Der Tall Man kann ab sofort seine mörderischen Spheres, die Kugeln mit den Klingen vorne dran, in besonders scharfer Variante einsetzen. Dieses hat der Bösewicht aus einer anderen Dimension PLAION PICTURES zu verdanken, die den Kultfilm nun erstmals auch als 4K UHD-Weltpremiere auf den Markt gebracht haben. Damals verboten, wurden Beschlagnahmung und Indizierung vor sechs Jahren aufgehoben und die surreale Gruselmär von der Freiwilligen Selbstkontrolle realistisch mit einer 16er Freigabe eingestuft. Ich habe Mike, Jody und Reggie nochmals begleitet bei ihrem Kampf gegen den fiesen Leichendieb.

Originaltitel: Phantasm

Drehbuch und Regie: Don Coscarelli

Darsteller: A. Michael Baldwin, Reggie Bannister, Bill Thornbury, Angus Scrimm, Susan Harper

Artikel von Christian Jürs

Als ich in den frühen Neunzigern auf Das Böse (so der alte, deutsche Titel) stieß, gab es von dem Film nur noch ein gekürztes FSK 16 Band der Firma Screen Time, einem Unterlabel von VCL, in den Videothekenregalen zu finden. Die ungekürzte Kassette aus dem Hause Constantin Video war gerade beschlagnahmt worden wegen angeblicher Gewaltverherrlichung. Ja, liebe Kinder, damals waren gekürzte Fassungen gang und gäbe in Deutschland. Wir Horrorfans hatten es halt nicht leicht. Bei einem Videoabend mit Freunden sollte sich also zünftig gegruselt werden (den Splatteraspekt hatten wir wegen der Zensurkürzungen bereits vorab über Bord geworfen). Doch die Bande Halbstarker, die vor dem Röhrenfernseher Platz nahm, wurde mächtig enttäuscht. Statt des erhofften Grusels machte sich bei uns gepflegte Langeweile breit. Waren wir noch nicht reif genug für den Film? Oder war der als Kultfilm angepriesene Phantasm – Das Böse wirklich einfach nur öde? Immerhin wurden die Teile 2 und 3 von uns damals als Splattergranaten gefeiert (auch wenn insbesondere von Teil 2 einst nicht viel übrig war nach der MPAA- und anschließenden FSK-Rasur). Dafür waren diese beiden Sequels temporeich. Etwas, was man vom Erstling nicht behaupten kann.

Vor sechs Jahren hatten die Verleiher Black Hill Pictures und die damals noch unter dem Namen Koch Media agierenden Plaion Pictures dann einen Grund zum Feiern, als es ihnen gelang, Phantasm – Das Böse gerichtlich frei zu boxen und nach erneuter FSK-Prüfung den Horrorfilm rehabilitiert und ungekürzt ab 16 Jahren veröffentlichen zu können. Damals war es an der Zeit, dem Film eine erneute Chance zu geben. Immerhin war ein viertel Jahrhundert seit der Erstsichtung vergangen und Geschmäcker ändern sich ja bekanntlich im Laufe eines Lebens mehrfach (deshalb schaut auch vermutlich keiner von Euch mehr Das Sandmännchen). Bei der Auffrischungssichtung war der Aha-Effekt groß, denn plötzlich wusste ich die gelungene Atmosphäre, die durch den genialen Soundtrack nur noch verstärkt wurde, zu schätzen. Im Jahr 2023, jetzt in Ultra-HD, hat sich dieser Eindruck nur noch mehr gefestigt.

Zum Filmstart wohnen wir einer Beischlafgelegenheit im Freien bei. Tommy (Bill Cone) und eine barbusige Blondine (Kathy Lester) spielen Hoppe, Hoppe, Reiter… wenn sie zusticht, dann schreit er. Und so rammt die hübsche Blonde dem Rotzbremsenträger ein Messer in den Wanst. Anschließend zeigt sie ihr wahres Gesicht, welches weit weniger erotisch wirkt. Denn hinter ihrer magischen Maskerade verbirgt sich der Tall Man (Angus Scrimm), eine gruselige Gestalt, die uns das Fürchten lehrt. Jetzt mag jeder für sich entscheiden was schlimmer ist: Von einer Blondine erstochen- oder vom Tall Man gevögelt zu werden. Ich schwanke noch.

