WICKED VISION DISTRIBUTION GMBH geht fremd. Nicht was Ihr denkt, der Horror-Kultfilmverleiher hat sich nur ein neues Steckenpferd gesucht: Das Hörspiel! Da können wir einer Rezension natürlich nicht widerstehen, gehören Filme für die Ohren doch traditionell zum Medienhuren-Programm. Wie nicht anders zu erwarten, handelt es sich um eine Horrorgeschichte. Doch diesmal stellt sich den Monstern und Dämonen nicht etwa ein Geisterjäger vom Scotland Yard oder vom amerikanischen Geheimdienst, sondern eine Musikband mit dem Namen THE OTHER. Die sind der heißeste Scheiß seit Neil Diamond die Möwe Jonathan vertonte und kennen sich im Kampf gegen das Böse bestens aus…

Regie: Humphrey Price

Drehbuch: Thomas Williams

Sprecher: The Other, Conny Dachs, Dr. Mark Benecke, Michael Krisch, Michael Rhein, AnNa R., Mile Petrozza, Flo Schwarz, Daniel Perée, Marco Klomfas, Joachim Witt

Artikel von Christian Jürs

Die deutsche Polizei ist eine Nulpentruppe. Nicht nur in Leipzig, wo sie demonstrierende Schwurbler seelenruhig ihre Deppenpolonaise tanzen ließen, auch in Köln wirft man, wenn es richtig brenzlig und dämonisch wird, lieber von vornherein das Handtuch und bittet anderweitig um Hilfe. Im vorliegenden Fall dreht es sich um einen verschwundenen Reisebus, der plötzlich, wie aus dem Nichts, auf einem verlassenen Industriegelände in der Nähe von Köln wieder auftaucht. Die Fahrgäste scheinen im Bus durch ein paar außen angebrachte, dämonische Formeln gefangen zu sein. Vielleicht ist aber auch nur das Türschloss eingerastet, man weiß es nicht so genau. Anstatt nun die gefangene Reisegruppe einfach zu befreien, ruft der ermittelnde Kommissar lieber die Zungenbrecherband für alle „TH“ (sprich „Tiie-Äjtsch„) Legastheniker – The Other.

Conny Dachs

In der Tat eine gute Idee, erkennt die Horror-Punk-Combo doch sofort, dass hier dämonische Kräfte ihre Hand im Spiel haben. Scheinbar soll der Erzfeind von The Other, der dunkle Gott Esiarp, gegen den die Rocker ihrer Aussage nach bereits früher antreten mussten, wiederbelebt werden. Die Gruselband ist sich sicher, dass sie die Eingesperrten unversehrt aus ihrem Gefängnis befreien können. Die geben übrigens Laute von sich, als sei das Innere des Busses die Folterkammer der Cenobiten. Doch, oh je, der Tüffel von Kommissar nähert sich unachtsam dem Reisebus, mit dem lobenswerten Willen, die Gefangenen zu beruhigen. Dies entpuppt sich allerdings als weniger gute Idee. Das Ende vom Lied ist ein wie von Geisterhand zerquetschter Buswürfel aus Metall und Fleischresten. Dumm gelaufen und vom Polizisten mit einem „´Tschuldigung. Das konnte ja keiner ahnen.“ lapidar kommentiert. Klar, kann ja mal vorkommen. Zumindest, wenn ein Spaßvogel wie Pornostar Conny Dachs den Ermittler vertont.

The Other

Aufgeteilt in zwei Gruppen, machen sich The Other und der Polizist auf, um verschiedenen Spuren nachzugehen. Dadurch geraten die fünf Bandmitglieder und der Kommissar in immer neue, brenzlige Situationen, die sie jedoch immer wieder relativ locker meistern können. Doch ihr Kampf bleibt nicht ohne Opfer, zumindest im Statistenbereich und so müssen die Jungs all ihre magischen Kräfte, mit denen sie ausgestattet sind, mobilisieren, um zu verhindern, dass Donald Tru…ääähhh….der dunkle Gott Esiarp erneut an die Macht kommt…

Inspiriert von H.P. Lovecraft und den Grusel-Hörspielen der 80er Jahre, heißt es aus dem Hause Wicked Vision im Pressetext. Beides lässt sich nicht von der Hand weisen, insbesondere der Lovecraft-Verweis ist offensichtlich. Doch so ganz will sich das Gruselfeeling der alten Europa– und Studio Braun-Hörspiele nicht einstellen, obwohl man äußerst bemüht vorgeht bei der Realisierung dieses Debuthörspiels. Aber woran liegt es dann?

Dr. Mark Benecke

Zunächst einmal möchte ich auf einen positiven Aspekt von The Other und die Erben des Untergangs eingehen, nämlich die Sounduntermalung, welche wirklich stimmig ist. Andauernd ist etwas los auf der Tonspur. Schreie, Knarzen, Ächzen, Knacken,…das volle Programm halt. Nein, im Gegensatz zur neuen Gruselserie aus dem Hause Europa, wo eher halbherzig und relativ geizig mit Soundeffekten umgegangen wird, gibt man hier alles. Manchmal sogar, wie im Falle der Busgeiseln, ein bisschen too much. Macht aber nix, die Atmo ist stimmig und nur das zählt.

