Auf mittlerweile acht Filme bringt es die Mario Bava Collectors Edition-Reihe aus dem Hause PLAION PICTURES. Diesmal allerdings heißt es Bava-light, denn eigentlich führte Riccardo Freda Regie. Der hatte die Aufgabe auferlegt bekommen, den Film hastig in zwölf Tagen herunterzukurbeln. Als Freda am zehnten Tag merkte, dass er diesen Zeitplan nicht einhalten konnte, überwarf er sich mit den Produzenten und schmiss das Handtuch. Glück für Bava, der somit vom Kameramann zum Regisseur befördert wurde. Somit gebührt ihm der Credit für die Regie des ersten italienischen Horrorfilms der Nachkriegszeit zu immerhin 50 Prozent. Allein deshalb schon gehört der Film in das Regal der Cineasten unter Euch. Aber lohnt sich der Grusler auch für Zuschauer, denen Filmhistorie am „Ihr-wisst-schon-wo“ vorbeigeht?

Regie: Riccarda Freda, Mario Bava

Darsteller: Gianna Maria Canale, Carlo D´Angelo, Paul Muller, Dario Michaelis

Artikel von Christian Jürs

Hallo, hier spricht Edgar Wallace!“ – Diese Worte erklingen zwar nicht am Anfang von Der Vampir von Notre Dame, ein wenig erinnert der Film aber schon an die alten, etwas angestaubten Rialto-Film Klassiker. Wenn dann in der ersten Szene eine Frauenleiche aus der Themse…ääääh…Seine gefischt wird, dann vermutet man Das Gasthaus an der Themse nicht weit entfernt. Doch von Klaus Kinski, Joachim Fuchsberger und dem an den Nerven zerrenden Eddi Arent fehlt jede Spur.

Doch auch die Leiche weist einen gewaltigen Unterschied zu denen aus einem Wallace-Krimi auf: Ihr Körper ist vollkommen blutleer. Leider kein Einzelfall und daher ein gefundenes Fressen für die Presse, die von den rätselhaften „Vampirmorden“ berichtet. Ganz vorne bei der Berichterstattung mit dabei ist der Sensationsreporter Pierre Lantin (Dario Michaelis), der den Fall ausschlachtet, wo er nur kann. Doch ebenso wie dem ermittelnden Inspektor Santel (Carlo D´Angelo), bleiben auch für ihn weitere Hinweise zunächst aus und das Tatmotiv schleierhaft. Die Erkenntnis, dass alle ermordeten Frauen die gleiche Blutgruppe hatten, bringt weder die Polizei noch den Reporter weiter bei den Ermittlungen. Aus diesem Grund wird Lantin eine neue Aufgabe zugeteilt, eine Berichterstattung über die High Society – etwas, auf das die journalistische Spürnase keinerlei Lust verspürt.

Hierfür soll er sich auf einen Ball im Schloss der greisen Gräfin Marguerite du Grand (Gianna Maria Canale) begeben. Deren wunderschöne Nichte Giselle (ebenfalls Gianna Maria Canale) macht dem Journalisten regelmäßig schöne Augen. Doch den Annäherungsversuchen entzieht er sich, wie James Bond denen von Sekretärin Moneypenny. Stattdessen entflammt sein Herz für Lorette (Wandisa Guida), die er bei seinen Ermittlungen kennenlernt und die eine mögliche Zeugin sein könnte. Doch das Mädchen verschwindet spurlos. Lantin dünkt, dass sie in Lebensgefahr schweben könnte. Damit hat er natürlich recht, denn sie wurde auf das Schloss der Gräfin verschleppt, wo deren Cousin, Professor Julien du Grand (Antoine Balpêtré) schreckliche Experimente mit den verschwundenen, jungen Damen anstellt. Ihm ist es dabei gelungen, den Alterungsprozess, zumindest temporär, umzukehren, damit die Gräfin ein sehr langes, glückliches Leben führen kann.

