Wenn reale Tragödien in Filmen verarbeitet werden, dann ist das immer ein schmaler Grad, besonders was die Haltung seitens des Drehbuchs und der Inszenierung angeht. Einen Schulamoklauf als knackigen Actionthriller im Stil von DIE HARD (1988) zu präsentieren, ist erstmal gewagt und besitzt einen, sagen wir mal, unangenehmen Beigeschmack, zumal die USA in den letzten Jahren immer wieder von derart schrecklichen Taten heimgesucht wurden. Welchen Anspruch RUN HIDE FIGHT (2020), der nun über Koch Films fürs Heimkino erhältlich ist, wirklich verfolgt, was konservativ rechte Nachrichtenportale damit zu tun haben und ob es sich hier um einen guten Film handelt, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Run Hide Fight

Drehbuch & Regie: Kyle Rankin

Darsteller: Isabel May, Eli Brown, Olly Sholotan, Radha Mitchell, Treat Williams, Barbara Crampton, Thomas Jane…

Artikel von Christopher Feldmann

Als am 20. April 1999 zwei Schüler der Columbine High School im US-Bundesstaat Colorado einen Bombenanschlag in ihrer eigenen Schule initiierten, kam es zu einer der aufmerksamkeiteserregenden Tragödien der 1990er Jahre, deren weitreichende Folgen einen gewissen Wendepunkt für die Kultur der Vereinigten Staaten zur Folge hatte. Da aufgrund eines technischen Fehlers die Bomben nicht detonierten, erschossen die Täter binnen einer Stunde zwölf Schüler und einen Lehrer, 24 weitere Menschen wurden zum Teil schwer verletzt, im Anschluss daran richteten sie sich selbst. Dieser Amoklauf ging in die Geschichte ein, zumal die Motive der Beiden nie final ergründet werden konnten. Kyle Rankins Actionthriller RUN HIDE FIGHT (2020) weist erstaunlich viele Parallelen zum Columbine-Massaker auf, gerade was das Vorgehen der hier dargestellten Täter angeht. Hinterbliebene der Opfer oder Überlebende des realen Vorbilds dürften sich aber angesichts der Inszenierung dieses Streifens die Hand vor den Mund halten, wurde ein sehr sensibles, schreckliches Thema doch in einen typischen Actionthriller interpretiert, der zwar ordentlich aussieht aber den nötigen Tiefgang zu Gunsten diverser Genreklischees vermissen lässt.

Handlung:

Für die 17-jährige Zoe Hull (Isabel May) und ihre Mitschüler nähert sich das Ende des Schuljahres, doch für sie und ihren besten Freund Lewis (Olly Sholotan) ist das kein Grund zur Freude. Zoe hat sich nach dem Tod ihrer Mutter (Radha Mitchell) völlig zurückgezogen, und weder Lewis, noch ihr Vater (Thomas Jane), können noch zu ihr durchdringen. Das alles wird jedoch belanglos, als vier Schüler unter der Führung des wahnsinnigen Tristan Voy (Eli Brown) in die Schule eindringen und die Schüler – unter ihnen auch Lewis – in der Cafeteria als Geiseln nehmen. Während Tristan das immer blutigere Geschehen per Livestream ins Internet übertragen lässt, ist Zoe die Einzige innerhalb des Schulgebäudes, die über ausreichend Kenntnisse verfügt, um sich den Tätern in den Weg zu stellen…

Um sich etwas genauer mit einem Film wie RUN HIDE FIGHT (2020) auseinander zu setzen, sollte man dessen Herkunft beachten. Bei dem Actionthriller handelt es sich um den ersten Spielfilm, der unter dem Dach von The Daily Wire erschienen ist, einem Nachrichtenportal, das sich vor allem durch seine konservativ rechte Gesinnung auszeichnet und deren Gründer Ben Shapiro einen zweifelhaften Ruf genießt, was auf diverse Äußerungen zu Themen wie der gleichgeschlechtlichen Ehe und Schwangerschaftsabbruch zurückzuführen ist. Die Tatsache, dass ein solches Label hinter dem Film steckt oder zumindest für dessen Vertrieb sorgt, macht das Gezeigte nicht gerade weniger schwierig.

Eine gewisse konservative Ausrichtung kann dem neuesten Werk von B-Filmer Kyle Rankin nicht abgesprochen werden, propagiert der Streifen doch ganz ungeschönt die klassische Auge-um-Auge-Mentalität. Das ist im Grunde kein Problem, ist dies doch in so ziemlich jedem Actionfilm zu finden, im Falle von RUN HIDE FIGHT wirkt es allerdings völlig deplatziert. Der Plot ist derweil ziemlich simpel. Vier Schüler brettern mit einem Van in die Cafeteria einer High School und nehmen die restlichen lernenden als Geiseln, natürlich nicht ohne diverse Gefangene spontan über den Haufen zu ballern. Soweit so tragisch, wäre da nicht die 17-jährige Zoe, die sich mit ihren, vom Vater gelehrten, Kenntnissen den Schurken zu Wehr setzt. Was sich aus diesem Set-Up entspinnt, ist kein tiefgreifendes Drama, das sich mit dem Thema „Schulschießereien“ auseinandersetzt, sondern ein handelsüblicher STIRB-LANGSAM-Verschnitt, in dem die Protagonistin verdreckt und verwundet durch Lüftungsschächte kriecht, Baddies ausschaltet und vielen Schulkammeraden das Leben rettet. Das Drehbuch verzichtet auf jegliche Substanz und verlässt sich dabei ganz auf etablierte Muster, die der Klassiker mit Bruce Willis seiner Zeit in Stein meißelte.

