Bei diesem Film scheiden sich die Geister. Der per Crowdfunding mit einem Mikrobudget von nur 15.000$ finanzierte Experimentalhorrorfilm wurde bereits 2022 geleakt und entwickelte sich zum viralen Hit. Nach kurzem Kinoeinsatz könnt Ihr Euch den Gruselfilm jetzt dank CAPELIGHT PICTURES und PLAION PICTURES endlich legal im Heimkino anschauen. Doch der innovative, bizarr-albtraumhafte Gruselfilm wird nicht jedermann gefallen. Ich versuche in meiner Kritik zu ergründen, wem der Schocker zusagen dürfte und habe außerdem den zuvor gedrehten, ähnlich gelagerten Kurzfilm „Heck“ von Regisseur Kyle Edward Ball im Artikel verlinkt.

Drehbuch und Regie: Kyle Edward Ball

Darsteller: Lucas Paul, Dali Rose Tetreault, Ross Paul, Jaime Hill

Artikel von Christian Jürs

Alle paar Jahre erscheint ein kleiner, günstig produzierter Horrorfilm, der von einigen Fans als Sensation gefeiert wird, während andere sich mit Grausen abwenden. Blair Witch Project aus dem Jahr 1999 war so ein Fall. Während sich die eine Fraktion beinahe zu Tode gruselte, wenn des Nachts die Regisseure am Zelt der Schauspieler rüttelten, bekam das andere Lager Würgereize und Kopfschmerzen bei all dem Kameragewackel. 2007 gerieten Kinogänger in Panik, wenn sich in Paranormal Activity die Bettdecke wie von Zauberhand bewegte. Ich hingegen muss gestehen, dass ich noch nie so etwas Langweiliges gesehen habe (während ich Blair Witch Project damals zumindest recht unterhaltsam empfand) und den beiden unsympathischen Hauptfiguren ein schnelles Ableben gewünscht habe. Dass diese in Skinamarink unsympathisch seien, kann man ihnen hingegen nicht nachsagen, was schlichtweg daran liegt, dass wir die Akteure im Grunde gar nicht kennenlernen, bzw. richtig zu Gesicht bekommen. Klingt komisch, ist aber so.

Wir schreiben das Jahr 1995. Die sechsjährige Kaylee (Dali Rose Tetreault) und ihr vierjähriger Bruder Kevin (Lucas Paul) begeben sich ins Bett. Bei einem Telefonat ihres Vaters (Ross Paul) erfahren wir, dass Kevin zuvor beim Schlafwandeln die Treppe heruntergefallen und mit dem Kopf aufgeschlagen ist. Es sei ihm jedoch nichts passiert, beim Besuch im Krankenhaus gaben die Ärzte Entwarnung. Einige Zeit später erwachen die Kinder aus ihrer Nachtruhe. Im Haus ist es dunkel und unheimlich. Ihr Vater scheint das Haus verlassen zu haben und auch die Mutter (Jaime Hill) ist nicht zugegen.

Da die Kinder nicht einschlafen können, gehen sie nach unten ins Wohnzimmer und legen ein Videoband mit Trickfilmen ein, um die Wartezeit auf ihre Eltern zu verkürzen. Doch dann geschehen plötzlich unerklärliche Dinge. Fenster und Türen, ja sogar die Toilette (!), verschwinden spurlos. Auch das Spielzeug der Kinder entwickelt ein Eigenleben und unheimliche Stimmen flüstern ihnen aus dem Dunkel des Hauses zu. Die Kinder beginnen sich verständlicherweise zu fürchten und hoffen auf eine baldige Rückkehr ihrer Eltern. Die erscheinen zwar später wieder im Haus, verhalten sich aber ebenfalls merkwürdig und gruselig und verschwinden auch wieder spurlos. Eine schier endlose Nacht nimmt ihren Lauf.

