Drive-Away Dolls (2024) – digital und als Blu-ray (auch Premium Edition) & DVD erhältlich

Seit ziemlich genau 40 Jahren ist das Brüderpaar, sowie Regieduo Joel Coen und Ethan Coen aus Hollywood nicht mehr wegzudenken, etablierten sich die beiden Filmemacher doch seit ihrem Erstlingswerk BLOOD SIMPLE (1984) als verlässliche Erzähler zunehmend schräger Geschichten in den unterschiedlichsten Genres. Mittlerweile scheint Gespann allerdings auch mal getrennte Wege zu gehen und während Joel mit der ambitionierten Shakespeare-Adaption MACBETH (2021) gänzlich neue Wege einschlug, blieb Ethan bei seinem ersten Solo-Einsatz als Regisseur eines Spielfilms seinen Wurzeln treu. DRIVE-AWAY DOLLS (2024) ist eine schräge Roadmovie-Komödie mit Figuren wie sie nur aus einem waschechten Coen-Film stammen könnten. Universal Pictures Home Entertainment hat die queere Klamotte kürzlich im Heimkino veröffentlicht und ob Ethan auch ohne seinen Bruder überzeugen kann, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Drive-Away Dolls

Drehbuch: Ethan Coen, Tricia Cooke

Regie: Ethan Coen

Darsteller: Margaret Qualley, Geraldine Viswanathan, Beanie Feldstein, C.J. Wilson, Joey Slotnick, Colman Domingo, Matt Damon, Pedro Pascal…

Artikel von Christopher Feldmann

Handlung:

Es geht doch nichts über einen Kurztrip, um auf andere Gedanken zu kommen. Ab ins Auto, Musik an, den Highway entlangbrausen, Abenteuer erleben und grenzenlose Freiheit genießen: So jedenfalls stellen sich die frisch getrennte Jamie (Margaret Qualley) und ihre Freundin Marian (Geraldine Viswanathan) ihren Roadtrip nach Tallahassee im sonnigen Florida vor. Doch natürlich kommt alles ganz anders. Denn die beiden jungen Frauen ahnen nicht, dass ihnen durch einen Irrtum ein Mietwagen ausgehändigt wurde, in dessen Kofferraum sich höchst brisante Fracht befindet. Bald müssen die Freundinnen feststellen, dass einige ebenso zwielichtige wie unfähige Gestalten hinter ihnen her sind, die es auf die geheimnisvolle Ladung abgesehen haben.

Joel und Ethan Coen konnten über mehrere Dekaden hinweg Filmfans begeistern, auch wenn nicht jedes Werk einem Geniestreich gleicht. Aber wer in seiner Vita Kultfilme wie BLOOD SIMPLE (1984), FARGO (1996), THE BIG LEBOWSKI (1998) und NO COUNTRY FOR OLD MEN (2007) verzeichnen kann, dem sei auch der ein oder andere Ausrutscher verziehen. Zumindest in den letzten Jahren ließen die Brüder ein wenig nach und ihre letzte gemeinsame Regiearbeit THE BALLD OF BUSTER SCRUGGS (2018) liegt nun auch schon sechs Jahre zurück. Dass sich sowohl Joel als auch Ethan mittlerweile solo versuchen bietet neue Perspektiven, auch wenn ich Joels Shakespeare-Adaption MACBETH (2021) so gar nicht abgewinnen konnte. Da sagt mir Ethans DRIVE-AWAY DOLLS (2024) deutlich mehr zu, denn das turbulente und alberne Roadmovie zitiert gerade in seiner Figurenzeichnung nochmal die alten Glanzzeiten der Regisseure.

