Durch den momentanen Mangel an großen Titeln, finden immer mehr kleine, teilweise liegen gelassene Filme den Weg auf den deutschen Heimkino-Markt. THE FORGIVEN – OHNE VERGEBUNG GIBT ES KEINE ZUKUNFT (2017) ist ein solcher Titel, der jetzt mit gut vier Jahren Verspätung über Eurovideo seinen Weg auf Scheibe und in den Stream findet. Ob sich eine Sichtung des dialoglastigen Dramas mit Forest Whitaker und Eric Bana lohnt, erfahrt ihr in unserer Kritik!

Originaltitel: The Forgiven

Drehbuch: Michael Ashton, Roland Joffé

Regie: Roland Joffé

Darsteller: Forest Whitaker, Eric Bana, Jeff Gum, Morné Visser, Terry Norton…

Artikel von Christopher Feldmann

Die „Apartheid“ ist ein dunkler Fleck in der Geschichte der Menschheit und vielleicht gleichzusetzen mit dem hiesigen Nationalsozialismus. In ihrer Hochphase von den 1940er Jahren bis in die späten 1980er Jahre wurden unzählige Menschen der dunkelheutigen Bevölkerung systematisch entwertet und unterdrückt. Die weiße Bevölkerungsgruppe strebte eine strickte Rassentrennung an, was erst durch einen demokratischen Regierungswechsel in den frühen 1990er Jahren beendet wurde. Als schließlich Nelson Mandela Präsident Südafrikas wurde, begann die Zeit der Verständigung und Versöhnung. Schon mehrfach im Kino aufgegriffen, beschäftigt sich THE FORGIVEN (2017) nun explizit mit dem Thema der Völkerversöhnung. Basierend auf einem Theaterstück von Michael Ashton, stellt der Film dabei zwei gegensätzliche Figuren gegenüber. Daraus resultiert ein eher schwerfälliges Drama, das mit viel Pathos und einer nicht ganz authentischen Weltanschauung weit hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt und womöglich dafür sorgte, dass den Film in den letzten vier Jahren niemand wirklich haben wollte.

Handlung:

Der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu (Forest Whitaker) leitet nach dem Ende der Apartheid die Wahrheits- und Versöhnungskommission des Landes. In dieser Funktion wird er vom berüchtigten Mörder Piet Blomfeld (Eric Bana) zu sich gerufen, der in einem Hochsicherheitsgefängnis einsitzt und auf Gnade hofft. Der Bischof lässt sich im Inneren des von brutalen Sträflingen bevölkerten Gefängnisses in eine gefährliche Auseinandersetzung mit dem gerissenen Kriminellen hineinziehen, die sein Leben für immer verändern wird.

Das grundlegende Thema passt eigentlich perfekt in unserer heutige Zeit. Obwohl THE FORGIVEN in den 1990er Jahren angesiedelt ist, ist die Debatte um systematischen Rassismus präsenter denn je, was Meldungen aus aller Welt in der letzten Zeit bestätigen. Somit muss man dem deutschen Verleih Eurovideo ein gutes Gespür attestieren, kommt das Drama vermutlich zum richtigen Zeitpunkt in den Handel und richtet seinen Blick somit nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft.

Allerdings, und das ist der Knackpunkt an der ganzen Sache, haben wir es hier mit keinem besonders guten oder gar mitreißenden Film zu tun. Man spürt deutlich, dass dem Drehbuch ein Theaterstück zu Grunde liegt, welches ebenfalls von Autor Michael Ashton geschrieben wurde. Jetzt kann man der Geschichte ohne große Bedenken ein „ist gut gemeint“ beipflichten, bei der Umsetzung für einen Spielfilm mit einer Länge von gut zwei Stunden hapert es dann doch gewaltig. Das liegt vor allem daran, dass THE FORGIVEN recht langatmig erzählt ist und mehr die Personalisierung der Apartheid im Vordergrund steht, als die wirkliche Auseinandersetzung mit den Folgen der schweren Diskriminierung, die zahlreiche Gewaltverbrechen zur Folge hatte. Mit der Figur des Piet Blomfeld bringt man einen fiktiven Charakter ins Spiel, der im Film das Gesicht der Unterdrückung und der Verbrechen wird. Ein skrupelloser, gar psychopathischer Rassist und Mörder, mit dem sich Erzbischof Desmond Tutu auseinandersetzen muss. Allerdings zieht das Drehbuch sein Vorhaben auch nicht konsequent durch beginnt zunehmend die eigentliche Schreckensinkarnation zu vermenschlichen, ihr ein Motiv, ja sogar ein Trauma. Ashton und sein Co-Autor Roland Joffé, der den Film auch inszenierte, entreißen dem Grauen die Anonymität, was zum Schluss einige Punkte kostet und den Impact nur verwässert.

Parallel dazu wird noch ein Kriminalfall ins Spiel gebracht, wahrscheinlich als Zugeständnis an das Publikum, um es bei der Stange zu halten. Allerdings bekommt der Plot um eine ermordete Jugendlichen nicht den nötigen Raum, den er eigentlich verdient hätte. Bei der Suche nach den Verantwortlichen zeigt der Film, dass es ihm darum geht, sich mit der Apartheid als Ganzes auseinanderzusetzen. Die Vermenschlichung des „Antagonisten“ steht hierbei seltsamer Weise im Kontrast dazu.

Auch die Weltanschauung, die THE FORGIVEN letztendlich offenbart, bleibt sehr naiv und irgendwie wenig authentisch. Es geht um Vergebung und darum, Altlasten hinter sich zu lassen, um es zukünftig anders und besser zu machen. Der Schlüssel scheint im Grunde das „Einlassen“ auf etwas Neues zu sein, was für meine Begriffe wenig funktioniert und etwas fragwürdig ist. Wenn ein Film sich schon mit solch einem schwierigen Thema auseinandersetzt, dann muss er auch genug Mumm und Konsequenz mitbringen, die Sprüche aus dem Apothekenkalender mal beiseite zu legen und sich ernsthaft und realistisch mit solch einer Sachlage befassen. Hier wählte man einfach den falschen Ansatz. Aber ist nicht alles schlecht an diesem Streifen, denn die Wortgefechte zwischen den beiden Hauptdarstellern entschädigen so manchen, ärgerlichen Plot-Point. Forest Whitaker gibt, obwohl er in seiner Aufmachung auch aus einer Eddie-Murphy-Comedy der 1990er Jahre stammen könnte, mit viel Energie und Pathos den hoffnungsvollen Erzbischof, während Eric Bana als Mörder ebenfalls eine gute Performance abliefert, beide werten das ansonsten schwerfällige Kammerspiel deutlich auf.

Eurovideo sorgt nun für eine angemessene Heimkino-VÖ. Neben der bereits verfügbaren VoD-Variante, kommt nun eine Ausgabe als DVD und Blu-ray dazu. Bild- und Tonqualität sind sehr gut, als Bonus gibt es lediglich ein Wendecover.

Fazit:

Mit vier Jahren Verspätung erblickt THE FORGIVEN – OHNE VERGEBUNG GIBT ES KEINE ZUKUNFT (2017) nun das Licht der Heimkino-Welt. Gut besetzt, gut gespielt aber auf narrativer Ebene doch eher enttäuschend, was vor allem dem sehr naiven Weltbild und der unnötigen Personalisierung der Apartheid geschuldet ist. Keine Zeitverschwendung aber auch kein Must-See!

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