Die Medienhuren werden um eine Rubrik reicher, denn heute startet mit „Best Worst Sequels“ ein neues, fortlaufendes Special, in der wir uns in die Untiefen der Fortsetzungskultur begeben. Vergessene Sequels und aus Profitgier auf den Heimkinomarkt geworfene Straight-to-DVD-Nachzügler einst großer Erfolge stehen auf dem Plan und wir beginnen in der ersten Ausgabe mit einem echten Guilty Pleasure. Ganze sechs Jahre nach dem Welterfolg des Milieudramas und Discofilms SATURDAY NIGHT FEVER (1977) schwang Hollywoodstar John Travolta ein weiteres Mal das Tanzbein, nur dieses Mal ohne den gesellschafts- und sozialkritischen Aspekt und dafür mit ganz viel 80’s-Seifenoper und Tanzszenen, die einem homoerotischen Fiebertraum gleichen, inszeniert von dem Mann, dessen Name wie kein zweiter für Rhythmusgefühl und filigrane Choreographien steht, nämlich Sylvester Stallone! Vorhang auf für eines der wahnwitzigsten und auch merkwürdigsten Sequels überhaupt, Vorhang auf für STAYING ALIVE (1983)!

Originaltitel: Staying Alive

Drehbuch: Sylvester Stallone, Norman Wexler

Regie: Sylvester Stallone

Darsteller: John Travolta, Cynthia Rhodes, Finola Hughes, Steve Inwood, Julie Bovasso, Frank Stallone, Kurtwood Smith…

Artikel von Christopher Feldmann

Bevor er mit dem Filmmusicalhit GREASE (1978) endgültig zu Ruhm und Ehren fand, landete John Travolta bereits ein Jahr zuvor einen großen Erfolg an den Kinokassen. SATURDAY NIGHT FEVER (1977), der hierzulande unter dem Titel NUR SAMSTAG NACHT erschien, ist im Grunde genommen eine sozial- und gesellschaftskritische Milieustudie um einen einfachen und in bescheidenen Verhältnissen lebenden Angestellten, der sich am Wochenende auf die Tanzfläche der Discotheken flüchtet. Das Drama fand besonders durch seine Tanzszenen und den Soundtrack der Bee Gees, der sich bis heute über geschlagene 22 Millionen Mal verkaufte, großen Anklang und wurde Teil der Popkultur. Wer heute an die 1970er Jahre oder den Begriff „Disco“ denkt, hat automatisch das Bild von Travolta im weißen Anzug im Kopf. Dass es sich bei dem Film wie gesagt nicht um einen klassischen Tanzfilm, sondern um ein ernstes Drama handelt, wird dabei gerne vergessen, woran wahrscheinlich auch Paramount Pictures eine Mitschuld trägt, veröffentlichte das Studio doch 1978 eine entschärfte Version, in der sozialkritische Aspekte wie auch eine Vergewaltigungsszene fehlten, um dank eines daraus resultierenden PG-Ratings nochmal Kasse zu machen und die stimmte am Ende ganz gewaltig, konnte der von John Badham inszenierte Film doch weit über 200 Millionen US-Dollar einspielen.

Ein Erfolg, den man ganze sechs Jahre später (als die 70’s-Discowelle schon von der Musikclipästhetik und den Synthieklängen der 1980er Jahre ersetzt worden war) zu wiederholen versuchte, nur dass sich die Geschichte nicht auf den Tanzflächen, sondern auf der Broadwaybühne abspielte. John Travolta kehrte zurück und auf dem Regiestuhl nahm niemand geringeres als Sylvester Stallone Platz, der mit STAYING ALIVE (1983) seinen ersten und auch einzigen Tanzfilm inszenieren sollte. Aus dieser sonderbar klingenden Mixtur entwuchs ein echtes Kuriosum, denn das Sequel, dessen Titel natürlich den Welthit der Bee Gees aufgreift, verzichtet auf jeglichen dramatischen oder sozialkritischen Unterbau und ist eine simple Schmonzette voller weirder Szenen, sowie greller und sonderbarer Performances.

Handlung:

Noch immer ist es Tony Manero (John Travolta) nicht gelungen, sich als Tänzer den Broadway zu erobern. Der Einzelgänger schlägt sich mit Jobs als Tanzlehrer und Kellner durch und hofft auf die große Chance. Seine Freundin Jackie (Cynthia Rhodes) glaubt an ihn und hilft ihm, es immer wieder zu versuchen, da kommt ihr Laura (Finola Hughes), Startänzerin einer Broadway-Show, in die Quere, in die sich Tony hoffnungslos verliebt. Gleichzeitig wird er zum Vortanzen einer Super Show bestellt, wird dies endlich der Start seiner heißersehnten Karriere?