So rückt das Drehbuch, geschrieben von Ethan und seiner Ehefrau Tricia Cooke, zwei lesbische Protagonistinnen in den Vordergrund, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Während „Jamie“ offenherzig ihre Sexualität auslebt, ziemlich progressiv auftritt und so gut wie keinen Cunnilingus verschmäht, ist „Marian“ deutlich zurückhaltender und „zugeknöpfter“. Während die eine mit trotteligem texanischen Akzent alles flachlegt, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, liest die andere am liebsten Romane von Henry James. Dass der Film natürlich in erster Linie auf die Gegensätzlichkeit der Charaktere zielt und daraus ihren Witz zieht, dürfte jedem klar sein, der die Inhaltsangabe gelesen hat. Dass sich daraus eine Art Selbstfindungstrip entspinnt, bei dem die beiden Mädels etwas voneinander lernen, liegt in der Natur der Sache. Der Reiz liegt allerdings in der kompromisslosen Inszenierung zweier lesbischer Frauen, die genauso von der Leine gelassen werden, als wären sie Männer in einer konventionellen Komödie. Explizite Sexszenen, Dirtytalk und eine Reise durch Lesbenbars im mittleren Westen und Pyjama-Partys im Keller der lokalen Frauenfußballmannschaft. DRIVE-AWAY DOLLS ist ein moderner Coen-Film, der mal keine trotteligen weißen Männer mittleren Alters in den Vordergrund rückt.

Die gibt es natürlich trotzdem, wenn auch nur in der zweiten Reihe aber erfrischend wirken diese trotzdem nicht. Zwei unfähige Gangster in den recht simplen Plot zu integrieren wirkt wie eine bemühte Hommage an FARGO (1996) und BURN AFTER READING (2008), auch wenn deren Charakterisierung als Schläger alter Schule, die Probleme haben sich gegenüber modernen Frauen zu behaupten, relativ drollig ist. Die Geschichte selbst speist sich aus üblichen Story-Beats zusammen, nimmt sich aber nie sonderlich ernst und punktet vor allem mit ihren skurrilen Zwischenstationen. Wie so oft bei einem Coen-Film ist hier der Weg das Ziel, auch wenn die Auflösung um den Inhalt des Koffers für einen Lacher sorgen wird. Natürlich könnte man die etwas gehetzte und gerade am Ende erzwungene Love-Story, sowie die nicht immer treffsicheren Gags kritisieren, mit gerade einmal 80 Minuten Laufzeit ist DRIVE-AWAY DOLLS (2024) so flott und kurzweilig erzählt, dass dies kaum ins Gewicht fällt.

Die Darsteller machen ihre Sache allesamt gut, allen voran Margaret Qualley ist eine Wucht. Die Schauspielerin, u.a. bekannt aus ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD (2019), zieht als „Jamie“ alle Register, ihr zuzusehen ist eine wahre Freude. Und auch wenn Geraldine Viswanathan im Vergleich zu ihrer Partnerin die weitaus undankbarere Rolle, meistert sie diese mit Bravour und punktet vor allem mit ihrem teilweise zynischem Humor. Gut, dass Ethan Coen eine ganze Trilogie um die beiden Mädels angekündigt hat, denn nach DRIVE-AWAY DOLLS will ich mehr von ihnen sehen. Auch die Nebendarsteller wissen zu gefallen und transportieren den gewohnten Coen-Humor, allen voran Matt Damon als erzkonservativer Senator. Einen kleinen Cameo hat zudem THE-MANDALORIAN-Star Pedro Pascal.

Universal Pictures Home Entertainment veröffentlichte den Film digital, sowie als Blu-ray und DVD. Zusätzlich erschien noch eine Special-Edition, inklusive Booklet und Art-Cards. Die Bild- und Tonqualität der Blu-ray lässt keine Wünsche offen.

Fazit:

Zeiten ändern sich. Statt kauziger und trotteliger weißer Männer, lässt Ethan Coen in seinem ersten Solo-Film zwei queere Mädels von der Leine, die großen Spaß machen. DRIVE-AWAY DOLLS (2024) ist ein kurzweiliges, skurriles und auch spaßiges Roadmovie, mit dem Coen-Fans eine gute Zeit haben werden, erinnert der Film doch in seinen besten Momenten an die Glanzzeiten der Brüder. Zwar erfindet er das Rad nicht neu und setzt größtenteils auf bewehrte Elemente, für gute Unterhaltung zwischendurch empfiehlt sich der Streifen auf jeden Fall.