Museen sind nicht Euer Ding, da Euch das Wandern von einem Exponat zum anderen langweilt? Da verbringt Ihr lieber den Nachmittag auf der heimischen Couch vor der X-Box? Nun, da hätte ich eine Alternative für Euch, bei der Ihr zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen könnt: Ein Museum, in dem Ihr nicht nur die letzten knapp fünfzig Jahre Computer- und Konsolenspielekultur besichtigen, sondern auch ausprobieren könnt und auch sollt. Von Pong über Lemmings, bis hin zu Street Fighter – im Retro-Spiele-Club wird Langeweile und Lethargie der Stinkefinger gezeigt. Ich war dort und berichte Euch von diesem spaßigen Erlebnis.
Artikel von Christian Jürs
Nur fünf Minuten vom Horner Kreisel und damit nahe der Autobahn A1, befindet sich, inmitten einer Ladenzeile (Horner Landstr. 171, 22111 Hamburg), das Spiele Museum Retro-Spiele-Club, betrieben von Patrick Becher und Robin Lösch. Einst hatten die beiden einen An- und Verkauf für Computer- und Konsolenspiele und -teile, doch dann entschieden die beiden, dass ihre unfassbare Sammlung an Retro-Computerspielen sich bestens als kleines Museum eignen würde, in dem das jüngere Publikum die Historie der letzten Jahrzehnte an Daddelkonsolen, Spielecomputern und Co. kennenlernen, während die ältere Generation in Erinnerungen schwelgen kann, um die Games ihrer Jugend widerzuentdecken.
An sich eine tolle Idee, zumal auch Firmen die Räumlichkeiten, zum Beispiel für ihre Weihnachtsfeiern oder Betriebsausflüge, mieten können – auch Schulklassen könnten hier einen tollen Ausflugstag verbringen. Doch das Timing machte den beiden sympathischen Spielefreaks einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Denn Eröffnung war Anfang 2020, jenem Jahr, in dem Corona die Welt zum Stillstand brachte. Nun ist die Pandemie zwar offiziell vorbei, doch seither scheinen die Spielefreunde sich lieber auf der heimischen Couch zu vergnügen, als dem erstaunlich reichhaltigen Sortiment aus der Computerspielgeschichte mal einen Besuch abzustatten – von Firmenbuchungen oder Schulausflügen ganz zu schweigen.
Das muss sich ändern! Denn auch wenn die (offiziellen) Öffnungszeiten derzeit nur begrenzt sind (donnerstags von 17 – 20 Uhr und jeden letzten Samstag im Monat von 12 – 20 Uhr), kann ich Euch einen Besuch absolut ans Herz legen. Ich war am 30. September nachmittags mit Frau und Kindern dort und wir haben es nicht bereut oder uns gar gelangweilt – im Gegenteil.
Vom Mehrspielerspaß dem Rennspiel Mario Kart oder einem gepflegten Tetris-Duell, bis hin zu Einzelspielerhighlights wie dem Weltraum-Shooter R-Type, die drei Stunden im Retro-Spiele-Club vergingen wie im Flug.
Ob klassische Computerspiele am „Brotkasten“ Commodore C64 oder dem Nachfolger Amiga 500 – hier könnt Ihr gleich hunderte Spiele auf Anfrage spontan spielen. Es lohnt sich also, wenn Ihr Euch vorab informiert, welche Spieleklassiker diese beiden Klassikercomputer so zu bieten haben. Ich persönlich war damals, in meiner Jugendzeit, selbst im Besitz dieser grandiosen Freizeitverschwender und habe viele Nachmittage mit Maniac Mansion, Bubble Bobble, Lotus Esprit Turbo Challenge oder Kick Off 2 verbracht. An diesem Nachmittag kam ich gar nicht dazu, eines dieser Games zu daddeln, so sehr flog die Zeit dahin.
Einen wundervollen Ausflug in meine Kindheit konnte ich dank der vorhandenen Atari 2600-Steckkonsole zelebrieren. Im Alter von neun Jahren bekam ich so ein Gerät – Pac Man inklusive. Hier kann man sich jederzeit bei den an der Wand befindlichen Cartridges (mehrere Dutzend – siehe Bild weiter unten) bedienen und alles Probespielen (aber nicht vergessen, vor dem Wechsel das Gerät auszuschalten!). Von Pitfall über Centipede bis hin zu Space Invaders, H.E.R.O. oder Dragonfire – hier kann munter drauflos gespielt werden.
