„Zwischen TITANE und FAST & FURIOUS„. Mit diesem IndieWire-Zitat wirbt das Cover des französischen Dramas RODEO (2022). Doch der Film, der einen Einblick in die von Männern dominierte Welt der Motorradartisten und „Urban Rodeos“ gewährt, hat weder sonderlich viel mit dem experimentellen Cannes-Gewinner aus dem Jahr 2021, noch mit der von Vin Diesel angeführten Materialschlacht zu tun. Stattdessen handelt es sich um ein kleines Charakterportrait, das sich um Anerkennung und die Sehnsucht nach Freiheit dreht. Plaion Pictures veröffentlicht den Gewinner der Cannes-Sektion „Un Certrain Regard“ demnächst im Heimkino. Ob sich der Kauf lohnt erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Rodéo

Drehbuch: Lola Quivoron, Antonia Buresi

Regie: Lola Quivoron

Darsteller: Julie Ledru, Yannis Lafki, Antonia Buresi, Cody Schroeder, Louis Sotton, Junior Correia…

Artikel von Christopher Feldmann

Handlung:

Angetrieben von ihrem unbändigen Verlangen nach Freiheit gerät die hitzköpfige Julia (Julie Ledru) in den Bann der illegalen „Rodeos“ – Motorradtreffs, bei denen die wagemutigen Fahrer ihr Können mit halsbrecherischen Stunts und irren Mutproben unter Beweis stellen. Beim Versuch, sich in der rauen und ultramaskulinen Welt der „Rodeos“ zu bewähren, begibt sich Julia immer tiefer in die Fänge dieser faszinierenden wie gefährlichen Parallelgesellschaft.

Das Motorrad hat seit jeher eine Symbolfunktion im Hinblick auf persönliche Freiheit. Spätestens seit Dennis Hoppers Kultklassiker EASY RIDER (1969), in dem der Regisseur und Hauptdarsteller gemeinsam mit Peter Fonda über die amerikanischen Highways brauste, ist das Fahren auf dem motorisierten Zweirad nicht nur ein Inbegriff der Gegenkultur, sondern auch eine Flucht aus den Zwängen des eigenen Alltags. Auch Regisseurin Lola Quivoron beschäftigt sich in ihrem Debüt RODEO (2022) mit diesen Themen und lässt ihre Protagonistin in die Welt der Biker eintauchen, stets auf der Suche nach einem Platz und Anerkennung.

Die Geschichte dreht sich um „Julia“, eine Außenseiterin, stets von persönlichen Problemen gebeutelt und immer wieder in Konfrontation mit anderen Menschen. Warum sich derart viel Aggression in ihr angestaut und welches Schicksal sie vielleicht in der Vergangenheit ereilte, lässt der Film bewusst offen. Viel mehr erzählt er die Geschichte einer jungen, starken Frau, die in eine von Männern dominierte Gesellschaft eindringt und diese in gewisser Art und Weise für sich beansprucht, nur um auf Ablehnung zu stoßen. Mit ihrem Talent für Diebstähle und ihrem durchsetzungsstarken Wesen erarbeitet sie sich nach und nach Respekt, sehr zum Leidwesen mancher Rivalen. Auch freundet sie sich mit der Ehefrau des im Gefängnis sitzenden Bandenchefs an, was natürlich reichlich Konfliktpotenzial birgt. Quivoron schafft somit eine Symbiose aus Charakterportrait, Coming-of-Age-Story und Milieustudie, denn im Fokus stehen natürlich die sogenannten „Urban Rodeos“, bei denen sich junge Motorradfahrer zu illegalen Rennen treffen und auch ihre fast schon artistischen Künste auf dem Bock performen. Ein spannende Subkultur, die aber gerade im letzten Drittel etwas zu viel Raum einnimmt. Wie in der Einleitung bereits erwähnt, hat RODEO natürlich reichlich wenig mit dem zu tun, was die FAST&FURIOUS-Filme auszeichnet, dennoch weißt das französische Drama kleine Parallelen zum ersten Teil der Blockbuster-Reihe auf, wenn „Julia“ und ihre Crew Raubzüge durchführen. Nur klauen sie natürlich keine DVD-Player, sondern Motorräder.

So spielt der Film gen Ende mit Elementen des Heistfilms, was ein wenig auf Kosten der Figuren geht. Und wenn man Kritik am Film üben möchte, dann vielleicht weil die Regisseurin und Drehbuchautorin sich bei bekannten Tropes bedient und RODEO in gewissen Punkten ein wenig repetitiv ist, was bedeutet, dass sich bestimmte Situationen wiederholen, ohne dass die eigentliche Geschichte weiter vorangetrieben wird. Das ist aber gar kein so großer Minuspunkt, da die Darsteller einen wirklich fantastischen Job machen und es sich bei ihnen größtenteils aus Laien handelt, die aus der Szene rekrutiert wurden, was dem Ganzen natürlich einen gewissen dokumentarischen Charakter verleiht. Allein Hauptdarstellerin Julie Ledru, die von Lola Quivoron über Instagram entdeckt wurde, ist eine wahre Wucht und dermaßen ausdrucksstark, dass eine Vorgeschichte zur Figur gar nicht nötig ist, erzählt ihr etwas muffiger und von Schmerz erfüllter Gesichtsausdruck alleine ganze Geschichten.

Inszenatorisch hat Quivoron auch ihre Hausaufgaben gemacht. RODEO sieht blendend aus und profitiert vom dokumentarischen Stil, bei dem die Kamera immer nah an den Figuren klebt. Auch die Welt der „Urban Rodeos“ wirkt lebendig und authentisch und es ist ersichtlich, dass sich die Regisseurin eingehend mit ihr beschäftigt hat. Ein Augenschmaus sind aber indes die Motorradszenen, in denen waghalsige Manöver performt werden, die dem Zuschauer schnell die Schweißperlen auf die Stirn treiben können. Auch im Schlussakt gibt es etwas Action, die auf einem flammenden Schlusspunkt endet, ein Bild, das im Gedächtnis bleibt. Das ist effektiv, wenn auch ein wenig dick aufgetragen.

Plaion Pictures veröffentlicht den Film demnächst als Blu-ray, DVD, sowie als Digitalversion im Heimkino. Die Blu-ray, die uns zur Sichtung vorlag, überzeugt mit bester Bild- und Tonqualität. Gerade das bewusst gewählte Filmkorn kommt sehr gut zur Geltung. Als Bonus gibt es lediglich den Trailer.

Fazit:

RODEO (2022) ist Coming-of-Age-Drama, Milieustudie und Heistfilm in einem aber vor allem eine Geschichte über eine unangepasste, weibliche Persönlichkeit, die sich in einer Männerdomäne behauptet, garniert mit spektakulären Motorradmanövern. Auch wenn erzählerisch nicht Alles wie aus einem Guss wirkt, ist der Film Freunden des französischen Kinos durchaus zu empfehlen.

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