Wer sich viele Filme ansieht, wird mit Sicherheit auch irgendwas von Sydney Pollack gesehen haben. Die drei Tage des Condor kennt so ziemlich jeder, aber auch Jenseits von Afrika und sogar vielleicht Tootsie. Aber kennen Sie Yakuza? Von dem Titel habe ich irgendwann mal gehört, gesehen habe ich den Film nie. In der Videothek ist er mir nicht untergekommen und auch im TV lief der Film gefühlt noch nie. Ich habe diesen Film nun zum ersten Mal gesehen und bin regelrecht in Ekstase geraten, da dieser mir bislang unbekannte Film so ziemlich alle Wünsche des gehobenen 70er-Jahre-Kinos erfüllt! Wer sich Yakuza und Die drei Tage des Condor an einem einzigen Filmabend gibt, wird die Crème de la Crème des Thriller-Kinos erleben, einen formvollendeten Retro-Abend von allerhöchster Güte. Sydney Pollack ist mit Yakuza ein völlig unterschätztes Meisterwerk des 70er-Kinos gelungen, zeitlos elegant in Stil und Farben, gnadenlos spannend und so ziemlich das Beste, was Robert Mitchum je gedreht hat. Ohne zu Flunkern: Ich habe mir diesen Film zweimal direkt hintereinander angesehen, einmal auf Deutsch, dann auf Englisch, und am nächsten Tag nochmal mit Audiokommentar von Sydney Pollack. Es wurde nie langweilig. PLAION PICTURES bringt dieses Meisterwerk nun als Mediabook heraus.

Originaltitel: The Yakuza
Regie: Sydney Pollack
Darsteller: Robert Mitchum, Ken Takakura, Brian Keith, Keiko Kishi, Eiji Okada
Artikel von Kai Kinnert
Der ehemalige Polizist Harry Kilmer (Robert Mitchum) reist nach Japan, um einem Freund in Not zu helfen. Sein Ex-Kriegskamerad George Tanner (Brian Keith) hat Schulden bei der Yakuza, welche die brutale Unterwelt Tokios kontrolliert. Tanners Tochter wurde entführt, und durch seine Verbindungen zum organisierten Verbrechen soll Kilmer sie aus den Fängen der Yakuza retten. Er kontaktiert seinen alten Freund Ken Tanaka (Ken Takakura), einen ehemaligen Yakuza, der sein Schwert ablegte und Kilmer die Tür zur Yakuza öffnet. Für den alternden Schnüffler beginnt ein Abstieg in eine Welt, die von brutaler Macht, Blut und Ehre bestimmt ist.

Das Drehbuch stammt von Paul Schrader, der ein Experte des Yakuza-Films ist und mit seinem Bruder an dieser Story schrieb, wobei es wohl richtig viele Martial-Arts-Szenen gab, die Sydney Pollack allerdings zu viel waren. So wurde dann Robert Towne (Chinatown) an Bord geholt, der das Drehbuch etwas entschlackte und die Martial-Arts akzentuierter einsetzte. Und bevor man nun denkt, Sydney Pollack hätte irgendeinen klischeebehafteten Yakuza-Film in den USA gedreht, wird hier eines Besseren belehrt. Yakuza wurde zu 95% in Japan gedreht, sowohl in den Toho-Studios als auch an Originalschauplätzen und von dem japanischen Kameramann Kozo Okazaki stilsicher, ruhig und mit großer cineastischer Qualität in Szene gesetzt. Für die Rituale und den Codex der Yakuza hatte man einen fundierten Berater vor Ort, der direkt beim Dreh für Authentizität sorgte. Dazu gesellt sich eine extrem gelungene und sehr spannende Filmmusik von Dave Grusin (Die drei Tage des Condor, Die Libelle), die im Finale die Szenen in kubriksche Spannungshöhen treibt (Mitchum geht in einer längeren Sequenz bewaffnet einen halbdunklen Büro-Flur entlang, von der Handkamera verfolgt) und einem Produktionsdesign von Stephen Grimes (Sag niemals nie, Jenseits von Afrika), das von zeitloser Eleganz ist. Selten habe ich eine so gute und geschmackvolle Ausstattung in einem Film der 1970er gesehen, wie in Yakuza. Es gibt sicher die eine oder andere gewagt Farbkombination in diesem Film (Kleidung, Tapeten, Möbelstücke, Gebäude), aber alles ist so zeitlos gut und geschmackvoll, dass man heute teuer dafür bezahlen würde. Neben der zeitlosen Eleganz des Films gibt es noch unfassbar schöne Bilder vom Tokyo der frühen 70er zu sehen. Dieses Neonlicht! Diese Neofarben!! Diese Werbeschilder, die mit pastellfarbenem Licht in einem Glitzerspiel das nächtliche Tokyo durchfluten, diese ganzen Bars und Restaurant, diese ganzen Schilder mit strahlender Neonreklame sind eine Attraktion dieser Monster-Metropole und rahmen die Story mit passender Wucht. Die Szene, in der Mitchum nachts durch Tokyo zu seiner ehemaligen Geliebten geht, wurde improvisiert und mit kleinem Team gedreht. Mitchum geht einfach so frei durch Tokyo und der getarnte Kamerawagen begleitet ihn in einer parallelen Fahrt und fängt dabei dokumentarisch schöne Bilder von Stadt ein. So sah Tokyo einmal aus, so wird Tokyo nie wieder aussehen. Das Sydney Pollack im Audiokommentar von seinem eigenen Film begeistert ist (absolut begründet, auf so einen Film wäre ich auch ewig stolz) ist nur nachvollziehbar. „Es ist ein echter Film der 70er und Tokyo war neu und aufregend!“ meint er schmunzelnd im Kommentar.

