Der Film ging damals völlig unter. Satte neun Jahre brauchte der Streifen, bis er die geringen Produktionskosten von 900.000 Dollar wieder eingespielt hatte. Kein Wunder, denn SEIN LEBEN IN MEINER GEWALT ist die Verfilmung eines Theaterstücks, in dem Sean Connery als Sergeant Johnson ordentlich unter psychischem Volldampf steht und so kantig die Sehgewohnheiten des James-Bond-verwöhnten Publikums durchbrach. Von seiner Polizeiarbeit zerfressen, gerät Johnson beim Verhör-Duell mit seinem Hauptverdächtigen in Rage und greift zur Gewalt, ausgelöst durch Sprachlosigkeit, Veranlagung und posttraumatischen Belastungssyndrom. Sidney Lumet machte daraus einen verschachtelt erzählten Film im postmodernen Look, inszeniert in kühlen und sparsamen Bildern. KOCH FILMS brachte den vergessenen Klassiker des britischen Kinos nun als Mediabook heraus.

Originaltitel: The Offence

Regie: Sidney Lumet

Darsteller: Sean Connery, Ian Bannen, Trevor Howard, Vivien Merchant

Artikel von Kai Kinnert

20 Jahre lang hat Detective Sergeant Johnson (Sean Connery) seinen Dienst getan. 20 Jahre lange musste er Morde, Vergewaltigungen und unzählige Gewaltverbrechen aufklären. Der ganze aufgestaute Hass bricht aus ihm heraus, als er einen mutmaßlichen Kinderschänder Baxter (Ian Bannen) verhören soll. Ohne Kontrolle prügelt der Polizist so lange brutal auf den Verdächtigen ein, bis dieser tödlich verletzt zu Boden geht. Johnson soll sich als Täter verantworten.

Sprachlosigkeit geht in Gewalt über. Und Gewalt führt wiederum zu Sprachlosigkeit. Das ist im Grunde der Kern von Sein Leben in meiner Gewalt. Im Theaterstück ging es um die Tragödie des Individuums als Sinnbild einer Gesellschaft, die ihre eigenen Fehlhaltungen auf Minderheiten projiziert. Der Film hingegen verzichtet auf die Gesellschaftskritik und weicht auf die Ebene des Psychothrillers aus und konzentriert sich auf das Verhör, in dem sich herausstellt, dass Johnson und Baxter lediglich verschiedene Seiten der gleichen Medaille sind und in einer direkten psychologischen Verbindung stehen.

Der Schwerpunkt des Filmes ist Sean Connery. Es geht um seine Psyche, seine Erkenntnis und seine Sprachlosigkeit, die hier inhaltlich den gesamten Film trägt. Beruflich und privat frustriert ,entpuppt sich Johnson als komplettes Arschloch, bei dem sämtliche Sicherungen durchgebrannt sind. Connery steigert sich teilweise so hinein, dass es fast unangenehm ist, ihm beim Spielen zuzusehen. Zum Beispiel in den Szenen mit seiner Ehefrau, die seinen Schmerz spürt und ihn anfleht, endlich mit ihr über das zu reden, was ihn belastet. Doch Johnson, der in kurzen Flashbacks von dem Grauen vergangener Tatorte verfolgt wird, hat nur Beleidigungen und Demütigungen für seine Ehefrau über, findet kaum klärende Worte und wenn doch, muss sich seine Frau davon übergeben. Auch später, wo Johnson von Kriminaloberrat Cartwright zum Verhör mit Baxter befragt wird, entwickelt sich eine Szene voller Intensität, Hilflosigkeit und Wut, die in Sprachlosigkeit endet.

Sidney Lumet war der richtige Regisseur für die Verfilmung des Theaterstücks. Unchronologisch erzählt, gespickt mit Flashbacks und Zeitlupen, eine tolle Kamera und die postmoderne Kühle der wenigen Drehorte macht Sein Leben in meiner Gewalt zu einem der besten Filme von Lumet und Connery zugleich. In den Dialogen und im Bildaufbau spürt man zwar die Herkunft vom Theater, jedoch packt das Spiel von Connery und Bannen, während Lumet die richtigen Bilder dafür findet.

Sein Leben in meiner Gewalt ist gutes Kino der 1970er, sparsam, aber intensiv inszeniert und nicht nur für Fans von Sean Connery eine Empfehlung.

Das Bild der BD ist gut und gelungen in den Farben, der Ton ist gut. Als Extras gibt es ein Interview mit dem Komponisten Harrison Birtwistle, mit dem Ausstattungs-Assistenten Chris Burke, mit der Kostümbildnerin Evangeline Harrison, mit dem Tonmischer Simon Kaye, mit dem Theaterregisseur Christopher Morahan, den englischen Trailer und eine Bildergalerie.

Trailer:

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