Gespielt wird übrigens „silent“ – sprich, die Monitore sind auf Lautlos oder zumindest nur minimalen Ton gestellt, damit sich die Gamer nicht gegenseitig in den Wahnsinn treiben und nebenbei auch gequatscht werden kann. Wer aber die Videospiele in ihrer vollen Pracht mit Soundeffekten erleben möchte (oder die Musik eines Soundmagiers vom Schlage eines Chris Hülsbeck goutieren will), der kann sich einen der zahlreichen Kopfhörer, die im Eingangsbereich hängen, kostenlos leihen und in die am Monitor hängenden Adapter einstöpseln. Bei Bedarf könnt Ihr vor Ort auch einen Kopfhörer käuflich erwerben.
Doch es gibt noch so viel mehr zu entdecken. Für Bewegung ist mit der Nintendo Wii gesorgt, während Ihr mit dem Nintendo 64 oder dem Game Cube in die Welt von Zelda hinabtauchen könnt. Eine Runde Alex Kidd mit dem Sega Mastersystem gefällig oder lieber auf 16-Bit umsteigen und das Sega Mega Drive nutzen, um mit Sonic durch die Gegend zu wetzen oder sich gegenseitig in 32-Bit mit dem Sega Saturn in einer Runde Virtua Fighter messen? Null problemo.
Auch Playstation-Fans kommen auf ihre Kosten und können sogar mit der Knarre auf den Bildschirm zielen, um Terroristen ins Jenseits zu befördern. Hier gibt es wirklich alles, was das Konsolen- und Computerherz begehrt. Und wer gänzlich planlos in das Spielemuseum kommt, der wird kompetent und äußerst sympathisch von den beiden Hausherren Batman und Robin… ääähhh… Patrick und Robin beraten und mit Anleitungen zu den jeweiligen Spielen versorgt.
Meine Frau beispielsweise ist weniger dem „daddeln“ zugeneigt, doch da wusste Patrick gleich Rat. Die Lösung lautete: Lemmings! Die kleinen Rudelviecher, die man sicher mit Köpfchen ins Ziel und nicht in ihr Verderben lenken muss, packten das Knobelherz meiner Frau sofort – eine Spieleeinführung gab es natürlich inklusive.
Mein Highlight war der Moment, als ich gegen meine Tochter zu einer armkrampfverursachenden Runde Decathlon antrat. Beim sportlichen Zehnkampf, der muskelförderndes Rütteln am guten alten Competition Pro-Joystick forderte, konnte ich beweisen, dass ich seit meiner Kindheit nichts verlernt hatte. Dies fiel auch Patrick auf, der mich dabei erwischte, wie ich regelmäßig die 1000 Punkte-Hürde bei einigen Disziplinen meisterte. Zu meiner Überraschung erhielt ich hierfür ein Decathlon-Hero-Abzeichen (siehe unten) und wurde genötigt, gegen die Cracks des Ladens anzutreten – mit mäßigem Erfolg (immerhin belegte ich Platz 4 – bei 4 Teilnehmern – schluck).
Natürlich standen mir die beiden Hausherren auch Rede und Antwort. So erfuhr ich vom Wandel des bereits weiter oben erwähnten An- und Verkauf-Ladens zum Spielemuseum. Die Lieblingsspiele der beiden könnten zudem unterschiedlicher nicht sein. Während Robins Leidenschaft mit Strategiespielen wie Civilization begann, verbrachte Patrick seine Zeit am liebsten mit dem Mario-Klon The Great Giana Sisters (ein geiles Spiel, btw.). Doch was sie zu sagen hatten, war wenig erbaulich. Denn obwohl sie ein Museum sind, ist von finanzieller Unterstützung seitens der Stadt leider keine Rede. Auch die Tatsache, dass ihnen die Miete massiv während der Coronazeit erhöht wurde, kommt einem kleinen Genickbruch gleich. Deshalb, liebe Leute, solltet Ihr aus Hamburg und Umgebung kommen, dann stattet dem Retro-Spiele-Club einen Besuch ab. Oder macht Eurem Chef doch gleich den Vorschlag, Eure Weihnachtsfeier dort zu verbringen. Gruppen können nämlich problemlos auch außerhalb der vorgegebenen Öffnungszeiten das Museum mieten. Eine reichhaltige Getränkeauswahl (von Softdrink bis zum Bier) ist vorhanden (aber bitte nicht an den Geräten konsumieren) und diverse Lokalitäten in der Nähe sorgen für weiteres, leibliches Wohl. Das wäre doch mal eine originelle Firmenfeier.
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Für mich war der Besuch eine tolle Zeitreise in meine Jugend. Drei Stunden voller Spiel und Spaß. Ach ja, bevor ich es vergesse, an den Wänden kann man hunderte alter PC-Spielekartons aus vergangenen Jahrzehnten bewundern. Ein wenig normales Museum ist also auch vorhanden. Abschließen möchte ich mit den Worten des T-800: „I´ll be back!“ – Versprochen.