Wer kennt es nicht? Einmal im Jahr in den wohlverdienten Sommerurlaub fliegen, am besten mit All-Inclusive und malerischem Strand vor dem Hotelbunker, damit man es sich mal so richtig gut gehen lassen kann. Cronenberg-Filius Brandon hat für seinen neuesten Horrortrip INFINITY POOL (2023), der vor Kurzem von Universal Pictures Home Entertainment im Heimkino veröffentlicht wurde, den klassischen Wohlstandstourismus auserkoren und verwandelt den allseits beliebten Cluburlaub in einen brutalen Selbstfindungstrip. Ob der Regisseur damit an das Niveau seines letzten Werks POSSESSOR (2020) anknüpfen kann, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Infinity Pool

Drehbuch & Regie: Brandon Cronenberg

Darsteller: Alexander Skarsgârd, Mia Goth, Cleopatra Coleman, Jalil Lespert, Thomas Kretschmann…

Artikel von Christopher Feldmann

Mit seinem zweiten Spielfilm POSSESSOR (2020) hinterließ Brandon Cronenberg eine echte Duftmarke im internationalen Genrekino. Der brutale aber auch überaus ästhetische Science-Fiction-Trip wurde als neues Highlight gehandelt und dessen Regisseur als neuer Hoffnungsträger auserkoren, obwohl Brandon große Fußstapfen ausfüllen muss, immerhin gehört Papa David Cronenberg, kreativer Kopf hinter Klassikern wie VIDEODROME (1983) und DIE FLIEGE (1986), zu den ganz Großen des Horrorfilms. Im Kino war dem eigenwilligen Film kein allzu großer Erfolg vergönnt und bei näherer Betrachtung erklärt sich dies relativ schnell, ist INFINITY POOL (2023) wahrlich kein Streifen für ein Mainstreampublikum. Zwar ist das Ergebnis nicht ganz so eine berauschende Seherfahrung wie sein „Vorgänger“, Fans der Elevated-Horror-Welle kommen allerdings dennoch auf ihre Kosten.

Handlung:

Unberührte Strände, Sonne pur und Personal, das einem jeden Wunsch von den Augen abliest – James (Alexander Skarsgård) und Em (Cleopatra Coleman) genießen den perfekten Urlaub. Aber als sie mit der verführerischen und gleichzeitig mysteriösen Gabi (Mia Goth) das Gelände des einsam gelegenen Inselressorts verlassen, kommt es zu einem tragischen Unfall – und plötzlich gibt es für das Paar keinen Weg zurück …Sie finden sich in einer Parallelwelt voller Gewalt, grenzenlosem Hedonismus und unaussprechlichem Horror wieder und werden vor eine unvorstellbare Wahl gestellt, denn die Null-Toleranz-Politik für Verbrechen besagt: hingerichtet werden, oder, wenn man es sich leisten kann, dabei zusehen, wie man stirbt!

Die Ausgangssituation von INFINITY POOL ist wirklich interessant und vielversprechend. Wir befinden uns in einem Land, in dem man sich, sofern man über das nötige Kleingeld verfügt, von der Todesstrafe freikaufen kann. Stattdessen wird ein Klon getötet, den man kurz zuvor erschaffen hat. Das perfekte Szenario, in dem Brandon Cronenberg stilistisch seinem Vater nacheifern kann. Aber wer glaubt, der Film sei einfach nur eine Aufwärmung bekannter Trademarks, liegt definitiv falsch. Die Klon-Thematik und das relativ fragwürdige Rechtssystem in „Li Tolqa“ sind nur Auslöser für die eigentliche Handlung des Films, der sich auf Themen wie Selbstfindung und die Abgründe der Wohlstandsgesellschaft fokussiert. Was wäre, wenn man sich als monetär gut aufgestellter Tourist regelmäßig vor seiner Strafe drücken könnte? Tatsächlich präsentiert Cronenberg hier seine eigene Version des Kubrick-Klassikers A CLOCKWORK ORANGE (1971), in dem er über marodierende Schnösel erzählt, die einmal pro Jahr im sonnigen Urlaub ihre Gewaltfantasien ausleben, ohne dass sie Konsequenzen fürchten müssen. Sitzt man aus welchen Gründen auch immer doch in der Todeszelle, wird einfach die Kreditkarte gezückt, was zur Folge hat, dass man sich noch den finalen Kick dabei holen kann, indem man zusieht wie der eigene Doppelgänger kalt gemacht wird.

