Wir befinden uns mitten im Hurenween-Monat, die beste Zeit also für Nervenkitzel und Horror. Doch es müssen ja nicht immer Zombies, maskierte Killer und ausufernde Effekthascherei sein, um den Zuschauer das Fürchten zu leeren, manchmal bedarf es auch den eher dezenten Schauer für einen wohligen Oktoberabend. Da trifft es sich gut, dass Studiocanal und Arthaus kürzlich Alejandro Amenábars Gruselthriller THE OTHERS (2001) als Neuauflage im frischen 4K-Master veröffentlicht haben. Die Haunted-House-Mär mit Nicole Kidman in der Hauptrolle sorgte damals bei moderaten Produktionskosten für guten Umsatz am Box-Office und gilt bis heute als einer der beliebtesten Genrevertreter nach der Jahrtausendwende. Wie gut sich der Film tatsächlich gehalten hat, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: The Others

Drehbuch & Regie: Alejandro Amenábar

Darsteller: Nicole Kidman, Christopher Ecclestone, Fionnula Flanagan, Alakina Mann, James Bentley, Eric Sykes…

Artikel von Christopher Feldmann

Regisseur, Drehbuchautor und Komponist Alajandro Amenábar ist nicht unbedingt ein Vielfilmer, machte sich allerdings auch weniger durch Quantität, sondern durch Qualität einen Namen. Gleich sein erster Spielfilm TESIS – DER SNUFF-FILM (1996) machte ihn unter Genrefans bekannt, gilt dieser doch heute noch als Geheimtipp unter den Psychothrillern der 1990er. Dass Amenábar später mit THE OTHERS (2001) aber den internationalen Durchbruch feiern durfte, hat er witzigerweise Hollywoodstar Tom Cruise zu verdanken. Dieser kaufte ihm nämlich die Rechte an dessen zweitem Film VIRTUAL NIGHTMARE (1997) ab und produzierte 2001 das US-Remake VANILLA SKY, in dem der Blockbuster-Garant zudem die Hauptrolle spielte. Als Gefälligkeit ermöglichte Cruise dem Spanier den hier vorliegenden Film mit dessen damaliger Ehefrau Nicole Kidman zu drehen. Ein guter Deal, etablierte THE OTHERS Amenábar nicht nur auf dem internationalen Parkett, sondern ließ mit rund 210 Millionen US-Dollar Einspiel bei Produktionskosten von 17 Millionen auch die Kassen klingeln. Zu Recht, hebt sich der Film doch auf angenehme Weise vom Effekthorror ab und serviert ein waschechtes Familiendrama im Gewand eines klassischen Gruselfilms, der mit einem starken Twist aufwartet.

Handlung:

1945: Der Zweite Weltkrieg ist vorbei, aber Grace Stuart (Nicole Kidman) wartet immer noch auf die Heimkehr ihres Mannes (Christopher Ecclestone). In ihrem abgelegenen Herrenhaus erzieht Grace ihre beiden Kinder, Anne (Alakina Mann) und Nicholas (James Bentley), nach strengen religiösen Prinzipien. Die Fensterläden und Vorhänge des Hauses sind stets verschlossen, denn die Kinder leiden an einer seltsamen Krankheit: Sie reagieren allergisch auf Licht. Nachdem eines Tages das gesamte Personal ohne ein Wort verschwunden ist, stellt Grace drei neue Bedienstete an. Als diese die wichtigste Regel der Hausherrin missachten, ereignen sich unheimliche Vorfälle.

Um schon mal das Obligatorische vorweg zu nehmen, THE OTHERS blieb bei den meisten Zuschauern erwartungsgemäß durch seinen spektakulären Twist in Erinnerung. Dieser befördert den Film zum Ende hin auf eine ganz neue Ebene, mit der seiner Zeit vermutlich niemand gerechnet hat, vermag es Amenábar doch gekonnt, das Publikum auf Spur zu halten, ohne zu viele Indizien preiszugeben. Wahrscheinlich ist der Überraschungseffekt auch etwas dem Erfolg von M. Night Shyamalans THE SIXTH SENSE (1999) geschuldet, in Folge dessen Produzenten auf der Suche nach der nächsten sensationellen Wendung waren. Nichts desto trotz funktioniert dies hier hervorragend und packt den Zuschauer auch emotional. Aber: Überzeugt der Film auch abseits seiner Wendung?

