Da laust mich doch der Affe, denn mit dem 27. Edgar-Wallace-Film steigen wir hinab in ungeahnte Gefilde, läutete DER GORILLA VON SOHO (1968) doch die unter Fans nicht gerade als ruhmreich bezeichnete Spätphase der langlebigen Krimi-Reihe ein. Die Wenigsten lassen ein gutes Haar an diesem uninspirierten, mit alberner Komik und nackten Tatsachen angereicherten Streifen, der Zuschauer nachhaltig vergrätzte. Allerdings, und so fair muss man sein, wer einen Faible für Trash-Kost hat, der wird diesem in Windeseile zusammengeschusterten Remake eines Wallace-Klassikers zumindest eine gewissen Unterhaltungswert abgewinnen können. Präzisere Gedanken und einen Einblick in die Entstehung des Streifens gibt es in der neuesten Ausgabe unserer Retrospektive.

„Hallo, hier spricht Edgar Wallace!“

Drehbuch: Alfred Vohrer, Horst Wendlandt

Regie: Alfred Vohrer

Darsteller: Horst Tappert, Uschi Glas, Uwe Friedrichsen, Albert Lieven, Herbert Fux, Hubert von Meyerinck, Inge Langen, Beate Hasenau, Ralf Schermuly, Ilse Pagé…

Artikel von Christopher Feldmann

1968 feierte die Riatlo-Film mit DER HUND VON BLACKWOOD CASTLE bekanntlich Jubiläum und konnte stolz auf 25 Edgar-Wallace-Krimis zurückblicken. Die Reihe erfreute sich nach wie vor großer Beliebtheit und mit DER GORILLA VON SOHO stand schon der nächste Streifen in den Startlöchern, der unter der Regie von Harald Philipp nach einem Drehbuch von Wallace-Veteran Herbert Reinecker alias Alex Berg realisiert werden sollte. Da der Verleih Constantin Film allerdings Bedenken hatte, zwei Filme aufeinanderfolgen zu lassen, die jeweils ein Tier im Titel trugen, änderte man die Strategie und zog das Projekt IM BANNE DES UNHEIMLICHEN (1968) vor. Für diesen Film bediente man sich bei der bereits festgelegten GORILLA-Besetzung, unter anderem Joachim Fuchsberger, Siw Mattson, Wolfgang Kieling und Claude Farell. Während der Film gedreht wurde, machte sich Regisseur Philipp daran, Reineckers Skript in eine drehfertige Fassung umzuarbeiten und auch eine neue Besetzung wurde gefunden, unter anderem mit Horst Tappert, den man als neuen Wallace-Inspektor aufbauen wollte. Die Handlung drehte sich um eine klassische Mordserie, die auf eine ominöse Afrikaexpedition zurückzuführen ist, also klassischstes Wallace-Material. Allerdings wurde das Ganze kurzfristig und aus heute unbekannten Gründen verworfen. Da die Rialto-Film allerdings bis September 1968 einen Wallace-Film produzieren musste, war Eile geboten und Horst Wendlandt, sowie Stamm-Regisseur Alfred Vohrer machten sich daran auf Basis des feststehenden Titels ein neues Skript aus den Rippen zu leiern. Daraus entstand einer der wohl am meisten geächteten Streifen der Reihe, der sich bei Kinostart als wahre Mogelpackung, nämlich als Kopie von DIE TOTEN AUGEN VON LONDON (1961) entpuppte.