Im Zentrum des Geschehens steht dabei der erfolglose Autor „James“, der sichtlich gelangweilt und orientierungslos in die Ferne starrt, angeödet vom immer gleichen Tagesrhythmus im Resort, welches generell einem sterilen, fast schon „leerem“ Gefängnis gleichkommt , von seiner Ehe mit „Em“ und frustriert von seiner nicht existenten Schriftstellerkarriere. Generell befindet sich „James“ auffallend in einer Sinnkrise und scheint zudem mit seiner Männlichkeit zu hadern. Es ist schließlich die Femme Fatale „Gabi“, die ihn in einen Strudel aus Lustgewinn und Gewalt hineinzieht. Das Drehbuch arbeitet mit bekannten Motiven, ordnet sie allerdings dank der Sci-Fi-Prämisse zu einem frischen Seherlebnis an. Wenn die Beteiligten schließlich losgelöst vom klassischen moralischen Kompass über die Insel ziehen, erinnert dies schon fast an eine eigene Variation der PURGE-Reihe, im Fokus stehen dabei allerdings nicht die Gewaltausbrüche, sondern die beißende Gesellschaftskritik.

Schauspielerisch ist das Ganze um jeden Zweifel erhaben. Skarsgârd spielt mit Bravour den entmannten Loser, das wahre Highlight ist allerdings Mia Goth, die zuletzt schon im X-Prequel PEARL (2023) ablieferte und hier mit echter Spielfreude die durchtriebene Femme Fatale verkörpert. Zwar fehlt es dem Film etwas an der Intensität von POSSESSOR (2020), der weitaus experimentellere Bilder zu bieten hatte, inhaltlich knüpft Cronenberg allerdings ordentlich an sein Vorgängerwerk an. Beide Filme eignen sich gut als Double-Feature, wobei INFINITY POOL sich als Erstling besser machen würde. Allerdings scheint der Regisseur hier bewusst auf eine berauschende Bildästhetik zu verzichten, generell verweigert man sich „schönen“ Motiven. Die Hotelanlage ist kalt gehalten und fühlt sich fast schon beklemmend an, die Szenen im Polizeirevier haben schon deutliche NS-Vibes, was spätestens dadurch unterstrichen wird, dass unser Hollywood-Export Thomas Kretschmann hier den Behördensprecher mimt. Die Inszenierung mag zwar schlicht sein aber wirkungsvoll. Gewalt gibt es auch nicht gerade wenig, wenn auch wirklich derbe Momente wie in POSSESSOR eher ausbleiben. Trotzdem schienen der Härtegrad und die sexuellen Momente ein Problem in den USA gewesen zu sein, erschien der Film dort nur in einer geschnittenen R-Rated-Fassung. Hierzulande kommt das Publikum in den Genuss der Unrated-Version, die eine Freigabe ab 18 Jahren hat.

Diese schaffte es nicht nur ins Kino, sondern nun auch auf Scheibe. Die Blu-ray von Universal Pictures Home Entertainment punktet mit hervorragender Bild- und Tonqualität. Bis auf den Trailer sind leider keine Extras vorhanden.

Fazit:

Brandon Cronenberg erreicht mit INFINITY POOL (2023) nicht ganz die Klasse von POSSESSOR (2020), ein gesellschaftskritischer wie auch fieser Trip ist ihm aber dennoch gelungen, der allerdings eher Fans des etwas anderen Horrors zusagen dürfte.

Amazon-Links:

Blu-ray

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