Dem deutschen Film geht es scheiße und Schuld daran trägt die Filmförderung, die ihre Kohle entweder in den immergleichen Beziehungsquatschfilm mit Til Schweig´Barek oder in Hausfrauenberuhigungsstreifen stecken, in denen eigentlich attraktive, rothaarige Milfs im Fatsuit bekunden, dass auch Hängegewebe wunderschön sein kann. Gerne wird auch in Endlos-Kinderfilmreihen um kleine Hexen, die von Regisseuren dirigiert werden, die einst als hiesige Regiewunder galten und heute ohne Ambitionen das Rentenkoks aufbessern wollen, investiert – da heulen Eltern und Kinder im Chor. Vom Zwangsgebühren-Sonntagsabendkrimi, den wir eh schon finanzieren müssen, fange ich gar nicht erst an. Doch ein kleines, gallisches Dorf namens Stadtlohn leistet Widerstand, indem sie ihren Druiden Jochen Taubert immer wieder einen neuen Zaubertrank aus nackter Haut und Splädderorgien brauen lassen. BUSCH MEDIA GROUP hat sich des neuesten Stoffes angenommen und diesen, nach zweitem Anlauf, sogar unzensiert durch die FSK-Hürde geboxt. Filmkunst für den Herren mit Anspruch.
Regie: Jochen Taubert
Darsteller: Alina Lina, Sabrina Arnds, Markus Beyer, Adrian Franusic, Klaus Thiel Klenner
Artikel von Christian Jürs
Nackt unter Zombies – Der Name ist Programm im neuesten Film von Regielegende Jochen Taubert. Doch wer den neuesten Film vom Spiel mir am Glied bis zum Tod-Macher nur oberflächlich aufgrund der Vordergründig eingesetzten Blutszenen und Ficki-Ficki-Momente schaut, dem entgeht das tief darin verwurzelte Sozialdrama, welches dem Arthauskenner nicht verborgen bleiben dürfte.
„Wenn man stirbt, sieht man noch einmal sein ganzes Leben an einem vorbeiziehen. Scheiße, ich möchte mein Leben gar nicht sehen – und sterben will ich auch nicht. Verdammt, wie konnte es nur so weit kommen?“
Diese zu Herzen gehenden Worte erzählt uns Hauptfigur Alina (Alina Lina) aus dem Off, während wir ihren, bestimmt oftmals befleckten Körper, langsam aufgebend auf einer Wiese liegen sehen. Ihr kleiner Liebling, ein Kläffer, ganz nah bei ihr – aber auch ein Zombie, der gerade Billigfleisch aus der Tönniesfabrik von den Leibern sich-totstellender-„Schauspieler“ knabbert. Für die Einen ein alberner Amateurfilmmoment, der Cineast erkennt stattdessen die Sozialkritik: Fressen wir nicht alle, wie hirnlose Zombies, dass Massentierprodukt der Killerfabriken? Es geht immer um die Wurst – mit Sicherheit auch bei der blonden Alina-Schnalle, als die Gage verhandelt wurde.
„Zombie! Blut! Massaker!“
Auch diese, feinfühlig vorgetragenen Worte einer zarten Männerstimme, die wie geschaffen für einen Märchenonkel in der Kinderkrippe zu sein scheint, werden wir immer wieder aus dem Off hören. Eine Anspielung an den von Kritikern gefeierten Genreklassiker Zombies unter Kannibalen? (Zombie! Blut! Töten!) Oder Jochen Tauberts Gedanken zum Ukrainekri…äähh…Spezialoperationsdingsbums, bei dem russische Soldaten wie zombiefiziert den Befehlen ihrer Obrigkeit folgen und ein Blut-Massaker anrichten? Denkt mal drüber nach – da steckt definitiv mehr dahinter.
Doch dann – ein unerwarteter Sprung in die Vergangenheit – an den Tag, an dem das Unheil begann. Es geht schon schlimm los. Alina liegt allein auf ihrem Bett. Ein aufgeschlagenes Buch an ihrer Seite. Ein Drehbuch kann es nicht sein, da bin ich sicher. Denn hier ist alles voll real, da war mit Sicherheit kein Drehbuch vonnöten. Immerhin soll alles authentisch wirken und nicht gestellt wie im Hause Bethmann. Die letzten beiden Red Bull-Dosen liegen geleert neben ihr – ebenso wie der beste Freund einer Frau: Nein, nicht der Hund, der ist zwar auch da, aber ich meine Ihren Vibrator, der regungslos keinen Saft mehr besitzt (sie wird dieses im späteren Verlauf des Filmes tatsächlich noch feststellen – Kommentar: „Schon wieder durchgenudelt.“ – Kritik an der Volkskrankheit Sexsucht?). Alina möchte gern schlafen. Sie ist erschöpft. Vermutlich arbeitet die sexy Dame im horizontalen Gewerbe und hatte gerade ordentlich zu tun (ich erinnere an die 2 Energydrinks – auch dies ein kritischer Kommentar zur oft auftretenden, unbewussten Taurinsucht junger Menschen, um volle Leistung zu bringen). Doch geistig scheint sie damit unterfordert (weswegen uns Taubert andeutet, sie könne allen Ernstes lesen!) An Ruhe nach dem Beischlaf ist aber nicht zu denken. Schuld daran trägt nach ihrer Meinung aber nicht der flügelbeschaffende Energydrink, sondern die lauten Nachbarn nebenan. Ein Teufelskreis, der scheinbar zu Halluzinationen führt. Denn plötzlich redet ihr Stofftier (welches junge, alleinstehende Frauen selbstredend im Bett neben dem Sextoy liegen haben) mit der blonden Schönheit, die übrigens, ich vergaß es zu erwähnen, lediglich mit einem Stofffetzen, der rote Unterwäsche darstellen soll, bekleidet ist – auch hier der systemkritische Hinweis: Kleidung ist teuer und die Stütze oder Kohle vom Freier reicht vorne und vor allem hinten nicht für pobedeckende Baumwollunterwäsche. Das Kuscheltier, welches ausschaut, als habe der Rabe Socke mit Pingu dem Pinguin ein Arschgeburtskind zur Welt gebracht, meint jedenfalls, dass nebenan jemand Schmerzen haben muss, da so geschrien wird. Doch Alina kennt sich da besser aus: „Die poppen!„.
