Mit diesem Film räumte Billy Wilder groß ab. Nicht nur, dass der Streifen ein Kassenerfolg war, er bekam auch gleich fünf Oscars verliehen und wurde auch sonst in den Kritiken gelobt. Es war der letzte Schwarzweißfilm, dem gleichzeitig der Oscar für die Beste Regie und den Besten Film verliehen wurde (The Artist von 2011 einmal ausgenommen). Story, Art Direction und Schnitt bekamen ebenfalls ihren verdienten Oscar. Billy Wilder drehte ein traurig-komisches Drama über Moral, Einsamkeit und zwei kleine Versicherungsangestellte, die sich strampelnd über Wasser halten und gleichzeitig Spielball ihrer Vorgesetzten sind. Für die damalige Zeit eine gewagte Story, denn hier gehen die Vorgesetzten alle fremd, es gibt wenig Skrupel und Billy Wilder zersägte die Moralvorstellungen von damals mit einem flott aufspielenden Jack Lemmon und einer frischen Shirley MacLaine. CAPELIGHT PICTURES brachte den Klassiker nun frisch aufpoliert als 2-Disc Limited Collector’s Edition im Mediabook heraus, erstmals in Deutschland in 4K Ultra HD mit HDR10+ und HDR10 auf UHD-Blu-ray und in High Definition auf Blu-ray.
Originaltitel: The Apartment
Regie: Billy Wilder
Darsteller: Jack Lemmon, Shirley MacLaine, Fred MacMurray, Ray Walston, Jack Kruschen, David Lewis, Hope Holiday
Artikel von Kai Kinnert
Der New Yorker Versicherungsangestellte C. C. Baxter (Jack Lemmon) hält den Schlüssel zum beruflichen Aufstieg in den Händen: Es ist der Schlüssel zu seinem Apartment, das er seinen Vorgesetzten regelmäßig als Liebesnest zur Verfügung stellt. Mit Erfolg, denn die Empfehlungen der Kollegen verschaffen ihm die langersehnte Beförderung durch den Personalchef J. D. Sheldrake (Fred MacMurray). Zum Dank fordert dieser nun ebenfalls den Zugang zu Baxters Wohnung, um dort die Nacht mit seiner Geliebten zu verbringen. Noch ahnt Baxter nicht, dass es sich bei der heimlichen Affäre um Fran Kubelik (Shirley MacLaine) handelt, die hübsche Fahrstuhlführerin der Firma, auf die Baxter schon seit Längerem ein Auge geworfen hat. Als er die junge Frau nach der Verabredung mit einer Überdosis Schlaftabletten in seinem Bett vorfindet, muss er sich zwischen Moral und Karriere entscheiden.
„Das ist mein Wagenrennen!“ soll Billy Wilder beim Dreh der Einstellung mit dem Großraumbüro gerufen haben. Damit bezog er sich auf das packende Wagenrennen in Ben Hur (1959), das den Kinogängern ein Jahr zuvor preisgekrönt den Atem verschlug. Billy Wilder eröffnet den Arbeitsplatz von C. C. Baxter (Jack Lemmon) mit einer beeindruckenden Einstellung im Goldenen Schnitt. Die Einstellung ist so gut, das sie wirklich ein Wagenrennen der fotografischen Dynamik ist, eine Einstellung von beeindruckender Tiefe, detailliertet und perfekt ausgeleuchtet. Die Bildflucht verläuft mittig ins obere Drittel des Bildes und formt so ein kraftvolles Schwarzweißbild. Ausstattung, Licht und Kamera sind enorm – Billy Wilder drehte sein Text-Kino stets filmisch gekonnt, hier jedoch fantastisch. Das Appartement ist komplett auf Schwarzweißfilm abgestimmt, die gesamte Ausstattung hat ihren Oscar verdient bekommen. Licht und Kamera sind in Symbiose mit Vorder- und Hintergründen, selbst der Marmor an der Wand im Foyer des Versicherungsgebäudes ist fotografisches Element in der Bildgebung. Baxters Apartment ist großartig und bis in die Tiefe hinein liebevoll ausgestattet worden, aber auch die Straßenszenen oder die symbolkräftige Aufnahme von Baxter auf der langen Parkbank sind eine Freude für das Auge. Wer gute Schwarzweißbilder mag, wird hier verwöhnt werden.
Billy Wilder drehte mit Das Appartement keine Komödie. Hinter der Fassade der beiden bestens aufspielenden Hauptdarsteller Jack Lemmon und Shirley MacLaine steckt die tiefe Traurigkeit zweier einsamer Menschen. Der Film spielt zwar zur Weihnachtszeit, verbindet sich aber nicht mit der fröhlichen Besinnlichkeit, die sonst gerne an den Weihnachtstagen zitiert wird. Weihnachten findet ohne Lemmon und MacLaine statt. Stattdessen gibt es einen Selbstmordversuch und geschliffene Dialoge mit Kollegen, Nachbarn und Momente der Einsamkeit. Billy Wilder hat, wie so oft, ein echtes Interesse an seinen Charakteren und liefert einen vollendet durchdachten Film ab, der bis ins letzte Detail hinein zu glänzen vermag. Jack Lemmon spielt wie ein Uhrwerk. Jede Bewegung, jede Zäsur und jeder Handgriff geschieht bewusst. Shirley MacLaine hält fein und frech mit. Die Story funktioniert auch heute noch, der Film hängt an keiner Stelle. Billy Wilders Regie ist wohl temperiert und in sich wunderschön geschlossen. Das Appartement ist zeitloses Autorenkino und ein Schwarzweißfilm vom Feinsten.
Das Bild der Blu-ray ist sauber und satt, das sieht einfach gut aus (aufgrund fehlender Technik konnte ich die 4K Scheibe leider nicht testen – Spenden zur Behebung dieses Hardware-Mangels bitte an die Medienhurenredaktion senden). Der Ton ist auch gut und als Extras gibt es ein 24-seitiges Booklet, Audiokommentar von Filmhistoriker Bruce Block, Ausgewählte Szenenkommentare von Filmhistoriker Philip Kemp, A Letter to Castro – Interview mit Hope Holiday, The Flawed Couple – Videoessay von David Cairns, Featurette: The Key to the Apartment, Making-of: Inside the Apartment, Dokumentation: Magic Time: The Art of Jack Lemmon, US-Kinotrailer und Deutscher Kinotrailer.
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