SATURDAY NIGHT FEVER endete damit, dass der von Travolta gespielte „Tony Manero“ seine Heimat Brooklyn verlässt, um in Manhattan sein Glück zu suchen und ein neues Leben zu beginnen. Kein schlechter Aufhänger für eine Fortsetzung, jedoch enttäuscht STAYING ALIVE (1983) gerade auf narrativer Ebene. Im Zentrum der Geschichte stehen Tonys Bemühungen, seine Karriere als Profitänzer anzukurbeln und endlich den ersehnten Durchbruch am Broadway zu schaffen. Der Film beginnt schon mit einer Montage, in der ein mittlerweile gestählter Travolta versucht, sich bei einem Vortanzen zu behaupten. Während immer wieder die Credits in lilafarbener Glitzeroptik ins Bild schießen, bekommt der Zuschauer eine Abfolge exaltierter Peformances präsentiert, die mehr an schweißtreibendes Hardcore-Aerobic erinnern als an klassisches Tanzen. Würde sich das Drehbuch, für das Regisseur Stallone zumindest als Ko-Autor mitverantwortlich ist, sich auf die Underdog-Story konzentrieren (eigentlich Slys Spezialgebiet), dann hätte STAYING ALIVE zumindest das Potenzial eine nachvollziehbare Geschichte zu erzählen. Stattdessen legte man das Augenmerk aber auf ein mäßig spannendes und auch höchst fragwürdiges Liebesdreieck. Obwohl er eigentlich mit der Tänzerin „Jackie“ mehr oder weniger zusammen ist und die ihn aufrichtig liebt, verguckt sich „Tony“ in die schnöselige Startänzerin „Laura“, die ihn allerdings nur als Spielzeug zu benutzen scheint. Und da wird es schon bedenklich, gibt sich unser Protagonist doch durchgängig als ziemlich chauvinistisches Macho-Arschloch, das zum einen das Wort „Nein“ noch nie gehört zu haben scheint, zum anderen seiner Quasi-Freundin regelmäßig das Herz bricht und vor deren Augen mit anderen Damen flirtet, nur um dann wieder zu ihr zurückzukehren und ihr dann wieder wehzutun.

Das zieht sich durch die gesamten 90 Minuten, die im Grunde nicht wirklich etwas zu erzählen haben, denn in STAYING ALIVE passiert viel und dann eigentlich auch wieder nichts. Der gesamte Side-Plot um ein ominöses Musical, für das „Tony“ alles zu geben scheint, ist nur schnödes Beiwerk und lediglich ein Vorwand, um in kurzer Abfolge möglichst viele Tanzszenen unterzubringen. Der sozialkritische Unterbau, der noch das Original von 1977 ausmachte, fehlt hier komplett, stattdessen gibt es eine klassische Seifenoper-Schmonzette, die von einer höchst unsympathischen Figur getragen wird und darüber hinaus nie für irgendwelche Erkenntnisse oder gar Spannung sorgen kann. Geschuldet ist das vermutlich dem Zeitgeist, denn seit dem Original waren sechs Jahre vergangen, Disco war tot, das New-Hollywood-Kino wurde abgelöst und das Musikfernsehen hielt Einzug. STAYING ALIVE ist pures 80er-Kino, welches weniger Drama, sondern eine Aneinanderreihung von Videoclips darstellt. Tatsächlich wirkt der Film wie eine Fingerübung von Sylvester Stallone, bevor er diesen Stil in ROCKY IV – DER KAMPF DES JAHRHUNDERTS (1985) perfektionieren würde.

Dass die Story mau ist, lässt sich ansatzweise verschmerzen. Tatsächlich sorgen viele Szenen sogar für Erheiterung, einfach weil sie keinen Sinn ergeben. Wie „Tony“ schließlich an die Hauptrolle in dem bereits erwähnten Musical kommt, ist ebenso wenig nachvollziehbar wie die Szene bei seiner Mutter, die vollkommen ins Leere läuft. Dinge passieren einfach und sind dann eben so, das muss man hinnehmen oder eben auch nicht. Der eigentliche Reiz dieser kruden Fortsetzung liegt aber in der Art der Inszenierung, mit der Stallone hier ans Werk ging. Das „Rambo“ persönlich einen Tanzfilm orchestrierte klingt zwar schon bizarr, lässt aber in keiner Weise erahnen, was den Zuschauer hier erwartet. Aufgepumpt, als hätte er mit dem Regisseur das Trainingsprogramm für ROCKY III (1982) absolviert, stolziert Travolta als lebendes Adonis-Imitat durch den Film, wirft mit flapsigen Sprüchen um sich und tanzt sich die Seele aus dem Leib. Meist glänzend, als hätte man ihn vor jeder Szene in Babyöl gebadet, darf der spätere PULP-FICTION-Star hier dem Affen Zucker geben. Nicht nur, dass die Kamera SEHR OFT auf seinem Gesäß oder seinem Schritt ruht, generell lässt sich eine gewisse unfreiwillige(?) Homoerotik nicht leugnen. Um jetzt mal polemisch und auch vielleicht politisch unkorrekt zu werden: STAYING ALIVE ist unsagbar schwul.

