Auch wenn die Erstveröffentlichung von Bram Stokers Roman DRACULA schon knapp 130 Jahre zurückliegt, beeinflusst die Schauermär nach wie vor unsere Popkultur. Im vergangenen Jahr erschienen gleich zwei Filme, in denen der Vampirfürst sein Unwesen trieb. Während die blutige Actioncomedy RENFIELD (2023) einen gänzlich anderen Ansatz wählte und den Fokus auf den Gehilfen des Blutsaugers legte, bewegte sich DIE LETZTE FAHRT DER DEMETER (2023) in deutlich klassischeren Bahnen, auch wenn sich Regisseur André Øvredal für seinen Hochseehorror einem Kapitel des Romans annahm, das bisher eher stiefmütterlich behandelt wurde. Geholfen hat es wenig, denn wie auch RENFIELD war dem atmosphärischen Schocker kein großer Erfolg an den Kinokassen beschienen. Nun veröffentlicht ihn Universal Pictures Home Entertainment im Heimkino und ob es sich dabei um eine sehenswerte Dracula-Interpretation handelt, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: The Last Voyage of the Demeter

Drehbuch: Bragi F. Schut, Zak Olkewicz; basierend auf dem „Logbuch der Demeter“ aus dem Roman „Dracula“ von Bram Stoker

Regie: André Øvredal

Darsteller: Corey Hawkins, Liam Cunningham, Aisling Franciosi, David Dastmalchian, Chris Walley, Jon Jon Briones, Javier Botet…

Artikel von Christopher Feldmann

Bram Stokers DRACULA (1897) dürfte wohl einer, wenn nicht DER meistadaptierte Roman aller Zeiten sein. Spätestens seit NOSFERATU – SYMPHONIE DES GRAUENS (1922) von Friedrich Wilhelm Murnau hat der Vampirfürst Hochkonjunktur, vor allem im Kino. Zahlreiche Filmemacher versuchten sich an einer jeweiligen zeitgenössischen Adaption der Geschichte und eine ganze Wagenladung an Darstellern an einer eigenen Interpretation der Titelfigur, von denen Christopher Lee wohl die bekannteste und populärste ablieferte. Dem Ganzen anno 2023 noch einen neuen Dreh zu verpassen und sich dabei auch an die Vorlage zu halten, ist vermutlich gar nicht mehr möglich. Und trotzdem findet DIE LETZTE FAHRT DER DEMETER (2023) einen einigermaßen frischen Ansatz, indem der Film nicht nochmal die altbekannte Story wiederkäut, sondern sich einem Kapitel widmet, das in bisherigen Verfilmungen höchstens nur angerissen wurde, nämlich der Überfahrt von Transsilvanien nach England via Handelsschiff, die Stoker einst in Form eines Logbuchs in seinem Roman schilderte. Auf dieser Überfahrt dezimiert „Dracula“ nach und nach die Crew, bis nur noch ein besatzungsloses Wrack am Ziel ankommt. Regisseur André Øvredal erzählt diese Überfahrt nun als 100-minütigen Stand-Alone-Film, was gut gemeint aber trotz einiger nicht zu unterschlagenden Qualitäten nur so mittelgut gelungen ist.

Handlung:

Bei dem Transport einer ungewöhnlichen Fracht von den Karpaten nach London wird die Besatzung des Handelsschiffes Demeter von einer so mysteriösen wie grauenvollen Präsenz an Bord heimgesucht. Schon kurz nach Beginn der gefährlichen Reise ereilen überaus ungewöhnliche Ereignisse die Besatzung der Demeter. Die Tiere an Bord werden grausam dahingerafft und kurz darauf verschwinden erste Crewmitglieder scheinbar spurlos. Als der Schoner schließlich die Küste Englands erreicht, ist er nur noch ein marodes und siechendes Wrack. Von der Mannschaft fehlt jede Spur!

Die einzige. zumindest mir bekannte, ausführlichere Adaption des Kapitels beinhaltet die BBC/NETFLIX-Produktion DRACULA (2020) von Mark Gattis und Steven Moffat. Diese wurde als dreiteilige Miniserie konzipiert, deren zweite Episode ebenfalls die Fahrt der Demeter behandelt. Diese kam auch mit knapp 90 Minuten Lauflänge daher, fügte sich aber gut in das Gesamtkonzept ein und hatte wortwörtlich episodenübergreifende Figuren an Bord, die den Zuschauer bei der Stange hielten. DIE LETZTE FAHRT DER DEMETER muss nun mit lediglich diesem besagten Auszug des Romans klarkommen und strauchelt dabei sehr, denn so wirklich mitfiebern werden hier nur interessierte Zuschauer, die noch nie eine DRACULA-Adaption gesehen haben. Und selbst diese werden ein wenig um die Überraschungseffekt betrogen, legt der Film doch schon zu Beginn die Karten auf den Tisch.

