2006 erlitt Mel Gibsons Karriere aus bekannten Gründen einen erheblichen Knacks. Doch der einstige Hollywoodstar raffte sich wieder auf, besuchte eine Entzugsklinik und ist mittlerweile trocken und wieder voll im Saft. Hollywood nimmt Mad Mel seine Eskapaden zwar noch immer Krumm, die Aussicht auf den finalen Lethal Weapon-Dreh nächstes Jahr zeugt aber von einer Art Begnadigung. Bis es so weit ist, verkürzt sich der Schauspieler und Regisseur sich die Zeit mit kleineren Filmen, die mal Hopp und mal Top sind. Dieser kleine Thriller, den SQUAREONE ENTERTAINMENT im Vertrieb von LEONINE STUDIOS nun bei uns veröffentlichte, gehört definitiv zu letzterer Kategorie. Ich verrate Euch, warum Ihr On the Line unbedingt eine Chance geben solltet.

Drehbuch & Regie: Romuald Boulanger

Darsteller: Mel Gibson, William Moseley, Alia Seror-O’Neill, Kevin Dillon, Paul Spera

Artikel von Christian Jürs

Nach seinem Absturz blieb Mel Gibson für ein halbes Jahrzehnt der Filmbranche fern, ein paar Credits als ausführender Produzent kleinerer Fernsehproduktionen mal außen vorgelassen. 2010 folgte dann die Rückkehr im sehenswerten Actionthriller Edge of Darkness, der hierzulande blödsinnigerweise als Auftrag Rache betitelt wurde und an der Kinokasse hinter den Erwartungen blieb. Fortan backte Gibson kleinere Brötchen, doch seine Auftritte in Filmen wie Der Biber, Get the Gringo und Bloodfather waren allesamt sehenswert. Selbst die durchaus mittelprächtigen Sequels The Expendables 3, Daddys Home 2 und Machete Kills wussten dank ihm ein wenig mehr zu gefallen.

In den letzten Jahren schien es allerdings schwieriger für den charismatischen Mimen zu werden, interessante Rollen zu ergattern. Zwar waren immer wieder kleine Juwelen wie Dragged Across Concrete, Boss Level und der Weihnachtsactionfilm Fatman darunter, doch trat Gibson, ganz in der Tradition eines Bruce Willis, nun auch vermehrt in Gurken wie Force of Nature, Agent Game oder Panama auf, um seinen Kontostand zu füllen. Immerhin, sein kurzes Gastspiel in der Actionkomödie Dangerous geriet durchaus selbstironisch und gar köstlich. Nun geht es aber scheinbar wieder bergauf. Auch wenn der kürzlich erschienene Last Looks nur mittelmäßig geriet, so sollen das Mark Wahlberg Vehikel Father Stu und der Krimi Bandit, in denen Gibson in kleineren Rollen mit dabei ist, durchaus sehenswert sein. Bevor er sich nun an die Arbeit macht, Richard Donners Vermächtnis mit dem finalen Lethal Weapon Film zu ehren, trat er in vorliegendem On the Line auf, den ich Euch hiermit ans Herz legen möchte.

Darin spielt Gibson den Late-Night-Radiomoderator Elvis Cooney, der, ganz Domian-like, den Telefonseelsorger für nächtliche Anrufer gibt. Er ist ein Dinosaurier im Business, der auf seine Internetpräsenz pfeift und dessen Quote daher allmählich in den Keller zu rutschen droht. Doch Cooney schert dies einen Dreck. Selbstbewusst macht er sich auch diese Nacht wieder ans Werk, zusammen mit seiner Assistentin Mary (Alia Seror-O’Neill) und seinem frisch angefangenen Praktikanten Dylan (William Moseley), den Anrufern ein offenes Ohr zu bieten. Allgemein gilt Elvis Cooney dabei als beliebt, lediglich sein Kollege Justin (Kevin Dillon), der den Sendeplatz vor seinem Kollegen besitzt, fürchtet die Konkurrenz seines Kollegen, was sich in lautstarken, verbalen Auseinandersetzungen äußert.

Die Livesendung hingegen verläuft harmonisch, zumindest bis zu dem Moment, an dem sich Anrufer Gary (Paul Spera) meldet. Der tritt ungewöhnlich aggressiv und gestresst auf, woraufhin er zunächst aus der Leitung gekickt wird. Doch Gary gibt nicht auf und meldet sich erneut, diesmal mit eindeutigen Drohungen auf den Lippen. Er kündigt an, bewaffnet in ein Gebäude einzudringen, um die dort lebenden Personen zu eliminieren. Während Mary und Dylan in Panik geraten, bleibt Elvis cool, bis, ja, bis sich herausstellt, dass sich Gary nicht irgendein Haus ausgesucht hat. Es ist das Zuhause des Moderators, in dem Frau und Kinder friedlich schlafen. Garys Forderung: die ungeteilte Aufmerksamkeit und Ehrlichkeit von Elvis, der hilflos vor dem Mikrofon versucht, dem Wahnsinnigen Einhalt zu gebieten. Doch das ist erst der Anfang einer nicht enden wollenden Horrornacht…

In den letzten Jahren durften Filmemacher ihre gelungenen Kurzfilme immer wieder zu abendfüllenden Spielfilmen aufblähen. Oftmals ging dies in die Hose, zuletzt bewies aber der Horrorfilm Smile, dass dieses Experiment auch durchaus glücken kann. Auch On the Line wurde von Regisseur und Drehbuchautor Romuald Boulanger zuvor in einer 25-minütigen Version unter dem Titel Talk realisiert, in der William Baldwin die Figur des Radiomoderators Elvis verkörperte. Ebenso wie Smile, weiss auch diese Langfilmvariante zu gefallen, auch wenn der ein- oder andere Plottwist ein wenig konstruiert daherkommt.

Apropos Plottwist: On the Line ist eine herzschlagbeschleunigende, atmosphärisch dichte Nummer geworden, die immer wieder mit neuen Wendungen überrascht. Dies hat zur Folge, dass der Film bei Erstsichtung wirklich famos unterhält, doch kennt man erstmal den Plot, dürfte eine Zweitsichtung deutlich langweiliger geraten. Dies sollte Euch aber nicht davon abhalten, zumindest einmal den Thriller in Euren Player zu werfen oder im Stream zu leihen, denn für einmalige Spannung ist definitiv gesorgt. Garniert mit einem bestens aufgelegten Mel Gibson, blieb ich, trotz später Sichtungsstunde, hellwach und hochkonzentriert vor der Glotze hängen. Ein toller, wenn auch einmaliger, Thrillerspaß mit einem großartig aufgelegten Mel Gibson.

Mir lag zur Sichtung die Blu-ray-Variante vor, die mit perfekter Bild- (2,39:1 / 1080p) und Tonqualität (Deutsch und Englisch DTS-HD Audio Master 5.1) aufwartet. Als Extras gibt es Trailer und ein kleines Making Of, sowie ein Wendecover ohne FSK-Flatschen. Die Kurzfilmversion ist leider nicht enthalten.

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