Die wildesten Geschichten schreibt das Leben selbst. Das weiß momentan wahrscheinlich niemand besser als Regisseur Craig Gillespie, der sich nach seinem irrwitzigen True-Crime-Eiskunstläufer-Biopic I, TONYA (2017) und der als Mine-Serie konzipierten Aufarbeitung eines Sextape-Skandals, PAM & TOMMY (2022), nun einem spektakulären Börsen-Phänomen aus dem Jahr 2021 angenommen und dafür zahlreiche hochkarätige Darsteller vor die Kamera gelockt hat. Ein großer Erfolg war DUMB MONEY – SCHNELLES GELD (2023) jedoch nicht vergönnt, nun erscheint der Film hierzulande via Leonine im Heimkino. Ob es sich hierbei um einen mitreißenden Trip in die Finanzwelt wie in THE BIG SHORT (2015) oder doch nur um langweiligen Business-Talk handelt, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Dumb Money

Drehbuch: Lauren Shuker Blum, Rebecca Angelo; basierend auf dem Buch The Antisocial Network von Ben Mezrich

Regie: Craig Gillespie

Darsteller: Paul Dano, America Ferrera, Myha’la, Seth Rogen, Nick Offerman, Shailene Woodley, Sebastian Stan, Pete Davidson, Vincent D’Onofrio, Anthony Ramos…

Artikel von Christopher Feldmann

Im Jahr 2021, als die Corona-Pandemie die Welt noch fest im Griff hatte, ereignete sich in den USA etwas, was die Finanzwelt in Aufruhr versetzte. Die strauchelnde Videospiel-Einzelhandelskette GameStop wurde Gegenstand einer beispiellosen Wertsteigerung auf dem Aktienmarkt. Aufgrund der Tatsache, dass viele Gamer mittlerweile nicht mehr physisch, sondern fast ausschließlich digital kaufen, rutschte der Aktienkurs der Kette in den Keller, mehrere Hedgefonds setzten mit Leerverkäufen großzügig auf den Fall der Aktie, bis sich eine Gruppe von Reddit-Usern, die hauptsächlich aus Kleinanlegern bestand, für den Kauf entschlossen und somit den Kurs in die Höhe trieben, was den Hedgefonds-Managern Milliardenverluste einbrachte. Galionsfigur dieser Bewegung ist ein Hobby-YouTuber, der unter dem Namen „Roaring Kitty“ unterwegs war und mit Fachwissen und Sympathie viele Follower zum Kauf animieren konnte. Es folgte ein vielfach kritisierter Handelstopp seitens des Brokers Robinhood, sowie juristische Folgen. Der perfekte Stoff, um daraus eine unterhaltsame „David vs. Goliath“-Story für das Kino zu schneidern, die obendrein noch etwas Einblick in die Welt des Aktienhandels gewährt. Allerdings lässt DUMB MONEY ein wenig Gillespies Händchen für schrullige Figuren, guten Witz und eine temporeiche Erzählweise vermissen.

Handlung:

YouTuber Keith Gill (Paul Dano) ist Finanzanalyst und eigentlich ein ganz normaler Typ. In einer für sich selbst erstellten Analyse untersucht er die Aktie von GameStop und steckt im Januar 2021 all seine Ersparnisse in diese Aktie, während er über Social Media die Außenwelt daran teilhaben lässt. Seine Beiträge gehen viral und die Werte der Kleinanleger plötzlich durch die Decke. Die Hedgefonds-Manager dagegen machen täglich irrsinnige Verluste und versuchen den Siegeszug der Finanz-Amateure zu beenden.

Bevor sich jemand wundert, natürlich habe ich den Verlauf der realen Ereignisse nochmal im entsprechenden Wikipedia-Artikel nachgelesen und Wörter wie „Hedgefond“, „Leerverkäufe“ oder „Kurssteigerung“ mal eben übernommen. Vom Wertpapierhandel verstehe ich ebenso wenig wie von Kernphysik, also nichts und mit Sicherheit bin ich mit dieser fehlenden Expertise nicht in der Minderheit. So etwas müssen Filmemacher immer einkalkulieren, wenn sie Geschichten erzählen, die in einer komplexen Branche wie der Finanzwelt angesiedelt sind. Als Adam McKay mit THE BIG SHORT (2015) die Finanzkrise von 2007/2008 behandelte, legte er genug Tempo, Witz und erzählerische Finesse an Tag, um auch dem unkundigen Zuschauer nicht zu vergraulen, ebenso mischte Martin Scorsese seiner Geschichte über Börsen-Hochstapler „Jordan Belford“ in THE WOLF OF WALL STREEET (2013) genug Wahnsinn und Exzess bei, damit auch der letzte Kinogänger nach drei Stunden beschwingt den Kinosaal verlassen konnte. Es ist eben schwer ein komplexes Thema in einen kommerziellen Film zu packen, immerhin will das Publikum unterhalten und nicht gelangweilt werden.