Mit einem Film wie diesem verhält es sich ähnlich wie mit Prequels zu bekannten Stoffen, denn man weiß natürlich wie die Geschichte ausgeht, beziehungsweise ausgehen muss. Dass am Ende von DIE LETZTE FAHRT DER DEMETER niemand über den Obervampir triumphieren wird und dieser in England einfällt, liegt auf der Hand. Dass nimmt dem Ganzen von Natur aus schon eine gewisse Spannung, die die Macher auch durch andere Drehbuchkniffe nicht mehr erzeugen können. Im Grunde bekommt man hier eine Art ALIEN (1979), nur eben nicht auf einem Raumfrachter, sondern auf einem Segelschiff und statt eines Xenomorphs treibt nun der Fürst der Finsternis persönlich sein Unwesen, der einen nach dem anderen als eine Art Reiseproviant vernascht. Optisch verzichtet man dabei auf den blutsaugenden aber charmanten Aristokraten und inszeniert „Dracula“ stattdessen als gefräßiges Monster, der eher dem Antlitz von Max Schreck ähnlich ist als dem von Christopher Lee. Wer mit dem Stummfilmklassiker nichts anfangen kann, dem sei der „Creeper“ aus JEEPERS CREEPERS (2001) als Orientierung gegeben. Auf Basis dieser Grundidee handelt die Geschichte also von dem besagten Monster, das Nachts die Crew der „Demeter“ heimsucht, das war es dann auch schon, denn bis auf die durchaus atmosphärischen Attacken des Grafen gestaltet sich der Film relativ behäbig, was vor allem der simplen und redundanten Dramaturgie geschuldet ist.

Wenn „Dracula“ mal nicht aus der Kiste kommt, um sein Hüngerchen zu stillen, sehen wir zuerst beunruhigte, später verängstigte, Sehmänner, die beraten, wie nun mit der Situation umgegangen werden soll und darüber spekulieren, was es mit dem Spuk auf sich hat. Das sind dann die langweiligsten Passagen der Handlung, vor allem weil die Crew sich stellenweise schon etwas dämlich verhält, kommt sie doch erst relativ spät darauf, mal die sich an Bord befindenden Kist aufzumachen und wenn sie es tun, ist es immer mitten in der Nacht. Hier wird schon arg die Suspension of disbelief strapaziert, um das Konstrukt am Laufen zu halten. Ein weiterer Kritikpunkt sind auch die Figuren, die nie so dreidimensional geschrieben sind, als das man sich für ihr Schicksal wirklich interessieren würde. Das hat der bereits erwähnte ALIEN diesem Film meilenweit voraus, denn dort fieberte man mit den Charakteren mit. Das liegt nicht an den Darstellern, die allesamt gut besetzt wurden und einen ausgezeichneten Job machen, sondern am Drehbuch, das ihnen nie das nötige Fleisch gibt.

Was das Ganzen am Ende doch noch rettet, ist sicherlich die Regie und das Produktionsvolumen. Da Regisseur André Øvredal auf einen zugkräftigen Star verzichtete (vielleicht einer der Gründe, warum der Film an den Kinokassen baden ging), floss das Budget augenscheinlich in die Sets und die Effekte. DIE LETZTE FAHRT DER DEMETER sieht hervorragend aus und begeistert mit seinen detailverliebten und authentischen Kulissen. Allein an dem Schiff, das ja zu 95% der Handlung der Ort des Geschehens ist, kann man sich kaum satt sehen. Hier wurden Bauten angefertigt, die stets haptisch und authentisch wirken, eine willkommene Abwechslung zu den Sound-Stages und Greenscreens der großen Tentpole-Produktionen. Auch die Effekte sind bis auf wenige Ausnahmen handgemacht und kommen durch die gute, düstere Inszenierung gut zur Geltung. Øvredal legt hier wirklich feinstes Handwerk aufs Parkett und es ist schade, dass das vorhersehbare Treiben an und unter Deck nicht besser und spannender geworden ist. Auch wenn sich die Macher ein Hintertürchen offenlassen und die Geschichte nicht auf einer ganz so fiesen Note enden lassen, als Zuschauer wird man nicht wirklich befriedigt in den Abspann entlassen.

Universal Pictures Home Entertainment veröffentlicht den Horrorfilm als Blu-ray und DVD, sowie digital. Der Blauling bietet beste Bild- und Tonqualität, als Extras gibt es u.a. einen Audiokommentar, einen alternativen Anfang, Deleted Scenes und diverse Featurettes.

Fazit:

DIE LETZTE FAHRT DER DEMETER (2023) widmet sich einem einzelnen Kapitel aus Bram Stokers DRACULA (1897) und walzt dieses auf rund hundert Minuten Laufzeit aus. Aufgrund der schablonenhaften Charaktere, der redundanten Dramaturgie und dem alles andere als überraschenden Ende, bleibt die neueste DRACULA-Interpretation lediglich ein netter Versuch, der durch seine optischen Qualitäten aufgewertet wird. Horrorfans können einen Blick riskieren, sollten aber nicht zu viel erwarten.

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