Nicht Bram Stokers Dracula war der erste Vampir, sondern Joseph Sheridan Le Fanus Carmilla. Bereits ein viertel Jahrhundert vor dem populären Vampirfürsten, erschien der Roman über die junge, lesbische Vampirdame im Jahr 1872. Wie zeitlos die Geschichte ist, zeigt uns jetzt Regisseurin Emily Harris, die der Geschichte ihren eigenen Stempel aufdrückte und eine Coming-of-Age-Geschichte aus dem Schauerroman bastelte. BUSCH MEDIA GROUP lässt die Blutsaugerin nun auch auf das deutsche Publikum los.

Originaltitel: Carmilla

Regie: Emily Harris

Darsteller: Hannah Rae, Devrim Lingnau, Jessica Raine, Tobias Menzies, Greg Wise

Artikel von Christian Jürs

Irgendwann um das Jahr 1780 herum, wächst die fünfzehnjährige Lara (Hannah Rae) isoliert von der Außenwelt auf dem Landsitz ihrer Eltern in England zur Frau heran. Ihr einziger sozialer Kontakt ist die strenge Gouvernante Miss Fontaine (Jessica Raine), die explizit darauf achtet, dass die aufkeimende Sexualität in Lara eine untergeordnete Rolle spielt, ebenso wie ihr unendlicher Wissensdurst, der sich natürlich ebenfalls für eine Junge Dame nicht ziemte. Der Hang zum Morbiden, den die junge Frau hegt, ist der Lehrerin ebenfalls ein Dorn im Auge. Für Lara zählt einzig der anstehende Besuch von ihrer Freundin Charlotte. Der mögliche Kontakt zu jemand gleichgesinntem lässt Hoffnung in der verträumten, jungen Dame aufblühen. Als Charlotte jedoch gesundheitsbedingt absagt, bricht für Lara eine Welt zusammen.

Man kann es wohl Glück im Unglück nennen, dass unweit vom Anwesen, auf dem Lara aufwächst, ein schreckliches Unglück geschieht. Eine Kutsche mitsamt ihren Insassen verunglückt. Die einzige Überlebende, ein junges, schönes Mädchen (Devrim Lingnau), ungefähr in Laras Alter, wird am Unglücksort gefunden und zur Genesung auf den Landsitz gebracht. Wie durch ein Wunder blieb die junge Frau unverletzt, hat jedoch, so vermuten die Ärzte, als Folge des schweren Unfalls, ihr Gedächtnis verloren. Als die beiden Mädchen aufeinandertreffen, knistert die Luft zwischen den Beiden. Lara sucht gemeinsam mit der Fremden einen Namen, auf den das Mädchen ohne Gedächtnis fortan hören soll. Die Wahl fällt auf Carmilla.

Natürlich bleibt es nicht bei einer einfachen Freundschaft, denn beide Frauen empfinden schnell mehr füreinander und Lara entdeckt schließlich, sehr zum Schrecken ihrer Gouvernante und allen anderen Anwesenden auf dem Landsitz, ihre Sexualität, die sie gemeinsam mit Carmilla auszuleben beginnt. Währenddessen hegen die Bewohner und auch der behandelnde Arzt Doktor Renquist (Tobias Menzies) Zweifel am natürlichen Hergang des Unfalls und so führen Aberglaube und Verschwörungstheorien, wie sie sich Querdenker nicht schlimmer ausdenken könnten, zu schweren Anschuldigungen Carmilla gegenüber. Es kommt es zu einer tödlichen Konfrontation…

Wer hier eine klassische Vampirgeschichte erwartet, sollte seine Erwartungen dämpfen und lieber zur Karnstein-Trilogie aus dem Hause Hammer greifen, denn dort war Carmilla tatsächlich eine blutsaugende Femme Fatale. Regisseurin und Drehbuchautorin Emily Harris übernahm zwar auch den Grundplot des klassichen Romans von Sheridan Le Fanu, änderte jedoch mehr als nur den Namen der Hauptfigur (aus Laura wurde Lara). Hier geht es weniger um blutgeile Nachtwesen, sondern um eine Coming-of-Age-Geschichte zu einer Zeit, in der Beziehungen dieser Art mehr als nur verpönt waren. So beginnt der Film recht spröde, wie ein Kammerspiel erzählt und ändert seine Erzählung dementsprechend, als die betörende Carmilla die Bühne betritt. Fortan wird aus den kalten, ruhigen Bildern eine sinnlich-erotische Geschichte, die niemals freizügig-, aber durchaus leidenschaftlich und sinnlich erzählt wird. Atmosphärisch und zunehmend spannend entwickelt sich die Geschichte der beiden Mädchen, die dank des titelgebenden Charakters genügend Geheimnisvolles birgt, um den Zuschauer interessiert in die Geschichte eintauchen zu lassen, sofern man eben keine Vampirgeschichte erwartet. Das offenkundig niedrige Budget gerät dabei, dank stimmiger Aufnahmen, leicht in Vergessenheit.

Bei der Busch Media Group beweist man erneut ein Händchen für kleine, aber recht feine Filme. Lediglich in Sachen Synchronisation war auch hier das Budget wohl klein, weswegen der ein- oder andere Zuschauer wohl zur englischen Originalversion (mit optionalen Untertiteln) greifen wird. Immerhin sind die Sprecher bemüht, doch auch meine verwöhnten Ohren mussten sich in den ersten Minuten an die Stimmen, die immer wie aus dem Studio klingen, gewöhnen. Da das Label sich aber noch entwickelt, hoffe ich hier auf baldige Besserung (man denke mit Schrecken an die ersten Netflix-Synchros zurück). Als Bonus gibt es immerhin ein 30 minütiges Behind-the-Scenes-Video und ein Wendecover ohne FSK-Flatschen, wovon sich so mancher Major gerne eine Scheibe abschneiden kann.

Carmilla – Führe uns nicht in Versuchung ist nicht das, was ich erwartet habe und trotzdem keine Enttäuschung (zumindest für mich). Wer den Vampirgedanken wegdrängen kann, sollte einen Blick riskieren.

Trailer:

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