Sprich nicht mit Fremden!“ – diese Anweisung dürften Viele noch aus Kindheitstagen kennen, wenn die eigenen Eltern vor den Gefahren in der Welt warnten. Der große böse Mann, der im dunklen Lieferwagen durch die Straßen zieht und Kinder anspricht, eine Art Klischeebild, dass man über Jahrzehnte hinweg kultiviert hat. Regisseur Scott Derrickson greift eben jene, fast schon urbane Legende auf und lässt einen Jungen sprichwörtlich durch die Hölle gehen. In den Kinos avancierte Blumhouse-Produktion, die auf einer Kurzgeschichte von Stephen-King-Sprössling Joe Hill basiert, überraschend zum Publikumshit und auch im Heimkino fand der Film viel Beachtung. Nun hat TURBINE MEDIEN die Schauermär hierzulande erstmals in 4K UHD veröffentlicht – in limitierter Steelbook-Variante und im Mediabook in drei Covervarianten.

Originaltitel: The Black Phone

Drehbuch: Scott Derrickson, C. Robert Cargill; nach der gleichnamigen Kurzgeschichte von Joe Hill

Regie: Scott Derrickson

Darsteller: Mason Thames, Madeleine McGraw, Ethan Hawke, Jeremy Davies, E. Roger Mitchell, Troy Rudeseal, James Ransone…

Artikel von Christopher Feldmann / Update von Christian Jürs

Man kann Jason Blums Horrorschmiede Blumhouse Productions ja viel ankreiden aber nicht die Tatsache, dass das Independent-Studio regelmäßig interessante und auch originelle Stoffe auf die Kinoleinwände bringt. Natürlich beinhaltet der Output auch zahlreichen Grusel-Ramsch wie die Filme aus PARANORMAL-ACIVITY-Reihe oder uninspirierte Neuinterpretationen bekannter Titel wie FANTASY ISLAND (2020), BLACK CHRISTMAS (2019) und dem Rohrkrepierer FIRESTARTER (2022). Aber unter dem ganzen Wust an schnödem Jumpscare-Horror und Kino-Hits wie die HALLOWEEN-Sequels, schlummern immer wieder wahre Perlen, denn Blumhouse befeuert nicht nur das Massenpublikum, sondern gibt auch unverbrauchten Talenten immer wieder die Chance, ihre kreative Vision auszuleben. Zwar entstehen dabei auch zahlreiche Werke, die wenig bis kaum Aufmerksamkeit bekommen, manchmal aber geht dieser eine, kleine Film durch die Decke. So zuletzt geschehen bei THE BLACK PHONE (2021), der bei mageren Produktionskosten von gerade einmal 16 Millionen US-Dollar über 150 Millionen in die Kassen spülen konnte. Für einen kleinen Horrorfilm, der größtenteils in einem kargen Keller spielt, eine beachtliche Leistung. Und trotz kleiner Schwächen lohnt sich eine Sichtung auf jeden Fall, denn Scott Derricksons 70’s-Trip ist vor allen Dingen gut gespielt und stimmungsvoll inszeniert.

Handlung:

Im Jahr 1978 versetzt der sogenannte „Greifer“ eine Kleinstadt in Colorado in Angst und Schrecken. Immer wieder verschwinden Kinder spurlos. Die Grundschülerin Gwen (Madeleine McGraw) sieht zwar in ihren Träumen einen Mann mit schwarzen Luftballons, der Kinder verschleppt – traut sich aber nicht, etwas zu sagen, weil ihr alkoholkranker Vater Terrence (Jeremy Davies) sie dann verprügelt. Aber dann wird auch Gwens 13-jähriger Bruder Finney (Mason Thames) entführt – und findet sich plötzlich in einem schalldichten Keller wieder, wo ihn der maskierte Greifer (Ethan Hawke) begrüßt. Schreien hilft hier gar nichts – aber an der Wand hängt ein Telefon, das trotz durchgeschnittenem Kabel immer wieder klingelt.

THE BLACK PHONE gehört zu jenen Filmen, auf die ich mich wirklich gefreut hatte, denn auch wenn das Ganze auf der gleichnamigen Kurzgeschichte von Joe Hill basiert, war die Prämisse dieses Kinderentführungs-Schockers äußerst vielversprechend. Und wenn ein Horrorfilm mal kein Sequel, Legacy-Sequel, Prequel, Spin-Off oder gar Remake darstellt, stehe ich ihm sowieso von Beginn an wohlwollend gegenüber. Originelle Stoffe, die nicht bereits dutzendfach gesehenes wiederkäuen, sind nämlich heutzutage selten geworden, besonders auf der großen Leinwand.

Betrachtet man die Handlung des Films, könnte es gut sein, dass sich eine gewisse Form von Vertrautheit beim Zuschauer bemerkbar macht. Man wird sich im Klaren, dass es sich bei eben jenem Joe Hill um den Sohn von Schauerliteratur-Legende Stephen King handelt, werden die Parallelen umso offensichtlicher. Für seine Kurzgeschichte hat sich der Sohnemann bei einigen Tropen des Vaters bedient. So behandelt THE BLACK PHONE auch den alltäglichen Horror, ebenfalls in einer Kleinstadt und mit minderjährigen Figuren im Fokus und die übernatürlichen Elemente gibt es als Sahnehäubchen noch obendrauf. Man muss schon zugeben, dass die Geschichte an sich eine neue Erzählung darstellt aber auch als eine Art Hommage an Stephen King verstanden werden kann. Dass es sich im Original um eine Kurzgeschichte handelt, ist zugleich auch das größte Problem des daraus entstandenen Spielfilms. Mit einer Laufzeit von über 100 Minuten ist THE BLACK PHONE nämlich länger, als das Material eigentlich hergibt. So hängt das Ganze gerade im Mittelteil etwas durch und drosselt das Tempo, bevor das letzte Drittel wieder Fahrt aufnimmt. Dieser Umstand und der überdeutliche Wink in Richtung King-Klassikern wie ES sorgen dafür, dass ich den Film als weit weniger frisch und clever empfunden habe. Denn neben all den schönen Dingen, wegen denen sich die Sichtung durchaus lohnt, wirklich überraschend ist die Geschichte um einen entführten Jungen und seine Zeit im Keller seines Entführers nicht.

