Passend zum Hurenween-Monat ist nun auch ein deutscher Beitrag im Heimkino erschienen. Was? Deutschland und Horror? Bevor Puristen jetzt die Nase rümpfen, möchte gesagt sein, dass Tilman Singers LUZ (2018) wahrscheinlich DIE Genre-Überraschung des hiesigen Kinojahres ist und Horrorfans hier durchaus einen Blick riskieren sollten. Warum das so ist, erfahrt ihr in unserer Kritik!

Originaltitel: Luz

Drehbuch & Regie: Tilman Singer

Darsteller: Luana Velis, Jan Bluthardt, Julia Riedler, Nadja Stübiger, Johannes Benecke…

Artikel von Christopher Feldmann

Deutsche Horrorfilme gibt es einige, doch wirklich gute Werke sind allerdings Mangelware. Den Vorwurf, dass hiesige Produzenten und Regisseure einfach keine guten Genre-Filme umsetzten können, müssen sich sich Filmschaffende seit Ewigkeiten aufs Brot schmieren lassen und wahrscheinlich ist da auch etwas wahres dran. Immerhin hinken wir gerade in Sachen Horror den Kollegen aus anderen Ländern ziemlich hinterher, gerade weil diese Art von Film nicht wirklich gefördert wird und zumeist ohne großes Budget im Hartz gedreht werden muss. Versucht man sich mal im Mainstream am gegenwärtigen Spannungskino, fällt das Resultat meistens ernüchternd aus, entweder weil man lediglich abgefrühstückte Trends wieder aufwärmt oder weil es niemand wirklich sehen will. Da fallen mir immer prompt die frühen 2000er ein, in denen man versucht hat, auf der, damals schon abgeebbten, Teenie-Slasher Welle der Marke SCREAM (1996) mitzuschwimmen und solche Gurken wie FLASHBACK (2000) und SWIMMING POOL (2001) auf die Zuschauer losließ. Man kann sich also darüber einig sein, dass man Horror besser aus dem Ausland konsumiert oder einfach ganz tief gräbt, denn abseits des Mainstreams, im Low-Budget/Independent-Bereich ist durchaus etwas zu holen. Das beweist Regie-Newcomer Tilman Singer auf eindrucksvolle Weise mit seinem Film LUZ (2018), einem kurios bizarren Horrortrip, der wohlig an klassischen Italo-Horror erinnert und dabei eine atemberaubende Sogwirkung entwickelt.

Handlung:
Während sich eine junge Taxifahrerin (Luana Velis) blutend in ein Polizeirevier schleppt, begegnet Polizeipsychologe Dr. Rossini (Jan Bluthardt) in einer Bar der geheimnisvollen Nora (Julia Riedler), die ihn äußerst merkwürdig anflirtet: sie erzählt von ihrer alten Freundin Luz, die vor Jahren auf einer chilenischen Klosterschule das rebellische Potential von Teufelsbeschwörungen entdeckte. Mitten im eigenartigen Gespräch der beiden klingelt Dr. Rossinis Piepser. Die Polizei braucht dringend seine Hilfe. Eine Taxifahrerin wurde verletzt und ohne Erinnerung aufgegriffen.
Der Name des mutmaßlichen Opfers: Luz.

LUZ beginnt schon herrlich merkwürdig, als sich die titelgebende Protagonistin langsam in das starre Bild einer Polizeiwache schleicht, um, zu dem Knistern einer leerlaufenden Schallplatte, den Snackautomaten aufzusuchen. Es setzt eine simple, wenn auch effektive Tonabfolge eines Synthesizers ein und Luz starrt den diensthabenden Polizisten einfach an, bevor sie ihm in spanischer Sprache anschreit. Diese Szene dauert lange, gefühlt eine Ewigkeit, und trägt auch Nichts zur generell dünnen Handlung bei, baut aber eine beklemmend bedrohliche Atmosphäre auf, die den gesamten Film über erhalten bleibt. Bei LUZ geht es auch weniger um eine funktionierende Geschichte, sondern mehr um den Stil, die Inszenierung und die optische Wirkung der Szenerie. Auf narrativer Ebene hinterlässt die Handlung des Films allerhöchstens ein paar Fragezeichen, wobei sich Singer auch gar nicht darum schert, die aufkommenden Fragen zu beantworten.

Sowohl die unnatürlichen Dialoge, unzusammenhängende Szenen und mangelnde Exposition, dürften für Fans geradliniger Kost schwer zu konsumieren sein, wird der Background, den Nora zu Beginn wiedergibt, doch kaum relevant in den Film eingebunden. Auch die Ursachen für das zentrale Geschehen, das Verhör von Luz durch Dr. Rossini, bleiben im Dunkeln. Wenn sich dieses dann immer mehr und unübersichtlicher zweier Zeitebenen bedient, verschwimmen die Grenzen immer mehr und irgendwann weiß man nicht mehr so wirklich was jetzt Sache ist und wie die dämonischen Kräfte ins Bild passen, die uns Singer um die Ohren haut.

Auch wenn der gerade einmal 70 Minuten lange Film lediglich zweckdienlich und auch etwas hölzern erzählt, berauscht LUZ optisch umso mehr. Für Singer war das stylische Stück sein Abschlussfilm an der Kunsthochschule für Medien in Köln, was dem Streifen auch deutlich anzumerken ist. Das Budget war gering und das komplette Material wurde auf 16mm gedreht, was mich sehr gefreut hat. Mit körnigen Bildern erinnert LUZ an das Kino der 1970er Jahre, insbesondere an den italienischen Horrorfilm. Singer lässt Elemente des Giallo einfließen, referenziert John Carpenter und entfesselt somit seinen eigenen Alptraum, der angenehm aus der Zeit gefallen wirkt und in dessen Bildsprache man sich wahnsinnig gut verlieren kann. Eine Sogwirkung sondergleichen, die die bizarre, betont lückenhafte Story schnell vergessen lässt.

Zu diesem Sehvergnügen tragen auch die Darsteller, von denen Jan Bluthardt besonders herausragt, der als Psychologe immer mehr in den Wahnsinn abgleitet und herrlich exzentrisch hemmungslose Performance abliefert. Sein Zusammenspiel mit der ebenfalls ausdrucksstarken Luana Velis sorgt für reichlich fesselnde Momente. Insgesamt beweist Tilman Singer hier ein besonderes Händchen für ein stimmiges Gesamtpaket und lässt hoffen, dass man in Zukunft noch einiges von ihm hören wird.

Das Label Bildstörung, dass sich vornehmlich auf obskure deutsche Genre-Perlen spezialisiert hat, hat für eine angemessene Veröffentlichung auf Blu-Ray und DVD gesorgt, nachdem LUZ bereits einen limitierten deutschen Kinostart bekommen hat. Die Heimkino-Variante wartet mit tollen Extras, wie zum Beispiel einem Audiokommentar, mehreren Interviews und zwei Kurzfilmen auf. Ein rundum gelungenes Paket für Liebhaber hiesiger Filmkunst.

Fazit:
Tilman Singers LUZ (2018) ist wahrscheinlich das aufsehenerregendste Stück Horrorkino, was es dieses Jahr aus Deutschland gibt. Ein künstlerisch berauschender Film, der wunderbar aus der Zeit gefallen wirkt und gekonnt verschiedene Stilmittel kombiniert, um seine ganz eigene Sogwirkung zu erzielen. Auch wenn die Story nur Beiwerk ist, kann man diese kleine Perle jedem Horror-Fan empfehlen.

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