„Dreckig, düster und ohne Kompromisse“, so heißt es im Plaion Pictures Shop in der Produktbeschreibung – wobei „dreckig“ und „düster“ Adverbien sind, die hier nicht ganz passen. Ging es in Collateral (2004) noch um die „Nacht“, wollte Michael Mann sich im nachfolgenden Projekt dem „Tag“ zuwenden. Michael Mann ist stark fotografisch geprägt, läuft während der Dreharbeiten stets mit seiner Nikon herum und findet so neue Winkel und Momente für seine Filme. In den Extras von Miami Vice erzählt Mann, wie sehr ihn dieses spezielle Sonnenlicht in Miami reizte, wie hart die Kontraste dort sind, wie gesättigt die Farben, wie speziell das Weiß der Wellen im Sonnenlicht reflektiert. Collateral war ein Film der Nacht, Miami Vice sollte ein Film des Tages werden, auch wenn es Nacht-Szenen gibt. Er wollte, dass der Zuschauer das Licht und die Atmosphäre der Umgebung spürt, dass man „dabei“ ist, und nutzte dafür die Videokamera, mit der er schon Collateral drehte und die einen ganz speziellen Look erzeugt. Und Michael Mann hatte Recht, na klar, das Licht in Miami Vice, die Farben, das ist fantastisch. Der Film ist fett und saftig, er gefiel mir, im Gegensatz zu damals, als ich ihn im Kino sah, nun richtig gut. Sogar richtig, richtig gut. Die längere Laufzeit hat dem Film gutgetan. PLAION PICTURES brachte den Streifen nun als Blu-ray heraus.

Regie: Michael Mann
Darsteller: Colin Farrell, Jamie Foxx, Gong Li, Naomie Harris, Justin Theroux, Barry Shabaka Henley, Luis Tosar
Artikel von Kai Kinnert
Die Sonne Floridas wirft dunkle Schatten: In der Unterwelt Miamis werden mit Drogen und Waffen tagtäglich Millionen von Dollar verdient. Um ein mächtiges Rauschgift-Kartell auffliegen zu lassen, schleusen sich die smarten Undercover-Cops Sonny Crockett (Colin Farrell) und Ricardo Tubbs (Jamie Foxx) mit schnellen Autos und modernsten Feuerwaffen als getarnte Drogenkuriere ein. Aber so richtig heiß wird es in Miami erst, als Sonny eine Affäre mit Isabella beginnt, der Ehefrau des Drogen-Bosses. Doch auch die Verlockungen der Unterwelt gefährden die geheime Mission der beiden Cops – Crockett und Tubbs gehen so sehr in ihren Rollen auf, dass sie plötzlich nicht mehr sicher sind, auf welcher Seite des Gesetzes sie eigentlich stehen.

Miami Vice ist ein Film über eine Undercover-Aktion, also genau das, was steter Teil der Fernsehserie war. Crockett und Tubbs schleusen sich in die glitzernde Welt der Drogenschmuggler ein, dort, wo die richtig große Kohle sitzt, und am Ende treffen sich alle nächtens auf irgendeinem Platz, irgendein Hafengelände, und die Aktion geht schief. Doch zuvor gibt es jede Menge Musik, schnelle Fahrzeuge zu Lande, zu Wasser und in der Luft, schöne Frauen und großes Kaliber. Und dann dieses Licht, diese Farben, all´ das ist Miami Vice und genau das bringt Michael Mann mit fiebriger Authentizität auf die Leinwand. Der Directors Cut ist 10 Minuten länger, bietet mehr Handlung, mehr Atmosphäre, und macht dadurch den Streifen richtig fett. Inhaltlich ist der Film eher eine Folge der Serie, kann aber durch sein Drumherum derartig gut punkten, dass der Plan von Michael Mann, nämlich durch die Atmosphäre, das Licht und die riesige Schärfentiefe in den Außenaufnahmen den Zuschauer in das Geschehen hineinzusaugen, vollends aufgeht. Miami Vice ist ein Gefühl, weil Miami eben auch ein Gefühl ist, das ganz wesentlich durch das Sonnenlicht geprägt wird.