Handlung:

Der Millionär Mr. Ellis treibt tot in der Themse. Neben ihm schwimmt eine Puppe mit einer rätselhaften Botschaft in afrikanischer Sprache: ‚Verbrechen, Mord, Ungeheuer, Gorilla‘. Bei seinen Ermittlungen stellt Inspektor Perkins (Horst Tappert) fest, dass Ellis sein gesamtes Vermögen der Wohltätigkeitsorganisation ‚Love and Peace for People‘ vermacht hat. Der Leiter der Organisation, Henry Parker (Albert Lieven), steht offensichtlich unter außerordentlichem Druck. Seit Monaten wird er von dem Ganoven Sugar (Herbert Fux) erpresst, der weiß, dass Parker einst seinen eigenen Bruder ermorden ließ. Und plötzlich taucht eine weitere Puppe mit einer Botschaft auf – im St.-Marien-Heim, das angeblich von Henry Parker unterstützt wird. Irgendjemand im Heim scheint das Rätsel um die geheimnisvollen Puppen zu kennen. Gemeinsam mit Seargent Jim Pepper (Uwe Friedrichsen) und der Sprachexpertin Susan (Uschi Glas) folgt der Scotland-Yard-Ermittler der heißen Spur.

DER GORILLA VON SOHO (1968) genießt unter eingefleischten Wallace-Fans keinen sonderlich guten Ruf, was auch daran liegt, dass der Film ein echtes Kind seiner Zeit ist. Nachdem man 1966 auf Farbe setzte statt auf das klassische Schwarz-Weiß, versuchte man nun abermals die Marke für das Publikum attraktiv und zukunftsträchtig zu machen, in dem man mehr Humor, Zoten und nackte Tatsachen einfließen ließ. Die 68er-Bewegung hatte schon deutlich ihre Spuren hinterlassen, weshalb man sich dem Massengeschmack beugte, um nicht an der Zuschauerschaft vorbei zu produzieren.

Dass der 27. Wallace-Film abgewatscht wurde lag aber nicht ausschließlich an der deutlich schmierigeren und exploitativeren Marschrichtung, sondern viel mehr daran, dass man sich hier relativ schamlos bei dem sieben Jahre zuvor erschienenen Wallace-Klassiker DIE TOTEN AUGEN VON LONDON (1961) bediente. Da die Zeit drängte und schnell ein verfilmbares Skript geschrieben werden musste, kam Regisseur und Co-Autor Alfred Vohrer auf die zündende Idee, den von ihm ebenfalls inszenierten Krimi neu aufzulegen und diesen so umzuschreiben, dass er auf den festgelegten Titel DER GORILLA VON SOHO passte. Warum das ursprüngliche Skript von Reinecker verworfen wurde, ist nicht mehr ganz nachvollziehbar, zu hohe Kosten und fehlende Drehgenehmigungen, unter anderem im Berliner Zoo werden als Gründe vermutet. Vohrer und Wendlandt adaptierten, unter dem Pseudonym Freddy Gregor, nun das Original-Drehbuch von Egon Eis. Aus dem blinden Jack wurde ein Mörder im Gorilla-Kostüm, aus der dubiosen Versicherungsgesellschaft eine Wohltätigkeitsorganisation und aus dem düsteren Blindenheim ein geheimnisvolles Mädchenheim. Die beiden Protagonisten Inspektor Perkins und sein Sidekick Jim Pepper übernahm man aus dem Drehbuch des Nachfolgefilms DER MANN MIT DEM GLASAUGE (1969), da man ohnehin zwei Filme mit Tappert drehen wollte. Ansonsten folgt der Film bis auf kleine Variationen der bekannten Handlung von DIE TOTEN AUGEN VON LONDON, auch ganze Dialoge wurden wortwörtlich übernommen. Das führt dazu, dass man diesen Film als eingefleischter Film gar nicht richtig genießen kann, da man mit Kenntnis des Originals den Verlauf der Story sowieso von Beginn an kennt und auch die finale Auflösung keine Überraschung darstellt. Man merkt diesem Machwerk zu jeder Sekunde die reißbrettartige Entstehung an, was etwas auf Kosten des Unterhaltungsfaktors geht, laden doch gewisse Szenen etwas zum Fremdschämen ein, was diesen Streifen mehr zum Trash-Fest als zur wohligen Krimi-Unterhaltung werden lässt.