Nach dieser, für einen ehemaligen verbotenen Film, recht unblutigen Hinrichtung, lernen wir unsere Hauptcharaktere kennen. Da wäre der junge Mike (A. Michael Baldwin), der seine Eltern verloren hat und dem nur noch sein großer Bruder Jody (Bill Thornbury) als Bezugsperson bleibt. Da der Junge unter ständiger Verlustangst leidet, folgt Mike seinem Bruder auf die Beerdigung des Eröffnungsszenenopfers Tommy. Dort treffen wir auch auf einen weiteren, wichtigen Charakter: Jodys besten Freund Reggie (Reggie Bannister). Die beiden unterhalten sich sogleich über den angeblichen Selbstmord ihres Freundes. Schon komisch, mit offener Hose und Messer im Bauch enden Selbstmörder doch eher selten. Durch Zufall entdeckt Mike, dass der Tall Man den Sarg samt Leiche entwendet. Er folgt dem Bösewicht bis in ein Mausoleum, welches von fliegenden Kugeln mit messerscharfen Messern, sogenannten Spheres, bewacht wird. Dort verfrachtet der Tall Man die Leichen, die er auf Zwergengröße zurecht schrumpft, durch ein Dimensionstor. In der dahinterliegenden Welt, einem roten Planeten (Mars? Snickers?), arbeiten die armen Teufel fortan als Sklaven.

Zurück bei Jody und Reggie berichtet der verschreckte Junge von soeben Erlebten. Die Drei beschließen daraufhin, dem Grauen ein Ende zu setzen. Doch der Tall Man, seine Zwergensklaven und die mörderischen Kugeln lassen sich nicht so leicht besiegen und so werden die Jäger zu Gejagten.

Gleich vorab, dass klingt alles spannender, als es sich in der Realität darstellt. Phantasm – Das Böse lässt sich enorm viel Zeit, um seine Figuren einzuführen. So dürfen wir zwischendurch Jody und Reggie beim Musizieren beiwohnen, was wahrlich nicht als Suspense zu bezeichnen ist. Ich konnte sehr schnell nachvollziehen, warum mich dieser einst verbotene Schocker damals langweilte. Von Gewalt ist über weite Strecken keine Spur. Für ein Splatterkiddie wie mich und meine Freunde war der Film damals unerträglich lahm. Damals, denn heute sehe ich den Film mit völlig anderen Augen. Klar, wirklich Spannung kommt nur selten auf, doch Atmosphäre und Erzählweise, die ein typisches Spätsiebziger Flair tragen, zogen mich im gereifteren Alter schnell in ihren Bann. Auch der geniale Soundtrack von Fred Myrow und Malcolm Seagrave lullt den Zuschauer in die schaurige Atmosphäre gekonnt ein. Das Main Theme wird man so schnell nicht wieder los. Heute langweile ich mich, trotz gemäßigtem Erzähltempo, zu keinem Zeitpunkt bei Phantasm – Das Böse, aber der Film muss wahrhaft in einem reifen, wie ein guter Wein. Schnelle Splatterkost ist hier nicht angesagt, sondern teils psychedelisches Kopfkino, welches am Ende Raum zur Interpretation lässt – zumindest, wenn man den Film als eigenständiges Werk betrachtet und die Fortsetzungen außer Acht lässt. Wem das Erzähltempo hier zu langsam ist, dem sei gesagt, dass Don Coscarellis erste Schnittfassung mit 180 Minuten Laufzeit noch doppelt so lang war.

Die Beschlagnahme war wie so oft ein schlechter Witz. Nur wenige, meist kurze, Splatterszenen gibt es zu bestaunen. Tatsächlich war es wohl die Aussage von Jody an seinen kleinen Bruder, er müsse, wenn er seine Waffe benutzt, schießen, um zu töten, die den heimischen Zensoren sauer aufstieß.

Das neue Mediabook aus dem Hause Plaion Pictures lässt keine Wünsche offen. Bei der Bild- und Tonqualität hat sich das Label selbst übertroffen. So scharf konnte man die Spheres noch nie über den Bildschirm fliegen sehen. Der 5.1 Upmix im DTS HD Format klingt auch hervorragend. Man mag kaum glauben, dass wir es hier mit einem Independentfilm aus den späten Siebzigern zu tun haben. Auch im Bonusbereich bietet diese Veröffentlichung das volle Programm. So gibt es einen Audiokommentar von Don Coscarelli, A. Michael Baldwin, Angus Scrimm und Bill Thornbury, Interviews mit Don Coscarelli und Angus Scrimm, einen Convention Auftritt des Tall Man, Deleted Scenes, Home Movies, eine Bildergalerie, die deutsche Super-8-Fassung und viele weitere Featurettes. Im Innenteil befindet sich ein ausführliches, gut geschriebenes Booklet von Christoph Huber als Sahnehäubchen.

Kleiner Film, ganz groß. Phantasm – Das Böse kommt aufwendig restauriert und mit Tonnen an Bonusmaterial daher. Retro-Horrorfans kommen an dieser tollen Edition des originellen Low Budget-Streifens nicht vorbei. Ein Splatterfest sollte man allerdings nicht erwarten, mehr ein surreales Kleinod aus den späten Siebzigern. Kauf-Tipp meinerseits!

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