Nachdem Hollywoodstar und Oscarpreisträger Ben Affleck mit dem von ihm inszenierten AIR – DER GROßE WURF (2023) reihenweise Lob einheimste, folgte mit seinem nächsten Film eine herbe Bruchlandung. Der Thriller HYPNOTIC (2023) fiel bei Kritikern wie Publikum gnadenlos durch und konnte bei Produktionskosten von 65 Millionen US-Dollar gerade einmal 13 Millionen wieder einspielen. Und das, obwohl die Prämisse eigentlich gar nicht mal so uninteressant ist und sich mit Robert Rodriguez der Regisseur solcher Genre-Kultfilme wie FROM DUSK TILL DAWN (1996) und SIN CITY (2005) für die Inszenierung verantwortlich zeichnet. Eurovideo veröffentlicht den wendungsreichen Streifen demnächst im Heimkino und wir verraten euch, ob es sich hier wirklich um eine filmische Gurke handelt oder ob Rodriguez doch ein brauchbares Werk geschaffen hat.

Originaltitel: Hypnotic

Drehbuch: Robert Rodriguez, Max Borenstein

Regie: Robert Rodriguez

Darsteller: Ben Affleck, Alice Braga, JD Pardo, William Fichtner, Dayo Okeniyi, Zane Holtz, Jeff Fahey…

Artikel von Christopher Feldmann

In 1990er Jahren war Robert Rodriguez eines der Wunderkinder des Independentkinos. Nachdem er mit nur 7000 US-Dollar, ein paar Freunden und spartanischer Ausstattung den Actionthriller EL MARIACHI (1993) drehen konnte, folgte mit dem höher budgetierten und mit Antonio Banderas prominenter besetzten Quasi-Remake/Sequel DESPERADO (1995) der Startschuss einer ergiebigen Hollywood-Karriere, auch wenn es dem in Texas geborenen Tausendsassa sicher geholfen hat, von Anfang an eine freundschaftliche Beziehung zu Quentin Tarantino zu pflegen, mit dem Rodriguez schließlich in Zusammenarbeit das kultige Vampirroadmovie FROM DUSK TILL DAWN (1996) auf die Leinwand brachte. Es folgten R-Rated-Filme wie der Sci-Fi-Horror THE FACULTY (1998), die Comicadaption SIN CITY (2005), das Splatterfest PLANET TERROR (2007) und der Mexploitation-Actioner MACHETE (2010) aber auch kindgerechte Kost wie die SPY-KIDS-Reihe und WE CAN BE HEROES (2020).

In den vergangenen Jahren machte Rodriguez in Sachen lediglich mit dem von James Cameron produzierten ALITA: BATTLE ANGEL (2019) auf sich aufmerksam, ansonsten widmete er sich vorzugsweise Fernsehprojekten wie seinem eigenen Network EL REY und Kinderkram für Netflix, ist bei dem Streamingdienst doch seit kurzem der mittlerweile fünfte SPY-KIDS-Ableger verfügbar. Entsprechend erwartungsvoll waren Fans, als bekannt wurde, dass sich der Filmemacher mit einer Kinoproduktion für ein erwachsenes Publikum zurückmeldet. Der Schuss ging allerdings nach hinten los, HYPNOTIC (2023) soff nicht nur gnadenlos an den Kinokassen ab, sondern bekam zudem vernichtende Kritiken. Dieser Misserfolg ist allerdings auch irgendwo gerechtfertigt, denn auch mit viel Wohlwollen gegenüber Rodriguez, ist der Thriller ein langweiliger, quatschiger und vor allem ziemlich ereignisloser Versuch des Regisseurs, auch mal so etwas wie Christopher Nolan zu machen. Tatsächlich fühlt sich der Verschwörungskrimi um Superhypnotiseure wie eine Direct-to-Video-Version von INTERSTELLAR (2010) an.