Neben dem rundum gelungenen technischen Aspekt hat Yakuza auch noch eine formidable Besetzung. Erst wusste ich nicht, ob ich Robert Mitchum in so einer Rolle gut finden werde und wurde dann eines Besseren belehrt. Mitchum ist der richtige Mann dafür. Da ist so viel Leben und so viel Erfahrung in Mitchums Gesicht, dass er gar nicht mehr viel spielen muss. Es reicht ein Zucken am Augenlied, ein ruhiger Blick, eine kleine Handbewegung: Der Mann ist seine Rolle, man spürt die Figur, man spürt eine gewisse Tragweite und Lebendigkeit in seinem Schauspiel. Aber auch Ken Takakura, der Mann, der niemals lächelt (so nennt die Yakuza ihn im Film), ist von großer Präsenz und spürbarer Tragik. Der Mann hatte sich von der Yakuza losgesagt und muss nun, eben wegen Mitchum, erneut das Schwert in die Hand nehmen – was in Ken Takakuras Yakuza-Welt ein Fahrschein ohne Wiederkehr ist. Womit wir beim „Giri“ wären, der „empfundenen Verpflichtung“, einer ungeschriebenen Schuld, die zu begleichen nicht abgelehnt werden kann. Der ganze Film dreht sich eigentlich um das japanische „Giri“, von dem sich auch Robert Mitchum am Ende nicht lösen kann. Da spürt man den Einfluss von Paul Schrader aufs Drehbuch (Taxi Driver) ganz kräftig.
Und so geraten Robert Mitchum und Ken Takakura in diesem extrem spannenden Yakuza-Thriller in ein Giri und Gegen-Giri, einer Spirale, die eigentlich kein Entkommen ermöglicht und von Pollack im perfekten Erzähltempo in Szene gesetzt wurde. Im Paul-Schrader-Stil gerät die Action dann auch zu einem unkontrollierbaren chaotischen Akt der Gewalt, des Tötens und der Schmerzen, was Sydney Pollack die wohl besten Actionszenen seiner Karriere bescherte. Mit klarer Übersicht in den Einstellungen, wenig Überspitzungen und wenig Musik, wird hier ein eiskaltes Finale mit Schwert und Schrotflinte durchs Yakuza-Teehaus gemetzelt, dass man unweigerlich an Kill Bill denken muss, nur das Pollack da einem Quentin Tarantino 30 Jahre voraus war. Wahrscheinlich haben die Japaner diesen Stil sogar nach Yakuza von Pollack übernommen, bevor dann Tarantino dies als japanische Inspiration nutzte. So wurde das Finale dann auch ultracool und sehr unterkühlt inszeniert. Pollack brauchte keine Popmusik aus Tarantinos unermesslicher Plattensammlung, um cool zu sein, er hatte ja Ken Takakura.

Yakuza ist für mich die Entdeckung des Jahres! Ein Film aus dem Olymp zeitloser Qualität, ein Glückstreffer für alle Beteiligten. Voller Stil, neonfunkelnder Eleganz, knochenharter Spannung, blutiger Action, einer spannungstreibenden Musik, begleitet von einer grandiosen Besetzung, die wiederrum von einem absoluten Könner an der Kamera abgelichtet worden ist. Sydney Pollack ist mit Yakuza ein stilvolles und absolut sehenswertes Meisterwerk gelungen, wenn man denn Fan solcher Filme aus den 1970ern ist. Ein Muss für jede ernsthafte Filmsammlung!
Das Bild der gesichteten Blu-ray ist sauber, satt und klar, der Ton ist gut. Als Extras gibt es einen Audiokommentar mit Regisseur Sydney Pollack, die Featurette „Promises to Keep”, Trailer und eine Bildergalerie.
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