Diese Frage lässt sich getrost mit „Ja“ beantworten. THE OTHERS erzählt stimmungsvoll die Geschichte einer isolierten Familie, die in den letzten Zügen des zweiten Weltkriegs ihr Dasein in einem üppigen Landhaus fristet. Der Plot lässt sich fast schon als Psychogramm beschreiben, in dessen Zentrum die von Nicole Kidman gespielte „Grace“ steht. Diese wurde offensichtlich durch die unruhigen Kriegszeiten und den Einzug ihres Mannes in die Schlacht gegen die Deutschen an den Rand des Nervenzusammenbruchs getrieben. Mit beunruhigendem Kontrollwahn und helikopterartiger Vorsicht erzieht sie ihre beiden Kinder mittels Hausunterricht selbst, wirkt dabei aber stets äußerst labil, als könnte jeder noch so kleine Vorfall das Fass zum Überlaufen bringen. Der Film beginnt damit, dass aus dem Nichts neues Hauspersonal um Arbeit ersucht, nach dem die vorherigen Bediensteten von heute auf morgen verschwunden sind. Es dauert nicht lange, bis die ersten merkwürdigen Vorkommnisse eintreten, die die Familie nach und nach an den Rand der Verzweiflung treiben. So mischt sich das klassische Drama über Verlustangst, Trauer und persönliche Verzweiflung mit den Tropes klassischer Gruselfilme, vermittelt das herrschaftliche Anwesen der Familie doch den Flair guter alter Geisterhausgeschichten. Es knarzt in allen Ecken, Türen öffnen und schließen sich von Geisterhand, Stimmen sind in den entlegensten Winkeln des Hauses zu hören und der dichte Nebel, der über die britische Landschaft (zumindest im Film, gedreht wurde in Spanien) wabert sorgt für ein schauriges Sehvergnügen.

Gerade was Look und Feel angeht, ist THE OTHERS ziemlich stark, punktet Regisseur Amenábar doch mit einer packenden Atmosphäre, die ein wenig darüber hinwegtröstet, dass der Plot nicht allzu viel hergibt, um knapp hundert Minuten Film zu füllen. Die immer wieder aufkommenden Ereignisse, die irgendwann keinen Zweifel mehr daran lassen, dass es im Haus spukt, wirken ab einem gewissen Punkt zunehmend repetitiv, viel mehr interessiert man sich für die Charaktere, die aber auch nicht vollends ausgespielt werden, damit der Twist zum Schluss seine gewollte Wirkung entfalten kann. Analysiert man im Nachhinein jeden Hinweis und jeden Moment, in dem das Drehbuch Anhaltspunkte liefert, wird man sicherlich Ungereimtheiten finden, allerdings muss man gestehen, dass es gerade der Twist ist, der THE OTHERS sein Alleinstellungsmerkmal verschafft. Abseits davon macht sich doch die ein oder andere Länge bemerkbar, nutzt es sich doch irgendwann etwas ab, wenn Nicole Kidman immer wieder aufgescheucht durch das Haus rennt. Dennoch ist es stark anzusehen, wie Amenábar den Film entwickelt, ohne sich plumper Effekte zu bedienen. Es gibt weder Jump-Scares noch irgendwelche wilden Effekte zu sehen, THE OTHERS kreiert den Schauer gänzlich über seine Bilder und die Schauspieler.

Nicole Kidman brilliert natürlich als starke aber auch ungeheuer fragile Persönlichkeit, die nach und nach den Verstand zu verlieren scheint. In dieser Rolle verlangt sie einiges ab, bewegt die Schauspielerin doch stets auf einem schmalen Grad, auf dem sie auch leicht in Richtung „nervig“ kippen kann. Auch ich empfand ihre Performance zwischendurch etwas anstrengend aber das gehört in meinen Augen zu ihrer Rolle. Einen wirklich guten Job machen die beiden Kinder, gespielt von James Bentley und Alakina Mann, die das Zusammenspiel mit Kidman etwas ausgleichen. Ein wenig schade ist es, dass das Hauspersonal, durch das die Ereignisse mehr oder weniger in Gang gesetzt werden etwas stiefmütterlich behandelt wird. Auch Christopher Ecclestone, der als Ehemann auftritt, hat der Geschichte nicht viel hinzuzufügen. Trotzdem können alle Darsteller überzeugen.

Studiocanal und Arthaus legten den Film erst kürzlich als Special Edition und neu auf, die die deutschsprachige 4K-Premiere darstellt. Zusätzlich erschien der Film auch als reguläre Blu-ray- und DVD-Variante. Die restaurierte Fassung, die uns in Form des Blaulings vorlag, ist eine sichtbare Steigerung im Vergleich zu den vorherigen Veröffentlichungen und präsentiert den Film schärfer und detailreicher. Die 4K-Scheibe soll allerdings nicht über HDR verfügen, was den UHD-Genuss etwas schmälern soll. Blu-ray-Anhänger kommen aber dennoch auf ihre Kosten. Das Bonusmaterial bietet neben bereits vorhandenen Featurettes u.a. über die Musik und den Regisseur selbst einen neuen Rückblick auf den Film. Zusätzlich gibt es ein Making-Of, eine Bildergalerie und den Kinotrailer.

Fazit:

THE OTHERS (2001) ist weniger ein klassischer Horrorfilm, sondern ein Charakterdrama mit den Elementen altgedienter Spukgeschichten, das besonders durch seinen Twist zu gefallen weiß. Trotz kleiner Längen eine klare Empfehlung für den noch milden Oktoberabend.

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