Handlung:

Nur ein kurzer Augenblick der Unachtsamkeit verändert sein Leben für immer. Seit der Entführung seiner Tochter versinkt Detective Danny Rourke (Ben Affleck) in Trauer und Verzweiflung. Halt findet er nur in seinem Job als Polizist. Als er bei seinen Ermittlungen zu mehreren Banküberfällen plötzlich eine Spur zu seiner vermissten Tochter erkennt, schöpft er wieder Hoffnung. Zusammen mit der geheimnisvollen Diana Cruz (Alice Braga) macht er sich auf die Suche nach dem vermeintlichen Bankräuber (William Fichtner), der sein Umfeld auf mysteriöse Weise kontrollieren kann. Schon bald wird Rourkes Realität, wie er sie kannte, komplett auf den Kopf gestellt und er muss alles und jeden in seiner Welt in Frage stellen..

Seit 2002 trägt Rodriguez nun das Drehbuch zu HYPNOTIC mit sich herum und wurde in Interviews nicht müde zu betonen, wie sehr ihm die Geschichte all die Jahre am Herzen lag und er sich nun freue, sie einem Publikum präsentieren zu können. Dass das Ganze fast stolze 20 Jahre auf dem Buckel hat, merkt man dem abgeschmackten Skript leider zu jeder Sekunde an, fühlt sich Rodriguez‘ Geschichte doch zu jeder Zeit wie ein Rip-Off bekannter Kinoerfolge an, die allerdings auch schon einige Jährchen her sind. Ein grobe Kelle INCEPTION (2010), eine gehörige Portion SHUTTER ISLAND (2010), ein Prise MATRIX (1999) und eine Spur sämtlicher vor Twists strotzenden Thriller der frühen 2000er Jahre, fertig ist das Mash-Up geläufiger Versatzstücke, die man schon viel zu oft besser gesehen hat.

Auch wenn die Prämisse um eine Geheimorganisation von übermenschlich begabten Hypnotiseuren, die mit einem Blinzeln ihr gesamtes Umfeld kontrollieren können, durchaus ihren Reiz hat, schafft es Rodriguez zu keinem Zeitpunkt sie rasant oder gar spannend auszuformulieren. HYPNOTIC verliert sich in endloses Gelaber, denn anstatt auf visuelles Storytelling zu setzen und den Zuschauer aktiv am Geschehen zu beteiligen, in dem er selbst seine Theorien über des Rätsels Lösung spinnen kann, erklärt der Film alle fünf Minuten in aller Ausführlichkeit, was hier gerade Phase ist. Generell lässt sich die Story nie so ganz greifen, wirkt sie doch auf der einen Seite viel zu kompliziert verschachtelt und auf der anderen Seite wieder erschreckend doof. Wendungen kommen aus dem Nichts, ergeben rückblickend nicht mal Sinn und sorgen stellenweise für große Fragezeichen, die der Film nicht beantwortet. Natürlich versucht man hier, das Publikum mit großen Twists zu überraschen, diese sorgen angesichts ihrer Absurdität stellenweise eher für verhaltendes Schmunzeln als für große Augen. Exemplarisch dafür ist vermutlich die Enthüllung, die alles vorhergegangene in einem neuen Licht erscheinen lässt. Das ist so unfassbar absurd, dass es einem die Schuhe auszieht und man sich ernsthaft fragt, ob man es hier mit einer Parodie zu tun hat. Auch die steifen und aufgesetzt wirkenden Dialogen, die die Figuren hier vom Stapel lassen tun dabei ihr übriges. Afflecks Figur beispielsweise spricht fast ausschließlich in Sätzen, die klingen als hätte man eine KI auf denn Rollentyp „depressiver und von Trauer zerfressener Cop“ programmiert.