Das zeigt sich schon bei dem titelgebenden Bösewicht. Während der „blinde Jack“ im Original noch eine schaurige Hommage an Horrorfiguren wie „Frankensteins Monster“ darstellte, ist der Mörder im Gorilla-Kostüm eher eine Lachnummer als eine bedrohliche Figur mit Grusel-Faktor. Wenn der vermummte Würger durchs Bild hetzt, dann denke ich eher an Hans-Otto, der bei der Rosenmontagsfete der örtlichen Sparkasse mal witzig sein will und im Ganzkörper-Affendress zur Arbeit erscheint. Allein dies ließ mich auch bei erneuter Sichtung dieses Schmierentheaters lauthals lachen. Auch die klassische Gruselatmosphäre mit nebelverhangenen Nächten sucht man vergebens, stattdessen ist Edgar Wallace anno 1968 bunt und grell, zeitweise sogar psychedelisch skurril, etwa wenn Inspektor Perkins das Etablissement aufsucht, das im Original noch als verrauchte Spielhölle dargestellt wurde. Hier bekommen wir einen seltsamen Puff zu sehen, in dem nackte Frauen wie auch Männer auf Podesten zur Schau gestellt werden, die nach Belieben für gewisse Stunden gebucht werden können. Da läuft dann auch schon mal eine freizügig bekleidete Ingrid Steeger durchs Bild, was noch einmal verdeutlicht auf welchem Niveau wir uns hier befinden. Dazu gibt es ein paar klamaukige Einschübe und diskussionswürdige Running-Gags. Auch das Ermittler-Duo sorgt eher für Kalauer anstatt für Spannung, obwohl der Film immer noch ein Kriminalfilm mit reichlich Mord sein will. Natürlich ist das alles ganz großer Käse aber eben Schmierkäse und der kann auch mal ganz lecker sein. Als Freund verruchter Exploitationkost, drückt DER GORILLA VON SOHO die richtigen Knöpfe. Für mich ist der irre TOTE-AUGEN-Neuaufguss ein zünftiger Partykracher, bei dem man sich wunderbar beömmeln kann.

Das liegt auch in erster Linie daran, dass Regisseur Alfred Vohrer nach wie vor der richtige Mann für eine solche Art von Film ist, kommt bei ihm, besonders in seinen späten Filmen, der Sleaze wunderbar zur Geltung. Kein anderer konnte durch Zigarettenrauch verhangene Bordelle, nebelige Gassen und Fremdscham-Komik besser inszenieren, als der einarmige, ehemalige Synchronregisseur. Er macht aus dem schnell zusammengeklöppelten Skript immerhin noch das Beste und legt ein gutes Tempo vor, so dass DER GORILLA VON SOHO zumindest kein langweiliges Unterfangen darstellt.