Grandios ist die Eröffnung mit dem Powerboat Rennen zu Anfang. Der Film beginnt unter Wasser, düster und gluckernd, bis die Kamera sich knapp über die Wasserlinie erhebt und etliche Rennboote in eben diesem sagenhaften Sonnenlicht und voller Farbsättigung (das Wasser!) an der Kamera vorbei ballern. Dann Cut ins Innere des Bootes von Crockett, gefilmt von Michael Mann selber, da das Boot derartig hart durch Wasser flog, dass man die Filmcrew von Bord holen musste. Mann konnte dann auch nur mit Mühe gegen die Flieh- und Schwerkraft auf der Rückbank des Bootes bestehen, aber es lohnte sich – die Eröffnung ist ein atmosphärischer Traum und bringt die Story deutlich eleganter in Schwung als in der Kinofassung. Bild, Schnitt und Musik sind von edler Güte, wie der Rest des Filmes auch, und man ist sofort dabei. Danach geht es in eine Undercover-Aktion über, die dann aber schief geht und so den eigentlichen Fall für Crockett und Tubbs einleitet. Michael Mann hatte ursprünglich noch zwei Fortsetzungen zu Miami Vice geplant, denn die Jagd auf den Oberboss Montoya (Luis Tosar) ist noch nicht beendet, doch das mangelhafte Einspielergebnis an der Kinokasse verhinderte weitere Dreharbeiten. Heutzutage wäre das kein Problem mehr, denn Streamingdienste haben nur eine Klick-Statistik und „Klicks“ hätte Miami Vice, wäre er 2025 und nicht 2006 erschienen, in galaktisch hoher Zahl bekommen. Dann wären zwar die Blogs und News wieder voll mit ihrem Wegwerf-Ranking an „Weltweit erfolgreichster Streaming-Start“ und ähnlichem Bullhsit, aber die Streamer hätten Michael Mann locker nochmal 400 Million Dollar für zwei weitere Fortsetzungen vor die Hoteltür gestellt. Aber nun sind die 400 Millionen wohl an Martin Scorsese gegangen, der davon gerade mal einen Low-Budget-Film drehen kann. Wie dem auch sei, es wird mit Miami Vice wohl leider nie weiter gehen, stattdessen wird es wohl Heat 2 geben – und diesmal mit Streamingdienst im Rücken.

Doch bis dahin dürfen wir zusehen, wie Sonny Crockett und Ricardo Tubbs sich als coole und eisenharte Transportprofis ausgeben, die dann auch schon mal mit einer Granate in der Hand die Gesprächsführung beim Treffen mit den Dealern übernehmen. Man vereinbart einen Probetransport und so lernt Crockett Isabella (Gong Li) kennen, die Freundin von Oberboss Montoya, mit der er alsbald anbändelt, was von dem Alpha-Gangstermännchen nicht so gerne gesehen wird. Was nun folgt, ist zwar ähnlich spannend und vorhersehbar wie einst in der TV-Serie, nun aber ungleich cooler und geradezu spürbar durchzogen von der Atmosphäre und dem Licht Miamis. Michael Mann lässt seinen Film gerade in diesen Verbindungs-Sequenzen auf die stilprägenden Momente der TV-Serie zurückfallen und lässt Bild und Musik wirken. Die Mitte des Films ist eine minutenlange Musikstrecke (Crockett und Isabella fahren mit dem Power Boat nach Kuba, danach kommt es zu einer Liebesszene) in der kaum geredet wird, denn Musik und das Fahren von „A“ nach „B“ waren stets dramaturgisch wichtiger Teil der Serie und lassen so die Charaktere und die Situationen sacken. Und da Michael Mann mit seinem Kinofilm den Retro-Gedanken des TV-Hits neu interpretiert, ist auch die eingespielte Musik eine Coverversion damaliger Hits und besticht mit der restlichen Filmmusik durch einen hypnotisch wirksamen Elektrosound. Das „authentische Gefühl“, das Michael Mann anstrebte, wird noch durch die Drehorte und Requisiten noch unterstrichen. Man drehte in fiesen Winkeln der Dominikanischen Republik und in Venezuela und beschaffte sich nur originale Hardware, die dann extra aus anderen Ländern eingeflogen wurde. Michael Mann versucht in seinen Filmen stets authentisch zu sein und