Kathy Bates! Richtig gelungene Verfilmungen von guten Stephen King-Storys gibt es meines Erachtens nicht so viele. Es gibt zwar viele Umsetzungen seiner Bücher, aber nur wenig sehenswerte, geschweige denn zeitlose Verfilmungen des eher quantitativen Portfolios von Stephen King. Der Meister schriebt gerne viel und gerne ausschweifend – und manchmal kommt auch eine gute Story bei heraus. So wie einst bei „Misery“ oder, im vorliegenden Fall, wie bei „Dolores“. Beide Filme wurden mit einer hervorragenden Kathy Bates besetzt, die sich auf die Fahne schreiben lassen kann, ganz wesentlich zur Qualität der beiden Verfilmungen beigetragen zu haben. Ähnlich wie bei „Misery“ kamen auch für „Dolores“ günstige Faktoren zusammen: Eine hervorragende Vorlage durch Stephen King, ein kompetentes Drehbuch, dass den Roman elegant einfasst, eine erstklassige Kameraarbeit, eine straffe Inszenierung und eine Besetzung, die durch die Bank weg in bester Spielfreude ist. PLAION PICTURES brachte den Klassiker nun frisch im Mediabook (Blu-ray und DVD) heraus.

Originaltitel: Dolores Claiborne

Regie: Taylor Hackford

Darsteller: Kathy Bates, Jennifer Jason Leigh, John C. Reilly, Christopher Plummer, David Strathairn

Artikel von Kai Kinnert

Ist Dolores (Kathy Bates) eine Doppelmörderin? Mit einem Nudelholz in der Hand beugte sie sich über die Leiche ihrer Arbeitgeberin, der Millionärin Vera. Für die Polizei ein klarer Fall, sie beschuldigt die Haushälterin. Die Nachricht erreicht auch Selena (Jennifer Jason Leigh), die entfremdete Tochter von Dolores. In ihren Augen war Dolores auch für den Tod des geliebten Vaters verantwortlich. Doch es gab eine Tragödie, die Selena längst verdrängt hatte.

Der Horror versteckt sich im Alltag. In der Ehe, in der Beziehung zwischen Menschen. Für diesen Horror braucht man keine Wahnsinnigen mit Axt, der durch ein verschneites Hotel schlurft, oder einen manischen Fan, der einem mit schwerem Hammer die Beine bricht, für diese Art von Horror benötigt man nur einen Ehemann, der dem Alkohol verfallen ist. Mit dem Saufen kennt sich der trockene Alkoholiker Stephen King bestens aus, und so ist der Alkohol immer wieder in seinen Büchern der düstere Begleiter in der Spirale nach unten.

Anfangs stirbt Vera, die Arbeitgeberin von Dolores, in dem sie bei einem Gerangel mit dergleichen die Treppe herunterstürzt. Was genau passierte, ob Dolores sie stieß oder den Sturz gar verhindern wollte, bleibt erst einmal offen. Wir sehen nur ihre wischenden Schatten an der Wand, man hört Geschrei, dann der Sturz. Und gerade als Dolores die am Boden liegende Vera erschlagen möchte, wird sie vom Briefträger erwischt, der – wie in den USA scheinbar so üblich – einfach in ihr Haus spaziert kam und Dolores in einer schwer erklärbaren Haltung erwischt: mit der Bratpfanne hoch über den Kopf wollte sie gerade zuschlagen. Das ist dann auch der einzig schwache Moment im Konstrukt der Story, denn gäbe es keinen Briefträger, der einfach, ohne dass man ihm die Tür öffnete, in die Häuser der Menschen spaziert kommt, dann gäbe es auch keinen Film. Aber so sind sie, die kleinen Orte an der Küste von Maine. Jeder kennt jeden und das schon lebenslang. So auch in Dolores.

Vor etlichen Jahren hat man Dolores schon einmal des Mordes verdächtigt, doch man konnte ihr nichts nachweisen. Ihr alkoholkranker und gewalttätiger Ehemann Joe (David Strathairn) ist während einer Sonnenfinsternis im Vollsuff in eine Grube gefallen und dort verstorben. Detective John Mackey (Christopher Plummer) hat in dem Fall ermittelt und hält Dolores für eine Mörderin, doch beweisen konnte er es damals nicht. Und nun gibt es wieder einen Todesfall, in den Dolores verwickelt ist und Detective Mackey wittert seine große Chance, sie endlich als Mörderin überführen zu können. Die Vergangenheit schwingt also an einem großen, schwarzen Pendel zurück, Dinge werden nun geklärt werden müssen. Auch die erwachsene Tochter Selena (Jennifer Jason Leigh) kommt in den kleinen Ort zurück und Mutter und Tochter beginnen, Verdrängtes aus dem Familienleben aufzuarbeiten. Es wird ein schmerzhafter Prozess werden. Nach und nach wird klar, was damals wirklich in der Ehe zwischen Joe und Dolores passierte, was Selena damit zu tun hat und warum Dolores sich über lange Jahre hinweg von Vera schikanieren ließ, ohne sich zu wehren oder gar den Arbeitsplatz zu wechseln. Was verbindet Vera mit Dolores und wie weit konnte sich Dolores gegen Joe wehren?

Das Drehbuch von Tony Gilroy (Im Auftrag des Teufels, 1997) verzahnt in einem langen Bogen aus Rückblendungen den Horror des Vergangenen aus Suff, Gewalt und Missbrauch zu einer nahegehenden Geschichte, die den Feind in der eigenen Familie verortet und eine Mutter für ihr Kind kämpfen lässt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn im letzten Drittel des Films das ganze Geheimnis, alles Verdrängte, zurück in Bewusstsein kehrt, ist das Entsetzen groß, läuft es einem angewidert kalt den Rücken herunter, so gut ist die Schlüsselszene auf der Fähre zwischen Vater und Tochter inszeniert worden. Stephen King war dann am besten, wenn er den Horror auf den Alltag reduzierte, und die Filmemacher haben das in diesem Fall verstanden.

Taylor Hackford (Blood In Blood Out, Im Auftrag des Teufels, Ray) hat die Inszenierung voll im Griff. Straff und ohne Hänger wird hier allerbestes Schauspielkino präsentiert, hervorragen gefilmt durch Gabriel Beristain (Blood In Blood Out), der die kalte und bedrohliche Stimmung der Vergangenheit mal mit einer bläulichen Ausleuchtung gestaltet, und rötlich, wenn Dolores ob der Erniedrigungen unter Dampf steht. Dazu liefert Danny Elfmann zwar einen beinahe komplett durchgehenden Soundtrack, der aber trotzdem nicht nervt und passend über dem Geschehen liegt. Das muss man auch erstmal hinbekommen, eine fast zweistündige musikalische Untermalung zu komponieren, die den Film nicht einfach nur zukleistert.

Dolores ist eine der guten Stephen-King-Verfilmungen, die einmal mehr durch eine mitreißende Kathy Bates getragen wird. Der Horror generiert sich hier aus dem Alltag zwischenmenschlicher Beziehungen heraus und findet somit eine tragischere Wucht, als hätte man es mit Dämonen oder sabbernden Serienmördern zu tun gehabt. Dolores ist ein packendes, spannungsgeladenes Drama und wurde zeitlos gut gespielt und inszeniert. Gelungenes Kino aus der goldenen Zeit Hollywoods!

Das Bild der gesichteten Blu-ray war sauber, satt und klar, der Ton war gut. Als Extras gibt es einen Audiokommentar, Trailer, eine Bildergalerie und ein Booklet.

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