Heißes Pflaster Mailand. Anders als die meisten, auf Action und Selbstjustiz getrimmten Polizioteschi der 1970er Jahre, fokussierte sich Fernando Di Leo vermehrt auf das organisierte Verbrechen und ließ den Arm des Gesetzes außen vor. Ein prominentes Beispiel ist seine „Milieu-Trilogie“, bestehend aus knackigen Reißern, die bei Freunden des italienischen Genrekinos auch heute noch hoch im Kurs stehen. Der Mittelteil dieser inoffiziellen Trilogie, DER MAFIABOSS alias SIE TÖTEN WIE SCHAKALE (1972), erschien kürzlich als Blu-ray-Neuauflage von Sedna Medien & Distribution GmbH im Keep-Case. Ob der Streifen auch heute noch zu unterhalten weiß und welchen Einfluss er beispielsweise auf Quentin Tarantinos PULP FICTION (1994) hatte, verraten wir euch in unserer Kritik.

Originaltitel: La mala ordina

alt. Titel: Sie töten wie Schakale, Der Eisenfresser, The Italian Connection

Drehbuch: Fernando Di Leo, Augusto Finocchi, Ingo Hermes

Regie: Fernando Di Leo

Darsteller: Mario Adorf, Henry Silva, Woody Strode, Adolfo Celi, Luciana Paluzzi, Franco Fabrizi, Francesca Romana Coluzzi, Sylva Koscina…

Artikel von Christopher Feldmann

Handlung:

In der New Yorker Mafia-Zentrale erteilt Corso (Cyril Cusack) geschäftsmäßig den Befehl an die zwei Profi-Killer Catania (Henry Silva) und Webster (Woody Strode), nach Mailand zu fliegen, um dort Luca Canali (Mario Adorf) zu töten – ganz offiziell und mit Unterstützung der Mailänder Mafia. Deren Boss Tressoldi (Adolfo Celi) reagiert keineswegs erfreut auf die Ankunft der US-Killer, die ihn dazu auffordern, ihnen Canali auszuliefern, denn er versteht nicht, warum seine eigenen Leute den Job nicht erledigen sollen. Tressoldi befürchtet, dass ihm die New Yorker auf die Schliche gekommen sind, dass er selbst die Drogengelder bestohlen hat und nicht der Zuhälter Canali, dem er diese Tat untergeschoben hat. Canali, der sich wie gewohnt um seine Prostituierten kümmert und zwischendurch seine kleine Tochter trifft, die er nach der Scheidung von seiner Frau nur noch selten sieht, ahnt nicht, was auf ihn zukommt. Nicht nur die beiden Killer, auch Tressoldi hat es auf ihn abgesehen, um den New Yorkern zuvor zu kommen…

Regisseur und Autor Fernando Di Leo war zeitlebens eine verlässliche Größe des italienischen Genrefilms, der nicht nur auf dem Regiestuhl Platz nahm, sondern auch zahlreiche Werke als Drehbuchschreiber betreute. So verfasste er die Skripte zu beliebten Italowestern wie EINE PISTOLE FÜR RINGO (1965), NAVAJO JOE (1965), DIE 7 PISTOLEN DES MCGREGOR (1966) und dem Meilenstein DJANGO (1966), aber auch zu Krimireißern wie GANGSTER STERBEN ZWEIMAL (1968) und EISKALTE TYPEN AUF HEIßEN ÖFEN (1976). In den 1970er nahm er vermehrt hinter der Kamera Platz, drehte schmierige Sex-Klamotten wie OBEN OHNE, UNTEN JEANS (1978) und noch schmierigere Gialli wie DA SCHLOSS DER BLAUEN VÖGEL (1971). Sein unbestrittenes Highlight wird aber auf ewig seine lose „Milieu-Trilogie“ bleiben. Diese umfasst neben dem hier vorliegenden DER MAFIABOSS (1972) zudem MILANO KALIBER 9 (1972) und DER TEUFEL FÜHRT REGIE (1973).