Recht soll die dralle Blondine behalten. Nebenan vergnügen sich ein schmieriger Typ und eine tätowierte Trulla bei zünftigem Vaginalsex und einem Glas Kleiner Feigling (damit ist nicht sein Glied gemeint, sondern der Schnaps). Wir erfahren, dass der Mann Ehebruch begeht. Eine Folge des Alkoholkonsums? Ich sag´s immer wieder: Systemkritik, man muss nur danach suchen.
Doch es kommt noch schlimmer für die junge Frau. Als es ihr endlich gelingt, einzuschlafen, schleicht sich ein Einbrecher in ihre Bude. Profi kann er nicht sein, denn er legt erstmal seine Knarre ab, um die kostbare Dollarzeichenkette zu bewundern, die er hier zu erbeuten gedenkt. Vermutlich möchte er seine halbverhungerten Kinder damit durchfüttern oder die lebensrettende Krebs-OP seiner Mutter bezahlen? Oder möglicherweise braucht auch er neue Unterwäsche? Wir wissen es nicht, doch steht ihm die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben. Als Alina erwacht, erschießt sie kurzerhand den Einbrecher mit seiner eigenen Tatwaffe, ohne ihn zu Wort kommen zu lassen. Ein kritischer Kommentar an die Generation Facebook, die auch immer erstmal Beschimpfungen und Hass ausstößt, wenn eine Artikelüberschrift dazu aufruft, ohne den Inhalt, die Hintergründe, zu kennen. Heutzutage wird erst geschossen, dann gefragt. Danke, Jochen Taubert, dass Du Dich traust, diese wichtigen Dinge anzusprechen.
Wer jetzt meint, der Tag könne nicht schlimmer werden (Alina ist kurzzeitig zumindest dieser Ansicht), der hat nicht mit der just ausgebrochenen Zombieapokalypse gerechnet. Plötzlich ist draußen die Hölle los. Die poppenden Nachbarn fallen den Zombies zum Opfer und infizieren sich ebenfalls. Die Tätowierte bekommt Hunger, beißt in einen Apfel und muss sich übergeben. Sie ist ein Zombie und braucht Blut und Massaker. Hier wieder ein Seitenhieb auf die Fleischindustrie, auf die der verwöhnte Bürger nicht verzichten möchte. An apple a day keeps the doctor away – Für die untoten Fleischfresser unter uns kommt diese Warnung zu spät. Beim nächsten Dönerladenbesuch vielleicht mal überdenken.
Was ich Euch hier so ausufernd geschildert habe, sind gerade einmal die ersten Minuten der gefeierten Sozialkritikstudie Nackt unter Zombies. Danach geht´s erst richtig los. Alina sorgt sich um ihren Bruder, der als Berufswahl Mönch gewählt hat – Sexarbeit scheint sich durch die Familie zu ziehen. Auch ihn begleiten wir. Regielegende Taubert gelingt es gekonnt, die beiden parallel ablaufenden Geschichten, geschickt gegen Ende zu verknüpfen (womit wir bei der kurzen Eröffnungsszene zurück sind). Doch zunächst bleibt Alina über Wochen eingesperrt daheim, spritzt sich Jod zum Schutz, bekommt Besuch ihres Arztes, der ihr das lebensrettende Medikament stehlen möchte und auch eine Freundin, die draußen unterwegs war ohne Maske und nun auch infiziert ist, schaut vorbei. Die Anspielung auf die deutsche Nachlässigkeit in Sachen Corona ist hier klar Erkennbar. Powered by Lauterbach. Kein Wunder, dass die Zombies hier ihre wirren Massakerparolen raushauen wie die Zombies auf den Coronademos. Mein verschimmelter Körper, meine Entscheidung.
Es gibt noch so viel zu entdecken im Epos Nackt unter Zombies, der zwar oberflächlich betrachtet ein grausam inszenierter Amateurfilm ist, bei dem Jochen Taubert und seine Kumpels sich an den drallen, gebuchten Damen beim Dreh erfreuen durften, ansonsten aber wohl hinter der Kamera mehr Kleinen Feigling konsumierten, als der Ernährungsberater rät. In Wirklichkeit aber wollten sich die Macher damit aber nur hereinversetzen in die gesellschaftlichen Schichten, die hier ihr Fett wegkriegen. Wer dies nicht sieht, wird die ersten 20 Minuten kaum überstehen, ohne den Kopf auf die Tischkante zu hauen (ich empfehle dabei den Kopf des Sitznachbarn, das tut weniger weh).
Die mir vorliegende Blu-ray verfügt über eine ordentliche Bildqualität (2,35:1 / 1080p) und deutschen Ton in DTS-HD 2.0. Im Bonusbereich gibt es ein kurzes Behind the Scenes, Blooper und eine Trailershow. Ein Wendecover ohne FSK-Flatschen ist vorhanden.
Amazon-Links: