Gerade im Hinblick auf das Mainstreamkino verlief das vergangene Jahr eher schwach. Vor allem die großen Studiofilme fuhren Verluste ein, wirkliche Hits lassen sich an einer Hand abzählen. Zu diesen gehört aber zweifellos die romantische Komödie WO DIE LÜGE HINFÄLLT (2023), die einen langen Atem bewies und sich nach einem eher durchwachsenen Startwochenende schlussendlich zum Erfolg mauserte, denn bei Produktionskosten von rund 25 Millionen US-Dollar spielte der Film über 215 Millionen wieder ein. Feiert die „RomCom“ etwa ein Comeback? Davon können sich interessierte Zuschauer nun selbst ein Bild machen, denn Sony Pictures Home Entertainment hat die humorvolle Romanze mit Shooting-Star Sydney Sweeney und Glen Powell im Vertrieb von Plaion Pictures kürzlich im deutschsprachigen Heimkino veröffentlicht. Ob diese auch qualitativ überzeugen kann, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Anyone But You

Drehbuch: Ilana Wolpert, Will Gluck

Regie: Will Gluck

Darsteller: Sydney Sweeney, Glen Powell, Nat Buchanan, Josh Bonello, GaTa, Dermot Mulroney, Mia Artemis…

Artikel von Christopher Feldmann

Die Zeit der klassischen „RomComs“ galt eigentlich als gezählt. Betrachtet man die vergangenen zehn Jahre, findet man kaum Genrevertreter, die nachhaltig im Gedächtnis bleiben konnten. Vorbei schienen die Tage, in denen Filme wie VERRÜCKT NACH MARY (1998), 10 DINGE, DIE ICH AN DIR HASSE (1999), BRIDGET JONES (2001), 50 ERSTE DATES (2004) oder SELBST IST DIE BRAUT (2009) großen Publikumszuspruch erfuhren und an den Kinokassen abräumten. Mittlerweile finden diese Filme vermehrt auf den Streamingdiensten statt, Genre-Veteranen wie Jennifer Aniston, Katherine Heigl oder Drew Barrymore betätigen sich mittlerweile anderweitig und die großen Säle in den Multiplexen sind den großen Effektspektakeln vorenthalten. Dabei sind „RomComs“, obwohl sie unter Filmfans oft geächtet werden, auch was schönes, bieten sie doch oft lockere und herzliche Unterhaltung, was durchaus auch Balsam für die Seele sein kann. In meinen Augen erschien die letzte wirklich gute romantische Komödie mit ALLES EINE FRAGE DER ZEIT (2013). Doch nun scheint sich eine kleine Renaissance anzubahnen. Alte Hasen wie Jennifer Lopez, George Clooney, Sandra Bullock und Julia Roberts wollen es nochmal wissen und auch Meg Ryan kehrt mit WHAT HAPPENS LATTER (2024) aus dem Schönheits-OP-Exil zurück. Doch für ein Comeback des Genres benötigt es frische Gesichter, wie etwa Sydney Sweeney und Glen Powell, die sich beide momentan zu Hollywoodstars mausern. Und auch ihr gemeinsames Projekt WO DIE LÜGE HINFÄLLT (2023) gab dem Genre der romantischen Komödie wieder einen neuen Impuls, erfreute sich der Film doch bei den Zuschauern großer Beliebtheit. Das ist zwar schön, dennoch kann ich den Hype in keiner Weise nachvollziehen.

Handlung:

 Bea (Sydney Sweeney) und Ben (Glen Powell) wirken wie das perfekte Paar. Aber nach einem tollen ersten Date geschieht etwas, das ihre glühend heiße Anziehungskraft zu Eis erstarren lässt. Doch dann treffen sie unerwartet wieder aufeinander, als beide an einer Hochzeit in Australien teilnehmen. Also tun sie, was jeder reife Erwachsene tun würde – sie geben vor, ein Paar zu sein.

Nicht falsch verstehen, ich kann Romantic Comedies durchaus etwas abgewinnen, sofern sie witzig und charmant geschrieben und gespielt sind. Leider trifft dies auf ANYONE BUT YOU, so der Originaltitel, nur bedingt zu. Zumindest muss man dem Film zugestehen, das er zu Beginn versucht, das Grundrezept solcher Geschichten (Zwei Menschen lernen sich kennen, verlieben sich, verkrachen sich, um am Ende doch wieder zusammenzukommen) ein wenig zu unterwandern. Schon in der Eröffnungsszene lernen wir „Bea“ und „Ben“ kennen, die sich in einem Coffee Shop über den Weg laufen, wo es sofort funkt. Nach einer gemeinsamen Nacht kommt es jedoch schnell zum Bruch und für weite Teile des Films begegnen sich beide mit reichlich Antipathie, denn (Überraschung!) sowohl der smarte Aufreißer als auch die quirlige Jurastudentin sind Gäste auf derselben Hochzeit. Natürlich ist das Set-Up nicht preisverdächtig aber zumindest ist man gewillt, das Pferd von hinten aufzuzäumen, zumal es sich hier um eine zugegeben relativ freie Adaption der Shakespeare-Komödie VIEL LÄRM UM NICHTS handelt, was zum Ende hin nochmal deutlich adressiert wird, indem man den Titel im Hintergrund einblendet.