Zwar kommt der auch als SIE TÖTEN WIE SCHAKALE geläufige Italo-Gangsterthriller nicht an das Meisterwerk aus demselben Jahr heran, jedoch vermag die Hetzjagd auf einen zweitklassigen Zuhälter in den Straßen Mailands auch heute noch blendend zu unterhalten, wenn auch mit kleinen Abstrichen. Wie auch in den anderen beiden Filmen beleuchtet Di Leo nicht den Kampf der Polizei gegen das organisierte Verbrechen, sondern taucht in letzteres ein. „Luca Canali“ ist ein klassischer Antiheld, ein Lude wie aus dem Lehrbuch mit der nötigen Glätte und Schmierigkeit, die jenes Berufsbild mit sich bringt. Luca ist kein Chorknabe, gerät aber unverschuldet in einen Strudel aus Gewalt, als er zum Sündenbock für einen Heroindiebstahl gemacht werden soll und nun auf der Abschussliste zweier Profikiller und auch der des örtlichen Paten steht. Im Gegensatz zu MILANO KALIBER 9 verläuft DER MAFIABOSS relativ geradlinig, verzichtet aber auch auf größere Überraschungen. Für den Zuschauer sind die Fronten schnell geklärt und man kann ungestört Mord und Totschlag beiwohnen, der die Straßen Mailands zunehmend in einen Hexenkessel verwandelt.

Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist Mario Adorf, der zwar nicht ganz so entfesselt aufspielt wie im geistigen Vorgänger (in dem er noch einen ruchlosen Gangster verkörpern durfte) aber als Antiheld hervorragend funktioniert. Adorf hängt sich hier richtig rein und absolvierte sogar seine Stunts selbst, Prunkstück ist sicherlich eine ausgedehnte Verfolgungsjagd, in der er an einem fahrenden Transporter hängt und irgendwann die Windschutzscheibe mit dem Kopf einschlägt. Spätestens nach einem tragischen Zwischenfall dreht Adorf dann richtig auf und zieht gegen die örtliche Mafia zu Felde. Das macht richtig Laune, besonders im Finale, wenn es auf einem Schrottplatz zum bleihaltigen Finale mit seinen Gegnern kommt. Diese treten in der Gestalt zweier Profikiller auf, gespielt von Henry Silva und Woody Strode. Während Silva als polternder Hitman ordentlich Staub aufwirbelt, fungiert Strode als Kontrast, spielt er doch sehr zurückgenommen und fokussiert, der aber, sobald es notwendig ist, richtig zulangt. Das ungleiche Duo diente übrigens maßgeblich als Inspiration für die von John Travolta und Samuel L. Jackson verkörperten Gangster in PULP FICTION (1994). Schaut man DER MAFIABOSS mit diesem Wissen, fällt schnell auf, dass sich Tarantino hier ausreichend bediente. Flankiert werden die Akteure von profilierten Nebendarstellern und mit Luciana Paluzzi und Adolfo Celi sind auch zwei Bond-Schurken im Film zu sehen, spielten doch beide im 1965 erschienenen FEUERBALL.

Inszenatorisch knüpft Di Leo dort an, wo er mit MILANO KALIBER 9 aufhörte. On Location gedreht, präsentiert uns der Regisseur den Sündenpfuhl Mailands und nimmt uns mit in verruchte Bars, schäbige Ecken und auf die Straße. DER MAFIABOSS ist kein edler Gangsterfilm, sondern ein knackiger Reißer, der gerade in der bereits erwähnten, ausgedehnten Actionszene an THE FRENCH CONNECTION (1971) erinnert. Allerdings besitzt der Film auch die ein oder andere Länge, walzt manche Dialogszenen zu sehr aus und könnte etwas straffer sein. Im direkten Vergleich hat MILANO KALIBER 9 am Ende klar die Nase vorn, was diesen Film aber mitnichten schlecht macht. Hervorzuheben ist noch der hervorragende Score von Armando Trovajoli. Das Theme bekommt nur schwer aus dem Kopf.

Die Blu-ray-Neuauflage kommt als die „Eisenfresser Edition“ daher und hat neben dem Blauling auch eine DVD-Version an Bord. Auf beiden Scheiben findet sich die ungekürzte Fassung, ehemals geschnittene Szenen sind in Englisch mit deutschen Untertiteln enthalten. Bild- und Tonqualität sind in Ordnung. Während der Film selbst scharf und detailreich daher kommt, ist der Sound etwas schwach auf der Brust. Dies ist allerdings bei der Veröffentlichung solcher Streifen oftmals der Fall. Als Bonus gibt es die Super-8-Fassung, eine Bildergalerie und den Promo-Trailer

Fazit:

DER MAFIABOSS aka SIE TÖTEN WIE SCHAKALE (1972) ist ein unterhaltsamer Italo-Streifen, der vor allem durch das Triumvirat Mario Adorf, Woody Strode und Henry Silva punktet, die hier richtig aufdrehen dürfen und etwas über die formelhafte Story und einigen Längen hinwegtrösten. Insgesamt kann der Film nicht mit MILANO KALIBER 9 mithalten, Fans des italienischen Genrekinos werden aber auf jeden Fall ihre Freude haben.

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