Da ist er also, der Western, der aufgrund des tragischen Verlaufes der Dreharbeiten Ende 2021 in den Schlagzeilen stand. Nachdem es bereits zu mehreren Kündigungen aufgrund massiver Sicherheitsmängel am Set der 7 Millionen Dollar-Produktion kam, erschütterte ein schrecklicher Unfall am 21. Oktober 2021 die Dreharbeiten und brachte diese für mehrere Monate zum Erliegen. Ein Revolver war nicht mit Platzpatronen, sondern mit echter Munition geladen worden. Hauptdarsteller und Produzent Alec Baldwin, dem man die Waffe übergab, feuerte diese wie geplant ab, erschoss dabei aber die 42-jährige Kamerafrau Halyna Hutchins und verletzte Regisseur Joel Souza. Ermittlungen wurden aufgenommen und der Dreh erst im April 2023 wieder fortgeführt. Alec Baldwin wurde von seiner Schuld mittlerweile freigesprochen und der Film startete nun im Verleih von SPLENDID FILM. Er ist Halyna Hutchins gewidmet.

Originaltitel: Rust
Drehbuch und Regie: Joel Souza
Darsteller: Alec Baldwin, Josh Hopkins, Patrick Scott McDermott, Travis Fimmel, Frances Fisher
Artikel von Christian Jürs
Abseits seiner traurigen Produktionsgeschichte ist Rust – Legende des Westens eine Hommage an den guten, alten Italo-Western. Alec Baldwin verglich den Film gar mit Clint Eastwoods grandiosem Erbarmungslos, der Sergio Leone gewidmet ist. Freilich eine deutliche Überschätzung der Materie, für Fans realistischerer Western abseits der Planwagen-Romantik aber auf jeden Fall einen Blick wert. Hier ist die Welt dreckig, brutal und kalt. Konflikte werden mit Waffengewalt gelöst und das Gesetz greift mit aller Härte durch. Dabei wird auch vor Kindern nicht haltgemacht.

Dies bekommt auch der dreizehnjährige Lucas Hollister (Patrick Scott McDermott), der 1882 im Wyoming-Territorium lebt, zu spüren. Seit seine Mutter an Diphtherie verstarb, kümmert sich der Junge alleine um die kleine Farm und seinen fünfjährigen Bruder Jacob (Easton Malcolm). Als er eines Tages einen Wolf von seinem Land jagt und auf diesen schießt, kommt es zur Katastrophe, denn anstelle des Tieres trifft er einen Rancher tödlich, mit dem er erst kurz zuvor aneinandergeraten ist. Das Gericht spricht Lucas daraufhin schuldig und verurteilt ihn zum Tode durch den Strang – trotz seines Alters.
In der Nacht vor der Hinrichtung stürmt dann ein Unbekannter das Gefängnis, hinterlässt eine Blutspur und holt den Jungen aus seiner Zelle. Der Fremde entpuppt sich als Harland Rust (Alec Baldwin), einem gesuchten Schwerverbrecher und gleichzeitig Großvater von Lucas. Der glaubt diesem zunächst kein Wort, muss ihm aber, um sein Leben zu retten, folgen. Ziel ist es, die mexikanische Grenze zu überqueren, damit Lucas dem Tod am Galgen entgehen kann. Nach und nach nähern sich der alte Revolverheld und der angehende Teenager einander an. Doch die Zeit drängt, denn auf Harland und Lucas ist ein hohes Kopfgeld ausgesetzt, welches sich mehrere Männer auf ihrem Weg aneignen wollen. Außerdem ist ihnen der verbitterte Marshal Wood Helm (Josh Hopkins) mit seinen Männern, sowie ein brutaler Kopfgeldjäger namens Fenton Lang (Travis Fimmel), der sich von Gott berufen fühlt, auf den Fersen.

Die Prämisse von Rust – Legende des Westens klingt nach einer atemlosen Hetzjagd. Doch dies ist ein oftmals ruhiges, melancholisches Charakterdrama und Roadmovie (nur ohne Straßen), bei dem es nur selten zu Gewaltausbrüchen kommt. Mehr 1883: A Yellowstone Origin Story als Todeszug nach Yuma, mit wunderschön eingefangenen Naturaufnahmen und ausreichend Screentime für alle Hauptprotagonisten, um ihnen ausreichend Tiefe zu verleihen. Insbesondere die Figur des Marshals, der gegen seine ganz eigenen Dämonen ankämpfen muss, wird näher beleuchtet und weiß zu gefallen, während man den gläubigen Kopfgeldjäger mehr und mehr hassen lernt. Die wenigen Shootouts im Film sind packend inszeniert und werden Westernfans erfreuen.
Natürlich ist es nicht möglich, die Tragödie um das Ableben von Halyna Hutchins vollends bei Sichtung auszuklammern. Doch das ist bei The Crow – Die Krähe im Bezug auf Brandon Lee auch nicht möglich. Frau Hutchins hatte ein tolles Auge für Bilder. Sie hinterlässt einen Ehemann (der nun als ausführender Produzent gelistet ist) und einen Sohn. Alec Baldwins Karriere hat durch den Unfall einen extremen Knacks erlitten. Schaut man sich an, was für Filme auf seiner Liste für die nächsten Monate stehen, so dürfte keiner von ihnen hierzulande eine Kinoauswertung erhalten. Wer den Altstar also nochmal auf großer Leinwand sehen möchte, der erhält hier nochmal eine Chance.

Rust – Legende des Westens dürfte Westernfans nicht enttäuschen. Zwar wurde nicht, wie anvisiert, ein neuer Erbarmungslos daraus, ein sehenswerter Genrevertreter ist er aber allemal. Ihr solltet Euch aber beeilen, denn mit vielen Kopien scheint der Film nicht gestartet zu sein.