Immer dann, wenn die beiden Kollaborateure Brian Yuzna und Stuart Gordon auf das Werk ihres Lieblingsschriftstellers H.P. Lovecraft zurückgriffen, war das Endergebnis eine sichere Bank für Horrorfans, immerhin gelten sowohl RE-ANIMATOR (1985) als auch FROM BEYOND (1986) als Klassiker des phantastischen Gruselkinos. Bevor die Karrieren der Filmemacher in den 2000er Jahren allmählich zum erliegen kamen, huldigten sie mit DAGON (2001) noch einmal dem Schaffen des wohl bedeutendsten Autoren der Horrorliteratur. Schock Entertainment veröffentlichten den fischigen Wahnsinn bereits vor geraumer Zeit im Mediabook und legten erst kürzlich im Rahmen ihrer „Classics Collection“ nochmal eine Neuauflage im Scanavo-Case nach. Ob der Schocker an die Glanzzeiten des Teams Yuzna/Gordon kann?

Originaltitel: Dagon

Drehbuch: Dennis Paoli; basierend auf der gleichnamigen Kurzgeschichte und der Novelle „Schatten über Innsmouth“ von H.P. Lovecraft

Regie: Stuart Gordon

Darsteller: Ezra Godden, Raquel Meroño, Francisco Rabal, Macarena Gómez, Brendan Price, Birgit Bofarull…

Artikel von Christopher Feldmann

Handlung:

Vor der spanischen Atlantikküste kentert eine amerikanische Segelyacht. Paul (Ezra Godden) gelingt es gemeinsam mit seiner Freundin Barbara (Raquel Meroño) im Rettungsboot das kleine Fischerdorf Imboca zu erreichen. Dort hoffen sie auf Hilfe, aber das gesamte Städtchen verhält sich den Schiffbrüchigen gegenüber seltsam und regelrecht feindselig. Anfängliche Unhöflichkeiten gipfeln bei Einbruch der Dämmerung ohne Vorwarnung in Mordversuchen. Offenbar hängt die einst friedvolle Bevölkerung einem furchtbaren Kult an und giert nach Menschenopfern für ihren Meeresgott Dagon.

Da ist man mal ein paar Tage in den Flitterwochen und die Rezensions-Exemplare stapeln sich auf dem Tisch. Kollege Christian Jürs hat zuverlässig dafür gesorgt, dass mir nach meiner Rückkehr aus dem Hochzeitsurlaub nicht langweilig wird und mir einen Stapel Filme vor den Latz geknallt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Von all denen und so ehrlich muss ich sein, weckte DAGON (2001) das größte Interesse. Eine Lovecraft-Verfilmung mit viel Schmodder, Fischwesen und Tentakelgöttern, inszeniert von RE-ANIMATOR-Regisseur Stuart Gordon? I’m IN!

Tatsächlich musste ich meine Vorfreude aber ein wenig dämpfen, denn der Film stammt nicht aus den glorreichen 1980er Jahren, sondern aus dem Jahr 2001, produziert von Brian Yuznas spanischer Produktionsklitsche Fantastic Factory mit einem recht überschaubaren Budget von rund vier Millionen US-Dollar. Okay, auch Meisterwerke wie eben RE-ANIMATOR (1985) und FROM BEYOND (1986) hatten nicht unbedingt die horrendesten Produktionskosten aber damals, als noch ohne digitale Effekte gedreht wurde, sah das Alles einfach besser aus. Und es war gut, dass ich meine Erwartungshaltung in messbare Grenzen einpegelte, denn dem Test der Zeit kann DAGON nur bedingt standhalten, auch wenn natürlich viel Schönes dabei ist. Stuart Gordon und Brian Yuzna hatten sich für ihr Projekt nicht nur die titelgebende Kurzgeschichte als Vorlage ausgesucht, sondern griffen für die Rahmenhandlung auf Lovecrafts wohl berühmteste Novelle zurück, SCHATTEN ÜBER INNSMOUTH (1936). Somit ist der fertige Film quasi eine Art Lovecraft-Mash-Up. Tatsächlich spürt man als Zuschauer, dass die Macher ihre Hausaufgaben gemacht haben, wussten Yuzna und Gordon doch genau, auf was es ankommt. Die Geschichten Lovecrafts handeln zumeist von einfachen Protagonisten, nie klassischen Helden, die mit dem Wahnsinn konfrontiert werden, der in der Regel die Vorstellungskraft des Menschen übersteigt. Auch hier gelingt es den Verantwortlichen diese besondere Schaueratmosphäre zu kreieren, beispielsweise wenn „Paul“ Imboca (auch der Handlungsort wurde nach Spanien verlegt) erkundet und dabei „Menschen“ trifft, die wie Zombies durch die nebeligen Gassen wabern. Es ist die Anfangs etablierte Mystery, die eine besondere Spannung erzeugt, allerdings relativ zügig eingerissen wird, wenn Francisco Rabal aufkreuzt und in bester Erklärbär-Tradition einmal die ganze Geschichte erzählt.

