Während aktuell das Sommerloch dafür sorgt, dass nur wenige große Titel den Weg auf die Leinwand beziehungsweise auf den heimischen Bildschirm finden, lohnt es sich doch mal einen Blick auf die kleinen, leicht zu übersehenen Filme zu werfen. In den Lichtspielhäusern ging das Krimi-Kammerspiel THE OUTFIT – VERBRECHEN NACH MAß (2022) nämlich zwischen Fliegerass Tom Cruise und den Dinosauriern sang- und klanglos unter aber keine Angst, Universal Pictures Home Entertainment veröffentlicht den neuen Streich von Oscar-Preisträger Graham Moore nun auch für den Heimgebrauch. Ob der Film sein Geld wert ist, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: The Outfit

Drehbuch: Graham Moore, Jonathan McClain

Regie: Graham Moore

Darsteller: Mark Rylance, Zoey Deutch, Dylan O’Brien, Johnny Flynn, Simon Russell Beale…

Artikel von Christopher Feldmann

Handlung:

Chicago im Jahr 1956: Nach einer privaten Tragödie zieht der sanftmütige Londoner Maßschneider Leonard (Mark Rylance) in die „Windy City“ und erregt mit seiner Begabung schnell die Aufmerksamkeit der Gangsterfamilie Boyle. In ihrem Dienst beweist Leonard nicht nur sein Talent für Nadel und Schere, sondern auch höchste Diskretion bezüglich der Geschäftsgespräche in seinem Laden sowie der geheimnisvollen Päckchen, die dort zur Abholung hinterlegt werden. Als eines Nachts zwei Killer (Dylan O’Brien, Johnny Flynn) an seine Tür klopfen und ihn um einen Gefallen bitten, werden Leonard und seine Assistentin Mable (Zoey Deutch) tiefer in die kriminellen Machenschaften verstrickt, als sie es sich je hätten vorstellen können.

THE OUTFIT (2022) stellt genau jene Sorte von Film dar, von denen es im Kino aktuell viel zu wenige bis gar keine gibt. Zwischen all den Comic-Blockbustern und recycelten Tentpole-Franchises ist ein kleiner, geschickt erzählter Krimi so etwas wie eine Wohltat, um die Sinne mal etwas zu erden. Oftmals finden diese aber kaum ein Publikum und auch in meinem Einzugsgebiet ging der Film vollkommen an mir vorbei, auch weil er schlichtweg, bis auf Einzelvorstellungen zu unchristlichen Uhrzeiten, nicht gezeigt wurde. Das ist insofern schade, da Graham Moores Regie-Debüt trotz kleiner Abzüge in der B-Note eine Hommage an alte Tage darstellt, in denen anstatt auf überbordende Effektarbeit auf eine kleine aber feine Story gesetzt wurde.

Der Plot über einen zurückhaltenden Schneider, der in eine Mafia-Intrige hineingezogen wird, die sich eigentlich ausschließlich in seinem Hinterzimmer abspielt, erinnert nicht von ungefähr an die High-Concept-Thriller eines Alfred Hitchcock und speziell eine Szene dürfte eine überdeutliche Reminiszenz an dessen COCKTAIL FÜR EINE LEICHE (1949) darstellen. Dazu gesellt sich noch eine Prise Whodunnit-Krimi alá Agatha Christie und fertig ist das kurzweilige Kammerspiel. Der für sein Drehbuch zu THE IMITATION GAME (2014) mit dem Oscar ausgezeichnete Graham Moore spielt geschickt mit den einzelnen Figuren und bringt sie immer wieder in die Bredouille, was für einige spannende Momente sorgt, gerade weil der passionierte Edel-Schneider augenscheinlich stets die Fronten wechselt und sich immer neue Argumentationen einfallen lassen muss. Im Hintergrund wabert indes immer die Frage nach dem mysteriösen „Outfit“, einer übergeordneten Mafia-Organisation, und der schon zu Beginn erwähnten „Ratte“, die in den Reihen des Paten Roy Boyle für Unmut sorgt. An dieser Stelle ist aber auch Kritik angebracht, denn so sehr sich Moore auch darum bemüht, die Mystery voranzutreiben und in einem Twist aufzulösen, sie bleibt ab einem gewissen Punkt im Film relativ erwartbar, was zur Folge hat, dass der intendierte Knalleffekt nicht vollends zünden kann. Der Weg dorthin weiß allerdings sehr zu gefallen und bietet ein paar wirklich gute Szenen, in denen sich Moore vollends auf seine Suspense verlässt, was den Film so erfrischend wirken lässt.