Man muss kein Hellseher sein, um herauszufinden, dass die Gräfin und ihre Nichte ein und dieselbe Person sind. Wir haben hier eine Variation der Geschichte der Gräfin Báthory, die gerne in Jungfrauenblut badete, um dadurch ewige Jugend zu erlangen. Viele Filme wurden ihr gewidmet, wie die Historienverfilmungen Bathory – Die Blutgräfin aus dem Jahr 2008 oder der ein Jahr später entstandene Film Die Gräfin, in der Julie Delpy (Before Sunrise) in diese Rolle schlüpfte. Natürlich widmete sich auch der Horrorfilm der makabren Geschichte. Das bekannteste Beispiel dürfte der Hammer Studios-Streifen Comtesse des Grauens mit Ingrid Pitt sein.

Anno 1957 in Italien verfrachtete man ebenfalls die Geschichte in einen Horrorfilm. Es sollte der erste italienische Gruselfilm der Nachkriegszeit werden und so recht schien man sich dem Genre nicht verschreiben wollen, weswegen Der Vampir von Notre Dame über weite Strecken, wie eingangs erwähnt, eher wie ein konventioneller Krimi wirkt. Die Regie übernahm Riccarda Freda, der die Auflage bekam, den Film in nur zwölf Tagen herunterzukurbeln. Als Kameramann wurde Mario Bava verpflichtet. Gedreht wurde allerdings nicht in Paris (lediglich ein paar Stock-Footage-Aufnahmen stammen aus der Stadt der Liebe), sondern in den Titanus Studios in Rom.

Freda war allerdings seiner Aufgabe, den Film in Windeseile fetigzustellen, überfordert und überwarf sich nach immerhin zehn Drehtagen mit den Produzenten. Glück für Mario Bava, der damit eine Beförderung zum Regisseur erhielt und den Film innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens fertigstellte. Damit bewies er nicht nur Effektivität, er konnte sich auch in der gothischen Kulisse des Schlosses, in dem die schrecklichen Experimente stattfinden, austoben. Zwar verfügt Der Vampir von Notre Dame nur selten über Horrormotive und schon gar keinen Blutsauger im eigentlichen Sinne, dafür sind diese wenigen Momente außerordentlich gut gelungen und die Verwandlungsszenen der Gräfin, die ohne Schnitt altert, auch heute noch erstaunlich gut gelungen. Die Kameraarbeit Bavas, die gerne mit Licht und Schatten spielt, ist ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Insgesamt ein wunderbares Zeitdokument, welches zwar nicht an seine späteren Klassiker heranragen kann, aber durchaus sehenswert.

Natürlich ist die Veröffentlichung von Plaion Pictures mal wieder ein Träumchen. Diese enthält gleich drei Filmfassungen. Die italienische, ungekürzte Fassung ist ebenso vorhanden wie die gestraffte deutsche Version. Beide Fassungen unterscheiden sich aber deutlich von der US-Version, die etliche Handlungsszenen missen lässt, dafür aber nachgedrehte Gruselszenen präsentiert. Gleich in den ersten Minuten, in denen wir Zeuge des Mordes an der kurz darauf aus der Seine gefischten Frau werden, fragte ich mich, ob ich bei der Sichtung der anderen Versionen nicht aufmerksam geschaut hatte, ehe ich bemerkte, dass hier die Amis eigene Kreativität walten ließen. Qualitativ hinkt diese Version den anderen beiden Fassungen ein kleines Stück hinterher.

Generell muss man aber erstaunt feststellen, wie gut Bild- und Tonqualität, trotz des hohen Alters, restauriert worden sind. Im Bonusbereich befinden sich außerdem ein Audiokommentar bei der deutschen Fassung (Christian Kessler und Dr. Marcus Stiglegger) und einer bei der US-Version (Tim Lucas). Außerdem gibt es Trailer, eine Einleitung von Schauspieler Paul Muller, sowie eine Dokumentation über den werten Herrn (72 Minuten), eine Bildergalerie und weitere Featurettes. Ein 24-seitiges Booklet, verfasst von Stefan Jung, liegt dem Digipack ebenfalls bei.

Auch der achte Beitrag der Mario Bava Collection ist wieder ein edles Sammlerstück. Zwar hinkt der Film Klassikern wie Die drei Gesichter der Furcht hinterher, Ins heimische Regal gehört diese Veröffentlichung aber trotzdem. Hoffentlich ist damit noch nicht das Ende der Reihe erreicht.

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