bandkollegen nicht immer zu lachen zu Mute ist, beweist der Film ebenfalls. Denn auch wenn es sich bei Scooter um eine Band handelt, liegt der Fokus auch in der Dokumentation hauptsächlich auf Baxxter. Das scheint den beiden Ko-Produzenten und Keyboardern Sebastian Schilde und Michael Simon gar nicht so sauer aufzustoßen, denn nach eigenen Aussagen sind sich die Beiden ihrer Rollen bewusst, bis es aber ordentlich Zoff gibt, wenn diskutiert wird, wer sich wie in das Gefüge einbringt. So saut Baxxter seinen langjährigen Bandkollegen zusammen, der laut seiner Meinung seit vier Jahren nichts an Ideen geliefert hat. Dass in der Rangordnung klare Gesetze herrschen zeigt sich dann auch, als nach etwas mehr als zwei Jahren endlich die große Hallentour startet und die beiden Erfüllungsgehilfen sich „unerlaubt von der Truppe entfernen“. Folgerichtig werden beide nicht nur in ein weitaus billigeres Hotel ausquartiert, sondern auch zu Crew-Mitgliedern degradiert. Dass Simon und auch Schilde im Dezember 2022 die Band verlassen haben, zeichnet sich hier schon deutlich ab, denn wer mitmachen will, muss sich unterordnen. Dass ist überraschend ehrlich aber auch ein kleiner Dämpfer für die vorangegangenen Szenen, in denen noch mit viel Gelächter im Studio bekloppte Texte gedichtet werden.

Trotzdem endet FCK 2020 auf einer versöhnlichen Note, denn nach dem Tour-Auftakt vor ausverkaufter Halle begleitet die Kamera die Band noch zu einem Gig bei Rock am Ring, wo Scooter rund 90.000 Zuschauer in blanke Ekstase versetzen. Regisseurin Cordula Kablitz-Post hat somit einen passenden Mix geschneidert, der nie langweilig wird und viele tolle Aufnahmen bietet, sowie ordentlichen Musikeinsatz. Einzig die Strukturierung ist manchmal nicht ganz so flüssig, vor allem da der History-Teil schnell abgefrühstückt wird und auch das gesamte Bandgefüge etwas arg komprimiert wird.

Eurovideo veröffentlicht den Film demnächst als 4K Ultra-HD, Blu-ray und DVD. Uns lag zur Sichtung der Blauling vor, der mit richtig guter Bild- und vor allem Tonqualität punktet. Gerade der 7.1-Sound ist wunderbar abgemischt und durch die zahlreichen, eingesetzten Tracks kann man es ordentlich krachen lassen. Im Bonusbereich finden sich Outtakes und der Trailer.

Fazit:

Egal ob man Scooter mag oder hasst, FCK 2020 – ZWEIEINHALB JAHRE MIT SCOOTER (2022) ist eine gnadenlos unterhaltsame Dokumentation voller irrsinniger Momente, viel Augenzwinkern aber auch eine authentische Betrachtung der Pandemie, also eine Art Zeitdokument, das von denkwürdigen Sprüchen und treibenden Beats untermalt wird. Hyper Hyper!

Christophers Filmtagebuch bei Letterboxd – Your Life in Film

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