Natürlich würde das Szenario einiges hergeben, mit dem man sich auseinandersetzen könnte, allerdings sind gerade die Übeltäter derart überzeichnet, dass jeglicher realistischer Anspruch völlig verpufft. Nicht nur gehen sie wie Profi-Terroristen zu Werke, ihr Anführer, gespielt von Eli Brown benimmt sich, als hätte er zu oft die Joker-Szenen aus THE DARK KNIGHT (2008) bei YouTube in der Schleife laufen lassen, so wild gestikuliert sich der fast-Schulabsolvent einen ab, fuchtelt mit der Pistole rum und gibt sich großkotzig, als hätte er kurz zuvor noch die Hans-Gruber-Masterclass besucht. Das raubt dem Ganzen jegliche Glaubwürdigkeit, vor allem, da die Motive wage bleiben. Während seine Mitstreiter, bis auf die Bitch mit der Nietenjacke, zumindest Mobbing und Missachtung als Grund durchklingen lassen, scheint es Tristan lediglich um mediale Präsenz zu gehen, zwingt er doch gleich den Herausgeber der Schülerzeitung dazu, dass Ganze per Livestream ins Internet zu übertragen. Die Darstellung der Täter als sadistische Mistkerle ist natürlich nur Legimitation dafür, Protagonistin Zoe als Female-McClane durch die High School schreiten und den Tag retten zu lassen. Typisches Actiongarn eben, dass durch seine Prämisse aber einen wirklich üblen Beigeschmack besitzt.

Dazu kommen noch die ein oder anderen Plotholes. Erstens wirken die Bösewichte mit ihrem ausgefeilten Plan sowieso etwas unglaubwürdig und zweitens verhalten sie sich immer wieder genauso, wie es das Drehbuch gerade benötigt. Warum niemand in der Schule mitbekommt, dass ein Van in die Cafeteria rast und anschließend mit Maschinenpistolen gefeuert wird, ist ebenso wenig schlüssig wie Tatsache, dass niemand von den Einsatzkräften auf die Idee kommt, mal ein paar Scharfschützen zu Rate zu ziehen. Mit ein paar gezielten Schützen durch die große durchbrochene Wand, wäre die ganze Nummer schnell beendet gewesen.

Man muss eben einiges schlucken, um RUN HIDE FIGHT als stupiden Actionthriller genießen zu können. Immerhin holen die Darsteller über weite Strecken die Kohlen aus dem Feuer. Hauptdarstellerin und Nachwuchstalent Isabel May macht hier einen richtig guten Job. Ihre innere Trauer über den Verlust ihrer Mutter und den daraus resultierenden imaginären Gesprächen mit der von Radha Mitchell verkörperten Verblichenen, wirkt zwar hier und da etwas aufgesetzt und nimmt dem Film etwas das Tempo, als bärbeißige Einzelkämpferin liefert die Blondine aber ab. Gleiches gilt, trotz dem gnadenlosen Camp-Faktor, für Eli Brown, der als Kopf des schießwütigen Quartetts dem Affen ordentlich Zucker gibt. Blendet man die fehlende Glaubwürdigkeit aus, funktioniert er als überdrehter Comic-Schurke. Darüber hinaus bietet der Film noch ein wenig B-Prominenz, unter anderem 80s-Scream-Queen Barbara Crampton als Chemielehrerin und Ex-PUNISHER Thomas Jane als Zoes Vater, der allerdings nur wenig Screentime hat. Als Sheriff ist übrigens der sichtlich gealterte Treat Williams zu sehen, der ja durch seine Rolle als Action-Aushilfslehrer in den Direct-to-Video-Sequels von THE SUBSTITUTE (1996) Erfahrung mit kriminellen Schülern hat. Inszenatorisch lässt sich RUN HIDE FIGHT nicht viel vorwerfen, das knapp bemessene Budget von rund 1,5 Millionen US-Dollar wurde gut eingesetzt. Die Kameraarbeit ist sehr sauber und auch die Effekte sind handgemachter Natur, was dem Ganzen auch etwas Gravitas verleiht. Wirkliche Knallerszenen sucht man zwar vergebens und auch die Action ist erwartbar klein gehalten, insgesamt kann sie aber überzeugen.

Koch Films veröffentlicht den Film digital, sowie als Blu-ray und DVD fürs Heimkino. Bild- und Tonqualität sind sehr gut und neben einem Wendecover ohne FSK-Flatschen, sind im Bonusmaterial Interviews mit den Beteiligten zu finden. Zusätzlich gibt es noch den Trailer und eine Bildergalerie.

Fazit:

RUN HIDE FIGHT (2020) bemächtigt sich einer durchaus schwierigen Prämisse und schustert daraus einen handelsüblichen Actionthriller in STIRB-LANGSAM-Manier. Die überzogenen Bösewichte rauben dem Film dann schließlich auch noch jede Glaubwürdigkeit und verhindern einen tiefergehenden Diskurs zum Thema Schulschießereien. In anderen Film hätte ich damit kein Problem, hier allerdings kann ich den faden Beigeschmack nicht ausblenden. Die filmische Wertigkeit und die gute Hauptdarstellerin sorgen aber dafür, dass das Ganze noch auf Mittelmaß gehoben wird.

Christopher auf Letterboxd – Your Life in Film folgen

Zurück zur Startseite