Das Kinodebüt von Celine Song, einer in New York lebenden Dramatikerin, lief im Wettbewerb der Berlinale 2023 und fand bei den Kritikern großen Anklang. Celine Song, selbst in drei Ländern aufgewachsen, hat mit ihrem Kammerspiel etwas Seltenes geschaffen: einen erwachsenen Film, in dem sich die drei Protagonisten auch wie Erwachsene verhalten. Diese kleine Liebesgeschichte ist frei von dramatischen Szenen, hier geht es nicht um ein Genre, sondern um eindringliche und zarte Betrachtung des Lebens und der Liebe. In-Yun heißt eine koreanische Vorstellung, die das Schicksal von zwischenmenschlichen Begegnungen beschreibt und mehr als nur ein Leben umfasst. Menschen, die sich begegnen, kennen sich schon aus einem anderen Leben her, begegnen sich dort sogar zeitgleich zur Gegenwart und bestimmen so die Verbundenheit im Jetzt. STUDIOCANAL / ARTHAUS brachten den schön inszenierten Film nun im Heimkino heraus.

Regie: Celine Song

Darsteller: Greta Lee, Teo Yoo, John Magaro

Artikel von Kai Kinnert

In ihrer Kindheit in Seoul waren Nora und Hae Sung unzertrennliche Freunde. Bis Noras Familie nach Toronto auswandert und sich die beiden Zwölfjährigen aus den Augen verlieren. 20 Jahre später beschließt Hae Sung (Teo Yoo) seine Jugendfreundin für ein paar Tage in New York zu besuchen. Nora (Greta Lee) lebt dort als angehende Autorin und ist bereits seit sieben Jahren glücklich mit Arthur (John Magaro) verheiratet. Das Wiedersehen von Nora und Hae Sung konfrontiert die beiden mit ihrer tiefen Verbundenheit, unausweichlichen Fragen nach Liebe, Schicksal und den Entscheidungen, die ein Leben ausmachen.

In der ersten Einstellung des Films erzählt sich schon die ganze Geschichte. Die drei Protagonisten sitzen zusammen in einer New Yorker Bar am Tresen und unterhalten sich. Eigentlich unterhalten sich nur Nora und Hae Sung auf Koreanisch miteinander, der Ehemann Noras, kein Koreaner, sitzt stumm bei und schaut in sein Glas. Gestik, Blicke und wie die drei zueinander sitzen beschreibt das Verhältnis zueinander. Ein leichter Zoom zieht dabei auf Nora. Es ist die einzige Stelle im Film, in dem zwei Stimmen aus dem Off darüber rätseln, wer die drei wohl sind. Wer ist mit wem zusammen? Oder sind es nur Kollegen? Am Ende des Zooms wird Nora direkt in die Kamera schauen. Es ist eine fantastische Einstellung, schlicht und elegant zugleich, der Film wurde analog gedreht und besitzt eine wunderschöne Farbgebung und Echtheit in den Aufnahmen. Dann ein Schnitt und die Geschichte springt 24 Jahre zurück. Später werden wir die Einstellung in der Bar erneut erleben, nun allerdings ohne Zoom und ohne Off-Stimmen. Wir erleben, wie sich Nora und Hae Yung im Abstand von 12 Jahren erneut begegnen und was aus ihrem Leben wurde.

Nora und Hae Sung waren eine Sandkastenliebe. Die berühmte Sandkastenliebe. Einige werden es sicher aus dem eigenen Leben kennen, diese Begegnung in der Kindheit. Die Verbundenheit mit jemandem, mit dem man kindlich zusammen war, spielen und erleben konnte und so vielleicht den ersten Anflug von Liebe verspürte. Man träumte und traute sich nicht, man hoffte und dann trug das Leben die Liebe davon. Man verlor sich aus den Augen. Irgendwann vielleicht startet man einen Versuch der Suche und forscht nach, was aus dem Menschen wurde, von dem man damals so angetan war. Plötzlich das Wiedersehen! Viele Jahre sind vergangen, das Leben hat einen verändert und die Karten sind neu gemischt. Gibt es noch die damalige Verbundenheit?

Celine Song erzählt aus ihrem eigenen Leben und zaubert so eine authentische und völlig unpolitische Geschichte auf die Leinwand, die von der Suche nach einem Platz im Leben handelt. Wo ist man zuhause, wohin geht der Weg? Song erzählt in Past Lives zwei Liebesgeschichten. Eine über die lange Verbundenheit zwischen Nora und Hae Sung, und eine weitere zwischen Nora und ihrem Ehemann Arthur. Song nimmt beide Geschichten ernst und verhindert melodramatische Dialoge und überwältigende Entscheidungen, in dem sie fein reduziert und so der Geschichte einen leisen Raum gibt. Arthur spürt, dass er Nora an Hae Sung verlieren könnte, respektiert aber ihren Wunsch, sich mit Hae Sung zu treffen. Später wird Arthur bei den Begegnungen dabei sein und trotzdem ausgeschlossen bleiben, denn Nora und Hae Sung unterhalten sich stets auf Koreanisch. So landen sie dann in der Bar, die den Film eröffnete. Die Dialoge sind präzise und authentisch, es wird einiges auf Koreanisch gesprochen, die Inszenierung ist kunstvoll und minimalistisch, ohne dabei aufdringlich künstlerisch zu wirken. Der Zuschauer wird anhand von Arthur in die berührende Reise seiner Frau mitgenommen, die nun sondieren muss, was von der Sandkistenliebe überblieb.

Past Lives – In einem anderen Leben ist ein ruhiger, ehrlicher und sehr erwachsener Film über das Leben und die Liebe, fantastisch gefilmt und glaubwürdig gespielt. Ein feines Kammerspiel, das zurecht seine Kritiker auf der Berlinale begeistern konnte. Wer kleine Meditationen über das Leben mag, wird hier bestens bedient werden.

Das Bild der gesichteten DVD ist sehr gut, sauber und klar, der Ton ist gut. Als Extras gibt es ein Making Of, Entfallene Szenen, einen Audiokommentar von Celine Song, Greta Lee und Teo Yoo, sowie einen Kinotrailer.

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