Freunde des schrägen Folkhorrors haben einen Grund zum Feiern, denn STUDIOCANAL / ARTHAUS spendiertem dem Ur-Vater des Genres nun, 50 Jahre nach seiner Entstehung, eine 4K-remasterte Neuauflage. Mit dabei ist natürlich die erst letztes Jahr entstandene Synchronfassung, die bestes Retro-Feeling versprüht. Wer bislang nur das schreckliche Remake mit Nicolas ´Not the bees!´ Cage kennt, der sollte spätestens jetzt zuschlagen und seinen Horizont erweitern. Mit Sicherheit kein Film für die breite Masse, wer aber Werke wie Midsommar zu schätzen weiß, der wird hier ein atmosphärisches Aha-Erlebnis haben. Horrorikone Christopher Lee bezeichnete diesen Film jedenfalls als seine beste Arbeit. Er wäre sicherlich erstaunt gewesen, was aus dem neuen 4K-Master qualitativ rausgeholt wurde.

Regie: Robin Hardy

Darsteller: Edward Woodward, Britt Ekland, Christopher Lee, Diane Celento, Ingrid Pitt, Lindsay Kemp

Artikel von Christian Jürs

Der ambitionierte und christliche Sergeant Howie (Edward Woodward) trifft mit einem Wasserflugzeug auf Summerisle ein, einer kleinen, schottischen Insel, die als Privatbesitz vom gleichnamigen Lord (Christopher Lee) regiert wird. Die Einwohner sind zunächst wenig begeistert über den Besuch, müssen Howie jedoch gewähren lassen, da dieser einem anonymen Hinweis an die Polizei nachgehen muss. Dieser besteht aus einem absenderlosen Brief, auf dem um Hilfe gebeten wird, da seit Monaten die kleine Rowan Morrison (Geraldine Cowper) auf Summerisle verschwunden sei.

Howie quartiert sich im einzigen Gasthaus der Insel ein, welches von Alder MacGreagor (Lindsay Kemp) und seiner betörenden Tochter Willow (Britt Ekland) betrieben wird. Dort finden sich die Insulaner allabendlich ein, um bei Gesang und Bier zu feiern. Doch so aufgeschlossen die Gemeinde hier erscheint, so reserviert geben sich die Einwohner dem ermittelnden Beamten gegenüber. Egal, wo Howie auch nachfragt, niemand scheint von der Existenz der kleinen Rowan Kenntnis zu haben. Ja, selbst ihre vermeintliche Mutter May Morrison (Irene Sunters) leugnet die Existenz des Mädchens.

Nicht die einzige Eigenartigkeit, die die Insulaner an den Tag bringen. Abends finden sich kopulierende Pärchen zur Orgie auf der Wiese, in der Mädchengrundschule wird über Phallussymbole diskutiert und nackte Frauen hüpfen am Tag über lodernde Lagerfeuer, um ihre Fruchtbarkeit zu steigern. Erklärungen hierfür erhält der angewiderte, fromme Polizist vom Inselbesitzer Lord Summerisle selbst, dessen Großvater einst den heidnischen Kult auf der Insel einführte. Doch um die Naturgötter milde zu stimmen und eine ertragreiche Ernte einzufahren, bedarf es hin und wieder einer Opfergabe. Und da die Ernte des Vorjahres schlecht war, wird das anstehende Maifest dieses Jahr ein ganz besonderes werden…

Wer hinter The Wicker Man einen geradlinigen Horrorstreifen erwartet, der dürfte maßlos enttäuscht werden. Es gibt weder echten Grusel noch blutige Horroreffekte zu bestaunen. Stattdessen ist es das seltsam verschrobene, schottische Inselvölkchen, welches dem Hauptprotagonisten und Zuschauer mit zunehmender Laufzeit den Atem gefrieren lässt. Ob der ständige, schräge Gesang der Einwohner oder die seltsamen Bräuche, teils sexueller Natur, manchmal auch seltsamer Heilmethoden, die selbst jedem Globulischlucker bedenklich erscheinen dürften; das Verhalten der Leute ist einfach bizarr. So muss ein kleines Mädchen, um ihre Halsschmerzen loszuwerden, einen lebendigen Frosch in den Mund nehmen, damit die Krankheit auf diesen übertragen wird. Da wir als Zuschauer den Blickwinkel des braven Polizisten einnehmen, der in diese Welt des Wahnsinns unfreiwillig eintaucht, steigert sich nach und nach ein beklemmendes Gefühl im Zuschauer – bis hin zum schockierenden Finale.

Anno 1973 muss The Wicker Man für den Kinogänger ein echter Schlag in die Magengrube gewesen sein. Kein Wunder, dass der Film in Deutschland einst keinen Verleiher fand. Zu schräg und böse und zudem mit zu viel schottischem Liedgut unterlegt, wäre das hiesige Publikum damals wohl heillos überfordert gewesen. Erst 2009 erschien der Film offiziell hierzulande, damals noch beim Studiocanal-Vorgänger Kinowelt, in einer Doppel-DVD-Version. Diese beinhaltete sowohl die Kino-, als auch die Directors Cut-Version, jedoch nur im Original mit Untertiteln.

Letztes Jahr gab es dann ein Happy End für deutsche Synchronfans, denn Studiocanal / Arthaus haben für die Final Cut Version eine deutsche Synchronfassung anfertigen lassen. Diese entstand unter der Obhut von Medien- und Kulturwissenschaftler Dr. Gerd Naumann und kann mit einer Schar prominenter Sprecher aufwarten. So kamen u.a. Bernd Vollbrecht, Frank Glaubrecht und Lutz Makensy ans Mikro, um den Kultfilm zu vertonen – und das klingt richtig gut. Alle Tonspuren (Englisch, Deutsch & Französisch) liegen im sauberen Mono-Ton vor. Die Bildqualität ist sensationell gut für einen kleinen Film diesen Alters. Das neue Master hat qualitativ nochmal eine ganze Schippe draufgelegt zur Special Edition aus dem letzten Jahr, wie ich im direkten Vergleich feststellen konnte.

Beim Bonusmaterial wurde gegenüber der Auflage aus dem Vorjahr nochmal ordentlich aufgestockt. So findet man Featurettes zur Filmmusik und dem Film an sich (u.a. ein Special zum 50-jährigen Jubiläum), diverse Interviews, ein Special zum verlorenen Ende, , einen Audiokommentar, Trailer und ein alternativer Vorspann. Die Limited Steelbook-Edition, sowie die Blu-ray-Neuauflage, bieten zudem eine Bonusscheibe, die die Kinofassung und den Directors Cut, beide im Originalton mit wahlweise deutschen Untertiteln, zu bieten haben. Die Bildqualität der neuen Szenen im Directors Cut ist allerdings mäßig. da dieser leider nicht überarbeitet wurde. Der darin enthaltene, längere Prolog um Polizist Howie, ist aber eigentlich auch überflüssig.

The Wicker Man ist ein unbestrittener Klassiker, der jedoch nicht jedem gefallen dürfte. Wer Horrorfilme wie The Witch oder den eingangs erwähnten Midsommar zu schätzen weiß, kommt um diese Veröffentlichung allerdings nicht herum. Ein Kunstwerk, welches ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel hat, dabei aber so frisch und ungezwungen wirkt, wie es heute kaum noch ein Film schafft.

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