Das zeigt sich vor allem im Finale, das seines Gleichen sucht. Die letzten 20 Minuten präsentieren das zuvor immer nur am Rande erwähnte große Musical, für das jeder Alles zu geben scheint und das von einem Regisseur inszeniert wird, der aussieht, als käme er gerade aus der Lederbar, in der CRUISING (1980) gedreht wurde. Dieses Musical oder auch Tanzrevue (so wirklich klar wird das nie) gleicht einem homoerotischen Fiebertraum, in der ein nur mit einem Lendenschurz bekleideter und glänzend eingeölter John Travolta vor sich am Boden windenden Frauen weg zu tanzen versucht, nur um kurze Zeit später von Männern in Lederklamotten „gerettet“ zu werden, die ihn schließlich an ein Andreaskreuz binden. Dazu flackernde Lichter und ohrenbetäubende Rock/Dance-Mukke der frühen 1980er Jahre. Das ist so über die Maßen bizarr und wirkt, als hätte jemand CRUISING, MAD MAX (1979), HELLRAISER (1987) und den siebten Kreis der Hölle in einen Topf geschmissen, aufgekocht und daraus ein Tanznummer geschustert, die dann vom Publikum warum auch immer frenetisch bejubelt wird. Ein Wunder, dass Travolta im Zuge des Films nicht sein Coming Out feierte. Selbst eine Szene, in der Stallone in einem fluffigen Pelzmantel einen Cameoauftritt hat, macht den Anschein, als würden sich er und Travolta gegenseitig auschecken. Dass der Star am Ende der erfolgreichen Aufführung natürlich wieder seine „Jackie“ bezirzen kann, während sich „Laura“ der Eifersucht hinzugeben scheint, wirkt unverdient, beflügelt ihn aber genug, um beide im Regen stehen zu lassen, um zu dem titelgebenden Welthit der Bee Gees über den Time Square zu stolzieren, was übrigens aussieht, als müsste er dringen auf die Toilette, versucht aber krampfhaft, es sich nicht anmerken zu lassen.

Wir sind große Fans von Sylvester Stallone, nur bewies die Actionlegende, dass die Inszenierung von Tanzszenen nicht seine große Stärke ist. Diese fallen eher willkürlich choreographiert und undankbar gefilmt aus, vom Schnitt wollen wir gar nicht erst anfangen. Ab und an muten die wilden Bewegungsabläufe etwas unbeholfen und geradezu wirr an und das obwohl hier wirklich Menschen zugegen waren, die durchaus Können besitzen. Dazu zählt auch Travolta, der hier wie aus dem Ei gepellt und gottgleich in Szene gesetzt wird. Auch seine beiden Co-Stars Finola Hughes und Cynthia Rhodes (letztere war in den 1980er Jahren in einigen Tanzstreifen zu sehen) wissen physisch zu überzeugen, schauspielerisch liefern sie allerdings weniger memorable Leistungen ab. Hughes gibt die typische Zicke, Rhodes das nette Mädchen von Nebenan, mit einer Frisur, die aussieht, als wäre ein Nagetier auf ihrem Kopf verendet. In einer kleinen Rolle ials Gitarrist ist zudem Slys Bruder Frank Stallone zu sehen, der auch für große Teile des Soundtracks verantwortlich war, wie zum Beispiel das Titellied „Far from Over“. An den Hitcharakter des Vorgängers kommt STAYING ALIVE beim besten Willen nicht heran, klingen die Stallone-Tracks, eine Mischung aus schnulzigen Pop-Ballarden und treibenden Softrock-Nummern, doch relativ ähnlich und bleiben bis auf das Theme kaum im Ohr. Auch die Bee Gees steuerten wieder ein paar Songs bei, allerdings sind auch diese weit vom Evergreen-Charakter eines „Stayin‘ Alive“ oder „You should be Dancing“ entfernt. Man könnte fast meinen, dass die Gibb-Brüder noch ein paar B-Seiten und/oder liegen gebliebene Albumtitel, die es auf keine LP schafften, herumliegen hatten und diese für ein paar Kröten an die Produktion verschacherten.

Mit einem Einspiel von rund 65 Millionen US-Dollar bei 22 Millionen Produktionskosten war STAYING ALIVE anno 1983 gewiss kein Flop aber auch keine sonderlich große Nummer, die auch den vorzeitigen Karriereknick eines John Travolta nicht aufhalten konnte. Auf jeden Fall blieb der Film hinter den Erwartungen zurück und in der allgemeinen Rezeption dürften viele vergessen haben, dass es sich hier um eine Fortsetzung eines der ikonischsten Popkulturfilme des Vorgängerjahrzehnts handelt. Tatsächlich war Stallones Ausflug in die Tanzwelt in meiner Kindheit immer Stammgast an Sonntagnachmittagen bei Kabel Eins und da passt das Teil auf jeden Fall hin.

Fazit:

Als Fortsetzung zu SATURDAY NIGHT FEVER (1977) versagt STAYING ALIVE (1983) komplett und ist nicht mehr als eine lauwarme Seifenoper in greller Videoclipästhetik mit einem fragwürdigen Protagonisten und noch fragwürdigeren Tanzszenen. Trotzdem ist der Streifen auch eine Art bizarrer Fiebertraum, der als Guilty Pleasure tatsächlich Potenzial hat. Diese Einordnung ist jedem selbst überlassen, ich tendiere fast schon zur zweiten Lesart.

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