Die Tatsache, dass sich das ganze Geschehen in Leonard Burlings Schneider-Werkstatt abspielt, verleiht der Handlung die nötige Dichte. Auch der Umstand, dass, anders als bei anderen Filmen dieser Art, jederzeit die Figuren ein- und ausgehen können, sorgt für die nötige Würze und macht das Konstrukt zuweilen unberechenbar, wenn auch wie bereits erwähnt nur bis zu einem gewissen Punkt. So versprüht THE OUTFIT auch ein wenig die Vibes, die schon Quentin Tarantinos Spielfilm-Debüt RESERVOIR DOGS (1992) auszeichneten, jedoch ist Moores Zeitreise in das Chicago der 1950er Jahre natürlich nicht mit der vergleichbaren Coolness oder den großartigen Dialogen eines Tarantino gesegnet. Gerade in Sachen Inszenierung bleibt der Film zwar immer auf einem sehr sauberen Level, hat aber nie diese eine Szene, die wirklich nachhallt. Hier und da blitzen immer mal wieder Einstellungen alá Hitchcock auf, die Kamera bleibt jedoch meist nüchtern und im Geschehen. Look & Feel funktionieren gut und gerade die Fetischisierung klassischer Schneiderarbeit fühlt sich angenehm an und Moore schien sichtlich Spaß daran zu haben, das Handwerk gebührend in Szene zu setzen.

Gerade bei einem Film wie THE OUTFIT ist die Besetzung von Oscar-Preisträger Mark Rylance als absoluten Glücksgriff zu werten. Der britisch-amerikanische Theaterschauspieler, der für seine Rolle in Steven Spielbergs BRIDGE OF SPIES (2015) den Goldjungen verliehen bekam und letztes Jahr einen meisterlichen Gaga-Auftritt in DON’T LOOK UP (2021) hinlegte, ist die perfekte Wahl für den ruhigen, in sich gekehrten, sich hinter seiner Profession versteckenden Schneider und verleiht dem Film die nötige Britishness. An seiner Seite agiert die hinreisende Zoey Deutch, ihres Zeichens Tochter von 80er-Augenweide Lea Thompson. Die Schauspielerin bringt dabei nicht nur optische Reize in den Film, sondern füllt ihre Rolle auch gut aus. Aktuell ist sie in der bissigen Influencer-Satire NOT OKAY (2022) zu sehen und ich denke, dass es die 27-jährige noch weit bringen wird. Die verbleibenden Rollen werden von Dylan O’Brien und Johnny Flynn bespielt, auch wenn diese nicht ganz so viel Eindruck hinterlassen können. Der Auftritt von Simon Russell Beale als irischer Mafioso hingegen ist nochmal ein starkes Extra.

THE OUTFIT ist bereits digital erhältlich und am 18. August folgt die Veröffentlichung auf Scheibe. Bild- und Tonqualität der Blu-ray sind einwandfrei, in den Extras befindet sich lediglich der Trailer.

Fazit:

Graham Moore liefert mit THE OUTFIT – VERBRECHEN NACH MAß (2022) kein neues Meisterwerk ab aber trotz kleiner Abzüge in der B-Note, bekommen geneigte Zuschauer hier einen stimmungsvollen, knackig kurzweilig erzählten Krimi auf engstem Raum, der in seinen besten Momenten echtes Hitchcock-Feeling hervorruft. Sehenswert.

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