Regisseur Charles Crichton drehte in den 1950ern viel fürs britische Kino und arbeite danach noch mehr fürs Fernsehen, wobei im Portfolio seiner Kinofilme jetzt kein überwältigender Aha-Effekt einsetzt. Eher schon bei den Fernsehproduktionen, denn da wird sein Name bei Klassiker wie Mit Schirm, Charme und Melone oder gar für satte 14 Folgen bei Mondbasis Alpha 1 gelistet. Jedoch! Moment! Halt Stopp! Da gibt es doch noch was. Den vorletzten Film von Charles Crichton dürfte so ziemlich jeder kennen, der über 38 ist. Es ist – Trommelwirbel – Ein Fisch namens Wanda! Doch bevor es dazu kam, drehte Crichton diese Parodie auf Heist Filme und schickte Alec Guinness und Stanley Holloway auf die Jagd nach Gold, genauer: goldene Souvenir-Eiffeltürme, die später versehentlich in die Hände katholischer Schulmädchen fallen. ARTHAUS / STUDIOCANAL brachten den Klassiker in einer frischen Restauration auf Blu-ray und DVD heraus.

Originaltitel: The Lavender Hill Mob

Regie: Charles Crichton

Darsteller: Alec Guinness, Stanley Holloway, Sid James

Artikel von Kai Kinnert

Als Zuständiger für die Überwachung des Transportes von Goldbarren träumt Henry Holland schon seit Jahren von Reichtum. Er hat den perfekten Plan zum Raub des Goldes sogar schon ausgeklügelt, doch als er befördert wird, droht dieser Traum zu zerplatzen. Er beschließt, ihn möglichst schnell zu verwirklichen – und startet einen aufregenden Heist voller Intrigen, Komik und unerwarteter Wendungen.

Der Film gewann 1952 den BAFTA Award als Bester britischer Film und das Drehbuch von T.E.B. Clarke bekam im gleichen Jahr den Oscar für das Beste Originaldrehbuch. Und wer sich in den Extras der Blu-ray die Einführung durch Martin Scorsese ansieht erfährt, dass das Drehbuch eine originelle Entstehungsgeschichte hat, die man beim Sehen des Films auch spüren kann. Der Raub der Goldbarren ist erstaunlich detailliert und nimmt, einem Heist Movie entsprechend, auch viel Platz im Film ein. Da hat sich jemand kriminelle Gedanken gemacht! Woher kommen aber die Details des Raubes?

Ganz klar: Drehbuchautor T.E.B. Clarke hatte sich ausführlich beraten lassen, und zwar von der Bank of England! Was heute undenkbar ist, war damals in den 1950ern noch von einer gewissen Unschuld geprägt, und so erteilte die Bank of England dem Autoren bereitwillig Auskunft darüber, wie man sie um die Goldbarren berauben könnte. Den Plan, den wir als Zuschauer im Film bewundern dürfen, stammt von der Bank of England selber und Autor Clarke goss diese Informationen dann nur noch in einen filmischen Rahmen. Ich stelle mir gerade vor, wie ich bei der Landeszentralbank eine Anfrage für den sichersten Überfall stelle – und dann wahrscheinlich noch am gleichen Tag vor meiner Haustür vom MEK abgegriffen werde. Diese Liebe zum Detail ist in Einmal Millionär sein spürbar und trägt ganz wesentlich zum Charme des Films bei, der sich sonst eher in der Liga der leichten, britischen Schmunzel-Filme bewegt.

Auch wenn ich mich jetzt wahrscheinlich als Kunstbanause oute – aber ich fand das Schauspiel von Alec Guinness sehr irritierend. Ich musste erst nachlesen, was ich da in seinem Minenspiel zu sehen habe und erfuhr, dass Henry Holland kein schlüpfriger Psychopath ist, sondern das es die Sanftmütigkeit des Charakters unterstreichen sollte. Den Film habe ich mir nun dreimal angesehen, und für mich ist und bleibt Henry Holland so gefährlich und unberechenbar wie ein Clown, der nachts lächelnd und bewaffnet hinter der nächsten Ecke lauert. Mit seinem Schauspiel konnte ich in diesem Film nichts anfangen, anders hingegen bei seinem Kollegen Stanley Holloway, der Guinness glatt an die Wand spielt. Neben der bemerkenswerten Entstehungsgeschichte des Drehbuchs hat der Film noch ein paar sehenswerte Details zu bieten. Nicht nur, dass wir beim Einschmelzen von echten Goldbarren dabei sind, sondern wir erleben auch noch Paris und London fünf Jahre nach Kriegsende. Wie wenig Straßenverkehr es damals noch gab! Die Spuren des Krieges gingen an keiner der beiden Weltstädte vorüber und man bekommt einen einmaligen Blick auf den Zustand und die Lebendigkeit des damaligen Stadtlebens.

Im letzten Drittel des Films landen unsere beiden Hauptdarsteller auf dem Eiffelturm, um dort die Kisten mit den goldenen Souvenirs zurückzukaufen. Das gelingt nur fast, denn katholische Schulmädchen haben versehentlich sechs der Eiffeltürme ersteigern können und machen sich nun zurück auf den Heimweg. Alec Guinness und Stanley Holloway nehmen die Verfolgung auf und rennen auf dem Treppenweg den Eiffelturm herunter. Die Szene auf dem Eiffelturm ist wahrlich überraschend, beginnt sie doch mit dem üblichen Trick damaliger Tage. Natürlich ist die Plattform des Turms nur eine Kulisse im Studio und Paris eine Rückprojektion beziehungsweise eine bedruckte Leinwand. Doch als die Kamerafahrt im Studio einsetzt, verändert sich plötzlich auch perspektivisch korrekt der Hintergrund! Tricktechnisch noch ausgefeilter ist das Herunterrennen auf der Treppe. Die Kamera fährt in zwei Trickschüssen einmal vorweg und dann auch noch parallel zur Wendeltreppe den Turm herunter und verstärkt so enorm ein taumelndes Schwindelgefühl beim Betrachten der Szene, zumal in jeder Einstellung der Hintergrund mit der Kamerabewegung im Vordergrund synchronisiert ist! Für 1950 ist das ein enorm ausgefeilter Kameratrick, der mich auch 2024 noch ins Staunen versetzte. Ich liebe solche technischen Details.

Einmal Millionär sein ist eine leichte Krimikomödie mit dezent britischem Humor, die sich augenzwinkernd das Genre der Heist Movies vornimmt. Spannung, Witz und Schauspiel entsprechen ganz den Sehgewohnheiten der 1950er, wobei das Drehbuch durchaus mit originellen Einfällen auch heute noch überraschen kann. Wenn man denn Lust auf altes, dezentes Kino hat. Für mich war es am Ende dann doch zu wenig, trotz guter Ansätze. Ein Film für Fans der 50er.

Das Bild der gesichteten Blu-ray war gut und klar, der Ton ebenso. Als Extras gibt es London Comedy Film Festival Q&A mit Paul Merton, Typisch Britisch – Stanley Holloway, Einführung von Martin Scorsese, Auszug aus dem BEHP-Audio-Interview mit Charles Crichton, Guten Tag! Mavis interviewt T.E.B. Clarke, Audiokommentar von Filmhistoriker Jeremy Arnold, Originaltrailer, Behind the Scenes, Bildergalerie, Der perfekte Coup: Benedict Morrison über The Lavender Hill Mob.

Amazon Partner Links:

Blu-ray

DVD

Zurück zur Startseite