Das war der Moment, in dem DAGON ein wenig mein Interesse verlor, denn trotz guter Spannungsmomente und einem zügigen Pacing stellte sich etwas Langeweile ein, die Regisseur Gordon aber spätestens im letzten Drittel vergessen macht, trumpft das Finale doch mit einigen schönen Splattermomenten auf, in denen es wunderbar schmodderig zur Sache geht. Ja, auch in DAGON bemühte man sich oft um traditionelle, praktische Effektarbeit, die in den entscheidenden Szenen auch wirklich zur Geltung kommt. Hier versprüht der Film tatsächlich den Glanz vergangener Tage, in denen Filme wie FROM BEYOND (1986) mit wirklich krassen Spezialeffekten aufwarteten. Ganz so wild geht es hier nicht zu, dennoch kommen Genrefans auf ihre Kosten, was man allerdings nicht von den digitalen Effekten behaupten kann. Dass man anno 2001 bei derart überschaubaren monetären Möglichkeiten, nicht Alles praktisch umsetzen konnte, liegt auf der Hand, dennoch sind so ziemlich alle Bilder aus dem Rechner ziemlich schlecht gealtert und sahen vermutlich schon damals nicht gut aus. Stellenweise erinnern diese Momente fern an animierte DVD-Menüs jener Tage. Dafür weiß man die wirklich praktischen Gore-Effekte umso mehr zu schätzen.

Stuart Gordon war sichtlich um eine klassische Schauer-Inszenierung bemüht und schafft es gekonnt den Gruselfaktor konstant zu halten und eine Bedrohlichkeit zu erzeugen, was vor allem auch dem souveränen Hauptdarsteller geschuldet ist. Ezra Godden, der einzige britische Schauspieler im Cast, gibt einen hervorragenden Lovecraft-Protagonisten ab, der konsequent in den Wahnsinn verfällt und auch optisch ein wenig an den jungen Jeffrey Combs erinnert. Der Rest der Besetzung besteht aus spanischen Darstellern, der bekannteste ist sicherlich Francisco Rabal, der nicht nur u.a. in William Friedkins Meisterwerk ATEMLOS VOR ANGST (1977) auftrat, sondern auch Umberto Lenzis Italo-Horror-Granate GROSSANGRIFF DER ZOMBIES (1980) veredelte.

Schock Entertainment veröffentlichte DAGON jüngst als Blu-ray-Neuauflage im Scanavo-Case, die Scheibe ist identisch mit vorherigen Veröffentlichungen. Bild- und Tonqualität sind gut, als Extras gibt es Intrerviews, B-Roll-Footage, Bildergalerie, Trailer und Spots.

Fazit:

DAGON (2001) ist nicht das dritte große Yuzna/Gordon-Meisterwerk basierend aud H.P. Lovecraft aber ein über weite Strecken spannender und kurzweiliger Horrorfilm, an dem Fans des Genres durchaus ihre Freude haben dürften, auch wenn die miesen digitalen Effekte ein wenig das Sehvergnügen schmälern.

Christophers Filmtagebuch bei Letterboxd – Your Life in Film

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