Trotzdem macht das Skript Vieles richtig, in dem es die Figuren sorgfältig etabliert und auch glaubhaft darstellt. Gerade den Kinderdarstellern wird viel Raum gegeben und auch das Umfeld kommt erstaunlich authentisch zur Geltung. Die gezeigten Unruhen auf dem Schulhof aber auch die Solidarität zwischen den einzelnen Kindern wird sorgsam geschildert, so dass eine authentische Welt entsteht, die sich nicht nur auf abgenutzte Stereotypen und Klischees stützt. Hier versteht es THE BLACK PHONE den Zuschauer in seinen Bann zu ziehen, erscheinen die folgenden Ereignisse aus diesem Grund wesentlich beklemmender und spannender. Und auch wenn ähnlich gelagerte Werke wie beispielsweise PRISONERS (2012) deutlich mehr Kraft hatten und auch auf dem Papier weitaus cleverer waren, für sich genommen funktioniert die Schauermär ordentlich.

Regisseur und Co-Autor Scott Derrickson, der für diesen Film den Marvel-Blockbuster DOCTOR STRANGE IN THE MULTIVERSE OF MADNESS (2022) gewissermaßen sausen ließ, kompensiert einige Längen durch seine Inszenierung. Mit körnigem Bild und entsättigten Farben rekreiert er recht greifbar und glaubhaft das Kleinstadtleben in den späten 1970er Jahren durch einen gelungenen Retro-Look und wenn der 13-jährige Finney schließlich im Keller des „Greifers“ landet, entspinnt sich daraus ein ordentliches Katz- und Mausspiel, das immer wieder auch durch sein gutes Sounddesign auffällt. Zwar führt der übernatürliche Twist mit dem schwarzen Telefon, mit dessen Hilfe Finney mit den vergangenen Opfern seines Peinigers kommuniziert, zu keinem wirklichen Twist, stimmungsvoll eingefangen wurden die Gespräche mit den Toten aber trotzdem. Derrickson, der bereits mit SINISTER (2012) und ERLÖSE UNS VON DEM BÖSEN (2014) gezeigt hat, dass er zwar nicht immer inhaltlich aber zumindest inszenatorisch überzeugen kann, gelingen hier ein paar wirklich gute Szenen, die von der guten Besetzung erheblich profitieren.

Im Gegensatz zu anderen Vertretern aus dem Horrorgenre, nerven die Kinderdarsteller in THE BLACK PHONE keineswegs. Gerade Mason Thames liefert als Finney eine wirklich gute Leistung ab und verkörpert den gefangenen, verängstigten aber auch zu Mut und Selbstbewusstsein findenden 13-jährigen mit Bravour. Auch seine Filmschwester Madeleine McGraw besticht durch ihre einzigartige Persönlichkeit. Tiefgläubig aber auch überraschend selbstbewusst fungiert sie als guter Geist auf der Suche nach ihrem Bruder, kann aber auch wie ein Rohrspatz fluchen, wenn sie ihre verbalen Entgleisungen an Jesus und sogar der örtlichen Polizei auslässt. Das Zusammenspiel beider Kinder, die unabhängig voneinander nach einem Ausweg und einer Lösung suchen, funktioniert hervorragend. Da ist Ethan Hawke als maskentragender Kindesentführer und auch Mörder nur die Kirsche auf dem Eisbecher. Der Hollywood-Star, der den ganzen Film über Masken oder zumindest Teile davonträgt, darf hier so richtig aufdrehen und dem Affen ordentlich Zucker geben. Selbst wenn er gerade mal nicht aktiv im Geschehen ist, sondern nur schlafend auf einem Stuhl sitzt, hat Hawke eine überaus bedrohliche Präsenz, die für reichlich Gänsehaut sorgt.

Bestach die Blu-ray aus dem Hause Universal Pictures Home Entertainment bereits durch eine sehr gute Bildqualität, so setzt die 4K UHD-Variante mit HDR10 und Dolby Vision von Turbine Medien nochmal ordentlich einen drauf. Auch in Sachen Ton (Deutsch und Englisch in Dolby Atmos) hat die Neuveröffentlichung die Nase vorn.

Dies gilt selbstverständlich ebenso für das Bonusmaterial, welches aus einem Audiokommentar von Autor und Regisseur Scott Derrickson, entfernten Szenen, diversen Featurettes, dem Kurzfilm Shadowprowler und Trailern besteht. Die Mediabookvarianten verfügen zudem über ein ausführliches Booklet, verfasst von Tobias Hohmann.

THE BLACK PHONE (2021) ist, zumindest kommerziell, eine der größten Überraschungen des letzten Kinojahres. Ganz so originell und überraschend ist die Schauermär mit deutlichen Stephen-King-Anleihen zwar nicht und auch wenn sich Längen einschleichen, insgesamt ist der Film ein stimmungsvoller, sehr gut inszenierter, nostalgischer Horrorfilm/Psychothriller mit einigen punktuellen Härten und sehr guter Besetzung.

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