Das größte Problem ist wahrscheinlich die Tatsache, dass die Handlung, sobald beide Charaktere in Australien angekommen sind und quasi gezwungen werden, Zeit miteinander zu verbringen, komplett vorhersehbar bleibt und sich das Drehbuch den gängigen Klischees unterwirft. So weiß man als Zuschauer genau, was als nächstes passieren wird und das Unterwandern der einzelnen Tropen, sowie das Spiel mit den Erwartungen geht vollständig flöten. Das wäre verzeihlich, wenn WO DIE LÜGE HINFÄLLT wenigstens mit witzigen Gags punkten würde, jedoch definieren sich die Kalauer meist durch eher peinliche Situationskomik (Glen Powell wirft aus Panik vor Spinnen seine Klamotten in eine Schlucht und steht nackt in der Fauna herum) und völlig unnatürliche Dialoge („Ach du hast von Deiner Mutter geredet, Du redest doch NIE über Deine Mutter“). Immer wenn „Bea“ in ein Fettnäpfchen tritt, geschieht dies meist aus völlig konstruierten Gründen, weshalb sich eigentlich Alles im Film furchtbar plump anfühlt. Selbst das Plot-Element, dass die Beiden eine Beziehung vortäuschen müssen, um von ihren Familien und Freunden in Ruhe gelassen zu werden (man könnte auch einfach miteinander reden, um den eigenen Standpunkt klarzumachen), kommt relativ spät ins Spiel und gestaltet sich furchtbar unspektakulär.

Auch der Humor selbst ist erstaunlich brav und hat wenig Biss, auch wenn die sexuellen Anspielungen natürlich nicht fehlen dürfen. Tatsächlich ist WO DIE LÜGE HINFÄLLT auffällig für ein sehr breites Publikum konzipiert, so dass mir das US-amerikanische R-Rating ein wenig schleierhaft erscheint. Ja es gibt den ein oder anderen zumindest im Ansatz schlüpfrigen Gag und in zwei Szenen ein wenig nackte Haut, trotzdem ist das Ganze auch für 10-jährige konsumierbar. Ganz so weit wie die deutsche FSK, die den Film „ohne Altersbeschränkung“ durchgewunken hat, würde ich aber nicht gehen. Das liegt weniger daran, dass man hier vielleicht erwachsenen Content präsentiert bekommt, Kinder unter (in meinen Augen) acht Jahren werden mit den Themen allerdings kaum etwas anfangen können.

Einzig die beiden Hauptdarsteller werten das Ganze mit einer funktionierenden Chemie auf. Sydney Sweeney und Glen Powell, die sich beide gerade zu Upcoming-Stars mausern, sind nicht nur hübsch anzusehen, sondern harmonieren auch vor der Kamera. Leider gibt ihnen das Drehbuch nicht das passende Material, um wirklich zu glänzen, jedoch geben sich die Beiden sichtlich Mühe, wobei vor allem Powell mit reichlich Charisma punkten kann. Der Rest der Besetzung weiß auch zu überzeugen, wobei vor allem Rapper GaTa ein paar Lacher für sich verbuchen kann. Trotzdem ist es auffällig, dass der gesamte Film mit seiner malerischen Kulisse und seinen reihenweise „schönen“ Menschen mal wieder völlig unnatürlich wirkt. Positiv möchte ich noch anmerken, dass die Hochzeit zweier Frauen nie thematisiert und einfach als alltäglich und völlig normal inszeniert wird. Trotzdem hätte ich von Regisseur Will Gluck, der mit EINFACH ZU HABEN (2010) und FREUNDE MIT GEWISSEN VORZÜGEN (2011) zwei durchaus gelungene „RomComs“ abgeliefert hat, ein wenig mehr erwartet, mit dem Pop-Hit „Unwritten“ von Natasha Bedingfield auf dem Soundtrack bekommt aber immerhin einen Ohrwurm spendiert, der im Kopf bleibt.

Sony Pictures Home Entertainment veröffentlichte WO DIE LÜGE HINFÄLLT kürzlich digital und im Vertrieb von Plaion Pictures auch als Blu-ray und DVD. Bild- und Tonqualität sind sehr gut, als Extra ist lediglich der Trailer vorhanden.

Fazit:

WO DIE LÜGE HINFÄLLT (2023) war aus kommerzieller Sicht ein Achtungserfolg für das Genre der romantischen Komödie, mit Sydney Sweeney und Glen Powell effektiv und publikumswirksam besetzt. Der Film selbst wird dem Erfolg aber nicht wirklich gerecht, denn trotz gelungener Ansätze bekommt man eine vorhersehbare, wenig spritzige und teilweise ziemlich unlustige Liebesklamotte serviert, die man an einem verregneten Sonntag vielleicht noch nebenher laufen lassen kann, ansonsten aber den Zeitaufwand nicht wirklich wert ist.

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