Schier endlos ist übrigens ein gutes Stichwort, denn Skinamarink ist vor allem eines: zu lang – und das bei gerade einmal 100 Minuten Laufzeit. Das soll nicht heißen, dass der gehypte Schocker nicht funktionieren würde. Tatsächlich erzeugt Regisseur Kyle Edward Ball mit dem in seinem Elternhaus in nur einer Woche während der Coronapandemie gedrehten Streifen eine unfassbar beklemmende Atmosphäre. Der nur mit natürlichen Lichtquellen gedrehte Film hat nicht nur deshalb einen ganz eigenen Look – er wirkt wie ein nicht enden wollender Albtraum eines Kindes. In krisseligen, teils unscharfen Bildern werden wir Zeuge der Szenerie. Dabei bekommen wir die agierenden Personen niemals wirklich zu Gesicht. Von den Kindern sehen wir mal die Füße, manchmal einen Rücken und hin und wieder nimmt die Kamera die Sichtweise der Kinder an.

Eine Figurenzeichnung findet nicht statt. Wir hören, teilweise mit dumpfem Ton der oft untertitelt werden musste, wenn die Kinder miteinander reden. Dabei finden aber keine echten Dialoge statt, es sind eher kleine Satzbrocken, die atmosphärisch in die Szenerie hereingeworfen werden. Dies passt wunderbar zu den eigenwilligen Kameraeinstellungen, die meist statischer Natur sind und ungewöhnliche Bilder, die meist nur angeschnitten sind, einfangen. Noch nie zuvor wurden überstrahlte, flimmernde Trickfilmaufnahmen eines Röhrenfernsehers so unheimlich in einen Film eingebaut. Das Böse erscheint immer nur als flüsternde Stimme aus dem Dunkel, als Spielzeug, dass wie von Geisterhand plötzlich an der Decke klebt oder sich anderweitig selbständig macht und wenn Mami plötzlich auf ihrem Bett sitzt und ihrem Kind (und somit auch uns) den Rücken zugewandt kryptische Sätze von sich gibt, dann läuft einem schon ein Schauer über den Rücken.

Viel mehr passiert allerdings nicht. Kyle Edward Ball spielt mit kindlichen Urängsten, wie dem Verlassen werden und der Dunkelheit an sich, die wir alle damals vermutlich mal erlebt haben. Wer sich in diese Welt hereinversetzen kann, der wird gänsehauterzeugende 100 Minuten erleben. Wieder andere werden sich zu Tode langweilen, da der experimentelle Film sämtliche Sehgewohnheiten über den Haufen wirft und bis auf das Einstreuen einer Handvoll Jumpscares (zu zugegebenermaßen unerwarteten Momenten) eigentlich nichts, aber auch wirklich gar nichts, passiert. Ich gehöre zur dritten Zuschauerfraktion, die zwar erkennt, was hier geboten wird, dem Ganzen auf Dauer aber auch überdrüssig wird. Für etwa 20 bis 30 Minuten konnte ich mich wunderbar auf diese Achterbahnfahrt einlassen, dann fing ich an, nervös auf der Couch hin und her zu rutschen und quälte mich weiter bis zum Schluss, der unvermittelt und ohne erkennbare Höhepunkte eintritt.

Wer sich unsicher ist, ob Skinamarink den eigenen Geschmack trifft, der sollte sich vorab einmal den 2020 gedrehten Kurzfilm Heck von Regisseur Kyle Edward Ball anschauen, den dieser auf seinem YouTube-Kanal hochgeladen hat und den ich unter dem Trailer verlinkt habe. Mein Tipp: Sowohl Heck als auch bei Skinamarink solltet Ihr keinesfalls tagsüber schauen, sondern zu später Stunde und ohne Licht im Raum – wenn möglich, auch allein, denn nur dann kann sich der Horror voll entfalten.

Capelight Pictures und Plaion Pictures teilen sich mal wieder den Vertrieb des Films, wobei Plaion Pictures im Heimkinobereich das Amazon-exklusive Mediabook übernommen hat und Capelight Pictures die restlichen, physischen Medien. Mir lag das Mediabook aus dem Hause Capelight Pictures vor (welches inhaltlich aber relativ identisch sein dürfte). Bild- und Tonqualität sind natürlich schwer zu beurteilen, da diese absichtlich schlecht daherkommen. Mit an Bord sind ein Audiokommentar, der Kinotrailer und ein Booklet, in dem ein interessantes Interview von Marco Heiter mit dem Regisseur abgedruckt wurde.

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