Alarm! Freunde des italienischen Crime Thrillers sollten sich jetzt in eine aufrechte Sitzposition begeben und ihr Augenmerk auf diesen Film richten. Unfassbar, aber wahr. Der Poliziottesco ist zurück! Regisseur und Drehbuchautor Andrea Di Stefano hat sich an das einst populäre Polizeifilm-Genre erinnert, welches in den 1970er in Italien so richtig durchstarten konnte und für einige zeitlose Klassiker des Italo-Kinos sorgte. In diesen Filmen war der Hauptdarsteller stets in die Enge getrieben, unter enormen Druck eben, und musste selber sein Problem lösen. Natürlich endete das stets gewalttätig. Städte wie Rom, Mailand oder Neapel rahmten mit ihrer Gnadenlosigkeit die Story, angetrieben von einem fantastischen Soundtrack. Das ist fast 40 Jahre her, dass diese Streifen im Kino liefen, bis Andrea Di Stefano kam und sich mit einem extrem spannenden Thriller vor diesem Genre verneigte. SQUAREONE ENTERTAINMENT brachte den Thriller nun bei uns im Heimkino heraus.

Originaltitel: L’ultima notte di Amore

Regie: Andrea Di Stefano

Darsteller: Pierfrancesco Favino, Linda Caridi, Antonio Geradi, Francesco Di Leva, Katia Mionova, Fifi Wang, Shi Yang Shi

Artikel von Kai Kinnert

Der Polizeileutnant Franco Amore steht kurz vor seinem verdienten Ruhestand. In 35 Jahren hat er nicht einmal auf einen Menschen geschossen. Doch in der letzten Nacht vor seiner Pensionierung wird er noch einmal zu einem Tatort gerufen, an dem sein bester Freund und langjähriger Partner Dino bei einem Diamantenraub getötet wurde. Ein Schicksalsschlag, der Amores Leben komplett auf den Kopf stellt. Plötzlich ist die Welt, wie er sie kannte, bedroht: seine Arbeit, seine Liebsten und sogar sein eigenes Leben. Diese Nacht – seine letzte Nacht – wird die schwierigste seiner ganzen Karriere.

Das ist einer dieser Filme, die mich schon in den ersten drei Minuten am imaginären Nasenring packen und nicht mehr loslassen. Ich sitze aufrecht und bin verliebt in das, was ich sehe. Eine elegante und gute Kameraführung, Licht und Farben sind perfekt und bestimmen den weiteren Stil des Films, dazu eine grandiose Filmmusik, die immer wieder den treibenden Stil der 1970er aufnimmt und für elegante Spannungsbögen sorgt. Selbst der Schriftsatz der Credits ist Genre-Kino. Der Film beginnt mit einem schönen Kameraflug über die Straßen des nächtlichen Mailands und schwenkt in einer langen Einstellung auf ein Haus mit erleuchtetem Fenster im 3. Stock zu. Man sieht eine Party in einem Wohnzimmer: Freunde und Familie warten auf die Rückkehr von Franco Amore, der gerade unten auf der Straße steht, nach oben blickt und dann nach Hause läuft. Nach 35 Dienstjahren hat er nun die letzte Nacht vor seiner Pensionierung und nie einen Schuss auf einen Menschen abgegeben. Ein Held für die einen, ein berechenbarer Feigling für die anderen.

Franco Amore stolpert also in die Überraschungsparty, die seine Frau ihm bereitet hat, und lässt sich feiern. Doch die Freude währt nur kurz – da klingelt auch schon das Telefon und Amore muss noch einmal raus zu einem Tatort. Ein Kollege, zugleich sein bester Freund, liegt erschossen in einer Unterführung auf der Straße. Im Umfeld liegen noch weitere Leichen. Franco Amore ist geschockt, will zu seinem toten Freund und wird zurückgehalten. Was war passiert?

Der Film macht nun einen Sprung zurück und erzählt, was 10 Tage zuvor begann. Der Kniff des Drehbuchs ist originell, denn die Überraschungsparty zu Anfang bekommt so einen erweiterten Hintergrund und wird später aus einem neuen Blickwinkel erzählt. Franco wird durch den kriminellen Cousin seiner Ehefrau ein lukrativer Sicherheitsjob bei einem chinesischen Geschäftsmann angeboten. Er soll in seinem Ruhestand die Sicherheitsabteilung aufbauen und Kuriere fahren. Franco zögert. Doch er nimmt den Job an. Plötzlich die Planänderung. Seine erste Kurierfahrt soll ausgerechnet an seinem letzten Abend als Polizist stattfinden und es sind zwei Personen, statt, wie vereinbart, nur eine. Definitiv ein schlechtes Omen, denn es geht um Diamanten und Amore akzeptiert die Planänderung. Man ahnt, dass die ganze Sache gründlich schief gehen wird.

Die Kurierfahrt ist Spannung pur, die Katastrophe kündigt sich kriechend auf der Stadtautobahn Mailands an, auf der Franco Amore mit den zwei chinesischen Kurieren und einer Menge Diamanten unterwegs ist. Es ist Nacht und Amores Blick hat den Rückspiegel fest im Blick. Wo ist die Gefahr? Andrea Di Stefano schafft es mühelos, die Zügel der Spannung straff anzuziehen und Franco Amore in den Alptraum einer gescheiterten Kurierfahrt der Mafia zu verstricken. Pierfrancesco Favino spielt Amore großartig, der Film klebt an seinem Hauptdarsteller, bleibt auf seinem Gesicht und isoliert ihn von der Umgebung. Die Kamera fängt Pierfrancesco Favino oft mit geringer Tiefenschärfe ein, löst ihn so einsam vom Hintergrund ab und steigert die Umgebung zur Bedrohung. Der Zuschauer klebt gebannt an Amore, man spürt den zunehmenden Druck der Ereignisse und erlebt, wie Amore um sein und das Leben seiner Frau strampelt. Am Tatort eingetroffen, begreift Amore, dass es in den Reihen der Polizei einen Verräter gegeben haben muss. Plötzlich taucht auch noch seine Ehefrau am Tatort auf, wahrlich zu einem ungünstigen und gefährlichen Zeitpunkt, und möchte nach den Diamanten suchen, die Amore noch nach dem blutigen Schusswechsel in den Überlaufkanal einer Brücke geworfen hat.

Die letzte Nacht von Mailand ist ein spannender und straff erzählter Crime Thriller aus Italien, der dank seiner großartigen Musik, einer fantastischen Kameraführung und seiner guten Story durchgehend zu packen weiß.  Pierfrancesco Favino spielt souverän und feinfühlig und wird dabei von Linda Caridi als Ehefrau Viviana bestens flankiert. Ihre Rolle hat das Potential, alles um Kopf und Kragen zu quatschen, aber Caridi spielt hier glaubwürdig natürlich, ohne Viviana der Aufdringlichkeit preiszugeben. Ein toller Thriller und eine Empfehlung für alle Fans des italienischen Kinos.

Das Bild der vorliegenden Blu-ray ist sauber, satt und klar, der Ton ist gut. Als Extras gibt es ein kurzes Behind the Scenes. Ein Wendecover ohne FSK-Logo ist vorhanden.

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