Gillespie und seine Drehbuchautorinnen machen es sich im Fall von DUMB MONEY allerdings etwas zu einfach. Dass bei einem Sujet wie diesem etwas Fingerspitzengefühl erfordert, um den Zuschauer bei der Stange zu halten, umgeht das Skript, in dem es den Sachverhalt sehr vereinfacht. Tatsächlich fokussiert sich die Filmhandlung fast ausschließlich auf die „David vs. Goliath“-Geschichte, die die geringverdienenden Kleinanleger auf der einen und die schwerreichen Hedgefonds-Manager auf der anderen Seite zeigt. Die notwendige Exposition übernimmt die Hauptfigur „Keith“, die allerdings die Thematik gerade so weit anreißt, dass man dem Geschehen zumindest im Ansatz folgen kann. Ansonsten rückt der Film immer wieder die Nebencharaktere ins Bild, etwa die alleinerziehende Krankenschwester, die sich keine Zahnspange für ihren Sohn leisten kann, die Studentin, die unter den anfallenden Gebühren erstickt oder den unterbezahlten GameStop-Mitarbeiter, der an einem bescheuerten TikTok-Wettbewerb teilnehmen muss, um zumindest eine Chance auf Gehaltsboni zu bekommen. Allerdings werden diese Schicksale nie sonderlich vertieft, stattdessen verkommen diese Charaktere im Verlauf der Handlung zu Stichwortgebern. Auch Keiths Bruder „Kevin“ trägt nicht mehr als auf witzig getrimmte Sprüche zum Geschehen bei, die Hedgefonds-Manager bleiben ebenso blass, auch wenn Potenzial erkennbar ist. DUMB MONEY kann sich nicht entscheiden, wer nun Zentrum des Ganzen sein soll und versucht deshalb Alles abzudecken und dafür sind die gerade einmal hundert Minuten Laufzeit zu wenig.

Auch kritische Töne versucht man gekonnt zu umschiffen, den Seitenhieben auf die schwerreichen Bonzen, die ohnehin meistens ungeschoren davonkommen hat DUMB MONEY ebenso wenig hinzuzufügen wie der Frage, ob Finanzspekulation vielleicht doch nicht so gut ist wie es sich anfangs klingen mag. Am Ende könnte man sogar ableiten, dass eben noch nicht genug „kleine“ Leute im Game mitmischen, um es den in Protzvillen residierenden Spekulanten mal richtig zu zeigen. Börsenspekulation kann Existenzen kosten, doch das spart sich der Film aus. So bildet man lediglich eine stark vereinfachte Geschichte ab, in der in trashigen Katzenshirts gekleidete Hobby-Streamer zu Heilsbringern und Vorbildern stilisiert werden. Das ist etwas mager aber zuweilen auch nicht so ununterhaltsam wie man denken mag, denn immerhin hat die Besetzung Bock. Sei es Paul Dano als YouTuber, Sebastian Stan als schmieriger und irgendwann völlig überforderter App-Gründer oder Seth Rogen, Nick Offerman und Vincent D’Onofrio als fast schon entrückte Börsen-Mogule. Es ist schade, dass bis auf Dano alle weit hinter ihren Möglichkeiten zuückbleiben.

Auch Regisseur Craig Gillespie, der sowohl in I, TONYA (2017) als auch in CRUELLA (2021) (der einzigen wirklich sehenswerten Live-Action-Neuinterpretation eines Disney-Klassikers) bewiesen hat, wie man mit Schwung inszeniert, ergibt sich hier vollständig in Dialogen über Aktienkurse, Short-Squeezes oder Pump and Dumbs, ohne das Ganze mit einer zumindest verspielten Inszenierung aufzuwerten. Stattdessen hat man das Gefühl, einen abgefilmten und auf das Wesentliche zusammengekürzten Wikipedia-Artikel zu schauen, in dem weit mehr steckt als nur die Info auf die Schnelle. Tatsächlich lohnt es sich, den englischsprachigen Wikipedia-Artikel oder wahrscheinlich auch das Sachbuch THE ANTISOCIAL NETWORK, welches als Grundlage für das Drehbuch diente, zu lesen, bekommt man über diese Formate mehr Informationen und tiefere Einblicke geboten.

Leonine veröffentlicht nach dem bereits erfolgten Digital-Release nun auch als Blu-ray und DVD im Handel. Bild- und Tonqualität sind wie zu erwarten sehr gut, als Extra gibt’s lediglich den Trailer.

Fazit:

DUMB MONEY – SCHNELLES GELD (2023) erzählt eines der aufsehenerregendsten Finanzphänomene der letzten Jahre. Trotz gutem Material und ordentlicher Besetzung bleibt die Tragikomödie jedoch weit hinter ihren Möglichkeiten zurück und präsentiert eine arg aufs Wesentliche reduzierte „David vs. Goliath“-Geschichte, deren Figuren ebenso stiefmütterlich behandelt werden wie konkrete Aussagen zur Aktienspekulation.

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