Der fast größte Schwachpunkt sind die Darsteller. Horst Tappert, der bereits als Bösewicht in DER HUND VON BLACKWOOD CASTLE (1968) auftrat, ist als Inspektor Perkins zwar eine nette Wahl, die schon mal auf seinen späteren Serienerfolg mit DERRICK (1974-1998) einstimmt, vorherigen Ermittlern wie Joachim Fuchsberger oder Heinz Drache kann der streng dreinschauende Schauspieler aber nicht das Wasser reichen, dafür fehlte ihm einfach das Charisma. Wendlandt scheint dies aber bewusst gewesen zu sein, weshalb er ihm einen jüngeren und attraktiveren Sidekick zur Verfügung stellte, verkörpert von Uwe Friedrichsen. Der Schauspieler und Synchronsprecher verleiht seinem Sergeant Pepper eine jugendliche Frische, auch wenn seine deutlich humoristische Rolle eher müden Klamauk darstellt, den nicht mal Eddi Arent gewagt hätte, zum Besten zu geben. Das Trio wird von Uschi Glas komplettiert, die hier nach DER MÖNCH MIT DER PEITSCHE (1967) ihre zweite Hauptrolle in einem Wallace-Film spielt. Leider gehört Frau Glas zu den schwächeren Wallace-Girls und auch ihr biederes Spiel ist hier eher vergessenswert. Dafür hat der Film ein paar nette Nebendarsteller im Gepäck, unter anderem Albert Lieven als dubioser Wohltäter, der nach DAS GEHEIMNIS DER GELBEN NARZISSEN (1961) und DAS VERRÄTERTOR (1964) seinen letzten Wallace-Auftritt absolviert. Auch Inge Langen, die bereits in DER ZINKER (1963) zugegen war, überzeugt und mit Bahnhofskino-Regular Herbert Fux und Beate Hasenau hat der Film zwei gern gesehene Gesichter zu bieten. Am bedeutungslosesten ist indes Ralf Schermuly, der hier die Kinski-Rolle aus dem Original übernommen hat, dagegen aber ganz klar den Kürzeren zieht. Mit Ilse Pagé ist auch die „Moneypenny“ der Wallace-Reihe wieder mit an Bord, den Vogel schießt aber ganz klar Hubert von Meyerinck ab, der chargiert als gäbe es kein Morgen mehr. Als völlig frei drehender Sir Arthur lässt der offen homosexuelle Schauspieler ein paar denkwürdige Szenen vom Stapel. Als Running-Gag darf sogar eine, von ihm gebuchte, Prostituierte auftreten. „Geh’n wir nun Arthur oder geh’n wir nicht?“ säuselt es mehrmals im Film, was der Chef Scotland Yard mit einem energischen „Warte bis du dran bist!“ quittiert. So war das eben damals.

Ursprünglich sollte der Score von Heinz Gietz komponiert werden, kurzfristig wurde aber doch Haus-und-Hof-Musiker Peter Thomas angeheuert, der hier allerdings ebenso schnell und unbedacht gearbeitet haben muss wie die Autoren. Seine Musik ist deutlich dem Free Jazz zuzuordnen und besitzt kaum erinnerungswürdige Merkmale außer einem Gong der immer ertönt, wenn der Gorilla auftaucht.

Gedreht wurde der Film vom 18. Juni bis zum 25. Juli 1968 in West-Berlin. Die ehemalige Gottlob-Münsinger-Schule diente als Kulisse für das Mädchenheim und auch die Pfaueninsel, speziell der Fregattenschuppen, musste einmal mehr als Drehort herhalten. Innenaufnahmen fanden wie gewohnt in den CCC-Studios statt. Ein kleines Team reiste mit Uwe Friedrichsen und Uschi Glas nach London, um dort ein paar Aufnahmen zu drehen, die dann dem Film etwas Authentizität verleihen sollten. Von der FSK wurde DER GORILLA VON SOHO ab 16 Jahren freigegeben, der Kinostart erfolgte am 27. September 1968. Die Zuschauerzahlen waren solide, das Feedback allerdings im Nachhinein mau, kommunizierten weder Constantin Film noch die Rialto-Film, dass es sich hier um Remake handelte, weshalb sich viele Fans betrogen fühlten, was verherrende Auswirkungen auf die Reihe haben sollte. Insgesamt 1,7 Millionen Zuschauer kauften eine Kinokarte.

Fazit:

DER GORILLA VON SOHO (1968) stellt eines der qualitativen Schlusslichter der Reihe dar. Man merkt zu jeder Sekunde, dass es sich hierbei um einen in Windeseile zusammengenagelten Krimi handelt, der mit seinen exploitativen Elementen und albernen Komik so gar nicht mehr dem entspricht, was Wallace-Fans der ersten Stunde sehen wollten. Auch schauspielerisch zieht der Streifen im Vergleich zum Original klar den Kürzeren. Wer allerdings deutsche, trashige Pulp-Fiction-Kost zu schätzen weiß, wird mit diesem Machwerk dennoch ein gewisses Maß an Freude haben.

2,5 von 5 Prostituierten im Hinterzimmer von Scotland Yard

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