Die Musik von The Other, die logischerweise immer wieder zum Einsatz kommt, passt thematisch als Horror-Rockmusik gut, eine unheimliche Atmosphäre fördert sie allerdings weniger. Hier hätte ich mir zwischendurch eine Musikuntermahlung im Geiste eines Casten Bohn gewünscht, aber auch das bleibt mal wieder Geschmackssache.

AnNa R.

Was das Skript betrifft, so kann man Autor Thomas Williams (John Sinclair) nicht vorwerfen, er würde viel Zeit verlieren. Während im aktuellen Europa Grusler Wasserleichen an Bord gefühlte Ewigkeiten weder inhaltlich oder spannungstechnisch irgendetwas passiert (mal abgesehen vom Tipp, den Hummersalat mit Thymian zu würzen!), geht The Other und die Erben des Untergangs gleich in die Vollen. In quasi jeder Szene ist was los. Ständig geraten die Helden in Gefahr, tappen in eine Falle oder müssen mitansehen, wie Unschuldige zerquetscht, gehäutet oder anderweitig zerlegt werden. Doch dabei gibt es leider ein klitzekleines Problem… niemals, wirklich niemals im Laufe der Geschichte, hat man auch nur im Ansatz das Gefühl, dass unsere „Helden“ in echte Gefahr geraten. Warum auch, sind sie doch jeder für sich mit übermenschlichen Kräften versehen. So wurde einer von Ihnen einst von Ratten aufgefressen und von Banddrummer Dr. Caligari aus Leichenteilen (und Rattenkot?) wieder zusammengebaut. Seither hat er Macht über die Nager. Einer ist Nebenberuflich Werwolf und der Nächste hat eine so kratzige Stimme, dass Lemmy wie ein Mitglied der Wiener Sängerknaben dagegen klingt. Und so wird es, egal was auch geschieht, für die Superhelden von The Other, niemals brenzlig, was der Spannung nicht wirklich zuträglich ist.

Daniel Perée

Für die Sprecherliste konnte man allerlei Prominenz gewinnen, um das erste Hörspiel aus dem Hause Wicked Vision zu realisieren. Musiker wie Joachim Witt oder AnNa R. von Rosenstolz gehören ebenso zum Cast wie eingangs erwähnter Bumsefilmdarsteller Conny Dachs. Letzterer sollte sich als Glücksgriff herausstellen, gehört er doch zu den überzeugesten Sprechdarstellern von The Other und die Erben des Untergangs. Besonders hilfreich ist, dass er den Schalk im Nacken hat und die im Drehbuch verankerten Gags überzeugend und gut betont von sich gibt. Leider kann man das nicht von allen Sprechern behaupten. Insbesondere die Jungs von The Other wissen nur bedingt zu überzeugen. Der Typ mit der kratzigen Stimme ist noch der Beste im Bunde, die Anderen klingen größtenteils, als würden sie am Lesewettbewerb der Klasse 9b aus der Gesamtschule Hamburg Wandsbek teilnehmen. Sie geben sich zwar allesamt Mühe, es klingt jedoch oftmals einfach nur abgelesen. Trauriges Schlusslicht ist hierbei Dr. Mark Benecke, der seine Rolle nicht spielt, sondern vorträgt. Hier hätte die Regie auf neue Takes beharren müssen. Momente wie der, in dem ein böser Wicht von Ratten zerfressen wird, bei einer Fresspause jedoch ganz entspannt seinen Text runterleiert, ehe er komplett zerfetzt wird, trüben gewaltig das Gesamtbild.

Doch allzu hart möchte ich nicht urteilen, handelt es sich doch um ein Erstlingswerk von Wicked Vision und man möchte die Jungs und Mädels ungern entmutigen. Die Zutaten stimmen ja bereits, jetzt muss allerdings noch an der Feinarbeit gerarbeitet werden. Ein paar Stunden Schauspielunterricht für die Hauptcharaktere und der ein- oder andere echte Synchron- und Hörspielsprecher im Cast, dann klingt die ganze Sache schon deutlich runder. Wenn dann im Drehbuch die Helden auch nicht mehr vollkommen unbesiegbar herüberkommen und etwas mehr Charakter bekommen, könnte die Serie deutlich dazu gewinnen. So bleibt es immerhin eine nette Sache für die Fans von The Other.

Das Hörspiel erschien als limitierte Ecolbook-CD-Edition sowie als auf 150 Stück limitierte Hörspielkassette mit Bleistift und Autogrammen. Letzteres gibt es allerdings nur exklusiv im Wicked Vision– und The Other-Shop. Das Ecolbook enthält ein 20-seitiges Booklet von Manu Magno, Outtakes und den Bonus-Song “We‘re All Dead

Hörproben:

Zurück zur Startseite