Dass Rodriguez Zeit seines Lebens nie der größte Geschichtenerzähler war, fällt dabei gar nicht so ins Gewicht. Er hatte zumindest immer das Talent rasante, verspielte und daraus resultierend sehr charmante Genrefilme zu drehen, die vielleicht nie besonders raffiniert aber immerhin rasant und spaßig waren und darüber hinaus immer hochwertiger aussahen, als es die Budgets eigentlich hergaben.

Dieses Talent scheint irgendwo in seiner Karriere verloren gegangen zu sein, HYPNOTIC ist nämlich nicht nur furchtbar öde, sondern sieht auch noch gnadenlos billig aus. In jeder Szene klatscht Rodriguez den Sepia-Filter aufs Bild, bis auf zwei mickrige Schießereien gibt es eigentlich keine Action und manche Szenen machen den Anschein, als hätte jemand einfach Behind-the-Scenes-Material, das man auf dem Hinterhof von Rodriguez‘ Troublemaker Studios gedreht hat, in den Film geschnitten und das als Twist verkauft. Alles wirkt hüftsteif und irgendwie lieblos runtergekurbelt, was im harten Kontrast zu den Interviews steht, in denen der Regisseur mit viel Enthusiasmus über das Projekt spricht. Dazu gesellen sich die mauen CGI-Effekte, mit denen man auf fast schon dreiste Art und Weise versucht, Nolans Money-Shots aus INCEPTION (2010) nachzubauen.

Der einzige am Set, der sich den Titel zu Herzen genommen haben muss, war vermutlich Ben Affleck. Der immerhin mit zwei Oscars ausgezeichnete Schauspieler, Regisseur, Drehbuchautor und Produzent wirkt hier wie hypnotisiert und schlafwandelt augenscheinlich durch seine Szenen. Seine Rolle als traumatisierter Polizist spielt der Mime konsequent mit nur einem Geschichtsausdruck, es dürfte vermutlich die schlechteste Performance des gesamten Jahres sein, so teilnahmslos und völlig neben sich stehend nudelt der BATMAN-Darsteller hier seine Zeilen ab. Wahrscheinlich war er Rodriguez noch irgendeinen Gefallen schuldig, anders lässt sich das schauspielerische Debakel nicht erklären. Ein Frevel ist es zudem, dass die eigentlich sehenswerte Alice Braga hier vollkommen verheizt wird und nur den Erklärbär geben darf. Tatsächlich scheint es ihre einzige Aufgabe zu sein, Affleck, als auch dem Publikum sämtliche Zusammenhänge auszuformulieren. Der beste Special-Effect ist indes William Fichtner, der allein dadurch beeindruckt, dass er still in der Ecke steht. Mit so einem markanten Gesicht und grundlegendem Charisma kann man eigentlich nicht verkacken, auch wenn das Drehbuch ihn viel zu wenig nutzt und seine Antagonistenrolle nie richtig ausgespielt wird.

Eurovideo veröffentlicht den Film diesen Monat digital und zwei Wochen später als 4K-Scheibe, Blu-ray und DVD. Der Blauling lag uns zur Sichtung vor und überzeugt zumindest auf technischer Ebene. Das Bild ist glasklar und besitzt eine detailreiche Schärfe, der Ton kommt in Dolby-Atmos daher. Im Bonusmaterial finden sich eine Featurette und Interviews, sowie der Trailer.

Fazit:

Mit HYPNOTIC (2023) legt Robert Rodriguez eine künstlerische Bruchlandung hin. Nicht nur, dass der Mysterythriller Ideen und Drehbuchbausteine zusammengeklaubt, die schon vor zehn Jahren durch waren, auch inszenatorisch und schauspielerisch ist der Film eine einzige Enttäuschung. Tatsächlich könnte man meinen, es handele sich hierbei um eine Produktion aus den 2000er Jahren, die ca. 15 Jahre im Giftschrank irgendwelcher Produzenten lagerte und die man jetzt nochmal zu Geld machen wollte. Diese Rechnung ging allerdings nicht auf.

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