lässt in der Regel nur selten etwas nachbauen. Das ging in seinem Meisterwerk Thief – Der Einzelgänger (1981) schon los. Um in dem Bankräuber-Film einen Tresor zu knacken, wurden keine Kulissen gebaut, sondern man suchte sich einen riesigen, alten Tresor in einem echten Gebäude, besorgte sich die echte Ausrüstung (8000 Grad Feuerlanze) und echte Tresorknacker und ließ die Schauspieler tatsächlich die Tresortür aufschmelzen. Ein lobenswerter Ansatz, der sich durch alle Michael-Mann-Filme zieht. Waffen? Alles Originale vom Hersteller, zur Not aus dem Ausland besorgt (in Miami Vice gibt es diese deutsche Spezial-Flinte, mit der gepanzerte Türen geöffnet werden), Autos werden importiert und für Häuser der ganze Kontinent abgesucht. So ist Miami Vice auch der erste Film, der das neue Flugzeug A500 Adam einsetzte, eine Geschäftsmaschine, die sehr tief fliegen kann und selbst auf kürzesten Startbahnen starten kann (das wird im Film auch gezeigt). Ähnlichen Einsatz zeigte noch William Friedkin mit seiner Quasi-Miami-Vice-Reminiszenz To Live an Die in LA (1985), wo in der Eröffnung unter Anleitung von Geldfälschern tatsächlich Geld mit den richtigen Arbeitsschritten und Werkzeugen gefälscht wird. Allerdings nur die Vorderseite. Das war insgesamt so glaubwürdig, dass man damals den Typen von der Requisite verhaftete. So wurde auch in Miami Vice, ähnlich wie in Heat (1995), jeder Schusswechsel glaubwürdig inszeniert. Wie verhält sich die Akustik? Wie wirken sich Einschüsse aus? Die Verantwortlichen für die Spezialeffekte gingen mit dem Kaliber 50 Waffen, die im Film eingesetzt werden, auf den Schießstand und filmten, wie sich ein Auto bei Kaliber 50 verhält. Und genauso präparierte man dann für die Dreharbeiten die Umgebung und Fahrzeuge: auf die originale Wirkung der Einschüsse hin. Original sind also nicht nur die Requisiten des Films, sondern auch die Komparsen, die die Szene bevölkern. In der Dominikanischen Republik und in Venezuela arrangierte man sich mit den entsprechenden Banden und Leuten, die etwas „zu sagen“ hatten, und baute alles in die Szene mit ein. Und so ist in den Außenaufnahmen alles echt: die Leute wohnen da tatsächlich und machen im Film das, was sie sonst auch machen. Das kommt alles sehr nahbar und authentisch rüber, zumal Michael Mann seinen Film immer wieder mit einer dokumentarischen Kamera versieht, viel Handkamera einsetzt und mit kleinen Ruckel-Zooms, gewollten Unschärfen, verstellten Vordergründen und einer unendlichen Schärfentiefe arbeitet. Der Typ ist Fotograf, und man merkt es.

Miami Vice – The Director´s Cut ist ein atmosphärischer Film, der für mich im Directors Cut deutlich besser funktioniert als in der Kinofassung. Mich begeisterten das Licht und die Farbsättigung des Films, diese harten Kontraste, überhaupt die fotografische Herangehensweise an den Film, mehr noch als in den anderen Werken von Michael Mann. Der Streifen besitzt ultracoole Einstellungen und lässig gefilmte Momente, greift also den unbedingten Stil-Willen der TV-Serie wieder auf und zelebriert so ganz wunderbar das Gefühl, die Dichte und die Gefahr des Undercover-Auftrags in schöner Umgebung. Die längere Laufzeit macht die Geschichte etwas runder und sorgt so für eine spürbare Geschlossenheit in der Betrachtung. Das Timing ist irgendwie besser geworden. Schade nur, dass Michael Mann keine Gelegenheit für die Fortsetzungen bekam. Miami Vice – The Director´s Cut ist absolut sehenswert. Ein Tipp, nicht nur für Fans.
Das Bild der gesichteten Blu-ray ist sauber, sehr satt und klar, der Ton ist gut. Als Extras gibt es zwei Audiokommentare, drei Featurettes, ein Behind the Scenes und ein Musikvideo.
Amazon Partner Links: