Hier ist er, der zweite Giallo von Dario Argento, dem PLAION PICTURES kürzlich eine schmucke Special Edition kredenzte. Früher viel zu hart für die FSK, blieb dem Film eine Kinoauswertung aufgrund massiver Zensuren hierzulande leider verwehrt. Dafür könnt Ihr Argentos erste und auch seine beste Interpretation der legendären Phantom der Oper-Geschichte von Gaston Leroux nun in gestochen scharfem 4K UHD genießen. Wem das an Schärfe nicht ausreicht, der kann sich ja spitze Nadeln unter die Augenlider kleben. Aber ich versichere Euch, der Film ist bereits Nervenkitzel genug. Und die Edition selbst? Nun, die ist ein Träumchen für jeden Sammler.

Alter deutscher Titel: Terror in der Oper

Regie: Dario Argento

Darsteller: Cristina Marsillach, Ian Charleson, Daria Nicolodi, Urbano Barberini, Coralina Cataldi-Tassoni

Artikel von Christian Jürs

1998 inszenierte Dario Argento die klassische Geschichte von Das Phantom der Oper mit leichten Abweichungen von der Originalgeschichte. So wies Julian Sands als titelgebendes Monster keinerlei Verunstaltungen auf und trug auch keine Maske. Es war ein eher künstlerischer Ansatz der Geschichte, der nur wenig Horror zu bieten hatte, was die Fans von Dario Argento enttäuschte. Auch ich kann mich daran erinnern, dass der sehnsüchtig aus der Videothek entliehene Streifen mich eher langweilte als faszinierte.

Drehen wir die Uhr doch einfach einmal elf Jahre zurück, als der gute Dario noch als Meister des Giallo galt. Kein Wunder, feierten seine Fans doch zurecht Filme wie Profondo Rosso, Tenebrae und Phenomena als sensationelle, atmosphärische Horrorschocker, in denen ein unbekannter Täter auf Opfersuche (meist weiblich) geht. Sein Talent erkannten auch die Verleihfirmen und so wurde Opera, der bei uns damals noch Terror in der Oper hieß, international von Orion Pictures ausgewertet. Natürlich brachte diese große Form der Vermarktung auch Probleme mit sich. So verlangte das Studio von Argento, er solle seine End-Szene, die in den Alpen spielt, aus dem Film entfernen, da sie einen Bruch zum Rest der Handlung darstellte. Doch was ein Regisseur mit Leidenschaft ist, der kämpft für sein Werk – und setzt sich letztendlich, wie hier geschehen, durch. Laut Argento selbst ist Opera sein persönlicher Lieblingsfilm, da all sein Filmwissen in diese Arbeit hineinfloss. Ich teile diese Meinung zwar nicht so ganz, da mir andere seiner Werke mehr am Herzen liegen (Suspiria!!!!), seine Leidenschaft für diesen Film spürt man aber zu jeder Filmminute und das Teil ist schon ein echtes Brett inszenatorischer Raffinesse. Eine Eigenschaft, die Dario Argento mit allen Folgewerken nach und nach immer mehr verlor.

Die Premiere einer großen Inszenierung von Giuseppe Verdis Oper „Macbeth“ steht im legendären Teatro Regio in Parma an, als die divenhafte Hauptdarstellerin bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt wird. Für die junge Betty (Cristina Marsillach) bedeutet dieses Unglück einen Segen, da sie als Zweitbesetzung nun ihre große Chance bekommt. Doch die junge Frau ist verunsichert, ob ihre junge Stimme bereits kräftig genug für die Rolle der Lady Macbeth sei. Dank der mutmachenden Worte von Regisseur Marco (Ian Charleson) und ihrer Managerin Mira (Daria Nicolodi), fast sie sich aber ein Herz und bestreitet einen sensationellen Auftritt. Doch die Show verläuft nicht ohne Zwischenfälle und ein Bühnenarbeiter kommt ums Leben. Es stellt sich heraus, dass der Mann ermordet wurde. Da Betty zusätzlich Drohanrufe von einem Unbekannten erhält, versucht der ermittelnde Inspektor Alan Santini (Urbano Baberini), die junge Frau zu beschützen, jedoch mit wenig Erfolg. Fortan sterben immer mehr Menschen in Bettys Umkreis auf brutale Art und Weise. Doch bevor der Mörder seine Taten begeht, überwältigt er die junge Opernsängerin, fesselt sie und zwingt sie mit an den unteren Augenlidern festgeklebten, spitzen Nadeln dazu, seine Taten zu beobachten.

Opera aka Terror in der Oper ist eine visuelle Wundertüte durch und durch. Ob wir den Lauf einer Kugel durch einen Türspion hindurch gefilmt sehen oder die subjektive Sicht Bettys, die gerade mit Nadeln vor den Augen einen Mord beobachten muss, Dario Argentos Enthusiasmus blühte hier nochmal so richtig auf, auch, weil der Mann offensichtlich ein großer Opern-Fan ist und sich mit diesem Horrorfilm einen Traum erfüllen konnte. Besonders hervorzuheben sind auch die Aufnahmen im Finale, wenn sich Scharen von Raben auf Tätersuche im Saal des Teatro Regio begeben und die Kamera deren Sicht einnimmt – Jahrzehnte vor der ersten Drohnenaufnahme. Genial auch die musikalische Untermalung. Hier reichen sich die Opernklänge von Macbeth, die Soundtracks von Claudio Simonetti (sein Titeltrack „Opera“ ist einfach zauberhaft), die Musik von Brian und Roger Eno und harte Rocksongs, die immer wieder eingesetzt werden, wenn Betty vom maskierten Killer verfolgt wird, die Hand. Dass man Argento, zu einer Zeit, als das italienische Kino als tot galt, stolze 8 Millionen Dollar zur Verfügung stellte um seinen Opern-(Alb-)Traum zu verwirklichen, ist so erstaunlich wie gerechtfertigt gewesen. So wurde Opera das letzte Meisterwerk für Giallo-Fans von Dario Argento. Alles, was danach kam, war zwar auch oftmals sehr unterhaltsam (Sleepless), die hier vorhandene Qualität erreichte der einstige Meisterregisseur aber bis heute niemals wieder.

Dafür gelang Plaion Pictures, ebenso wie beim bereits an dieser Stelle besprochenen Vier Fliegen auf grauem Samt, mit dieser Special Edition mal wieder ein kleines Meisterwerk. Öffnet man den stabilen Verpackungskarton, entdeckt man zunächst ein 20-seitiges Booklet, verfasst von Leonhard Elias Lemke, ein Filmposter und 4 Artcards. Darunter befindet sich das 5 Disc-Digipak. Auf je einer 4K UHD-Scheibe findet man den Hauptfilm, einmal als kürzere Exportversion und ungekürzte Originalfassung, die 12 Minuten mehr bietet und entsprechende Szenen im italienischen Original mit deutschen Untertiteln beinhaltet. Diese Version verfügt zudem über einen Audiokommentar von Markus Stiglegger und Kai Naumann. Auf zwei weiteren Blu-rays gibt es ebenfalls beide Versionen, einmal im Scope-Format (2,35:1) und einmal im beinahe-Vollbild (1,78:1). Die fünfte Scheibe ist eine prall gefüllte Bonusdisc mit mehr als einem Dutzend Featurettes von Plaion Pictures (aka Koch Media/Films), sowie dem Musikvideo zum großartigen Song „Opera“ in zwei Versionen, wobei man gestehen muss, dass keine der beiden ein Kandidat für die Video Music Awards gewesen wäre. Außerdem gibt es noch Trailer und Bildergalerien. Bild- und Tonqualität des Hauptfilms sind, vor allem auf den 4K UHD-Scheiben, ebenfalls fantastisch. Da wurde Plaion Pictures wirklich vom Engel der Muse geküsst.

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