Taylor Sheridan ist zur Zeit einer der gefragtesten Filmemacher und Serienentwickler in den USA. Licht und Schatten sind ein ständiger Begleiter im Wirken eines kreativen Menschen, einiges gelingt – anderes nicht. Das ist bei Taylor Sheridan nicht anders, jedoch gelang ihm, neben einfachen aber effektiven Serienstoffen, mit Yellowstone der große Wurf. Sheridan nahm sich der Familiengeschichte Duttons an und entwickelte einen großen Kosmos, der Raum für eine epische Erzählung eröffnete. Und so bildeten sich neben der Kernserie die Spin-Offs heraus, die den Zuschauer mit auf die Reise der Duttons nehmen. Die Duttons sind in einem andauernden Kampf um ihr Land verwickelt, das ja eigentlich den Ureinwohnern gehört und von den Siedlern in Anspruch genommen wurde. Serienschöpfer Sheridan weiß um die Schuld und verbrecherische Tragik, die hinter der gewaltsamen Unterwerfung der Ureinwohner steckt und deutet dies in eine packende Dramaturgie um. PARAMOUNT HOME ENTERTAINMENT brachte die erste Staffel der Serie nun auf DVD heraus.

Stoffentwicklung und Drehbuch: Taylor Sheridan

Regie: Ben Richardson, Guy Ferland

Darsteller: Helen Mirren, Harrison Ford, Brandon Sklenar, Aminah Nieves, Julia Schlaepfer, Jerome Flynn, Robert Patrick, Timothy Dalton

Artikel von Kai Kinnert

1923: A Yellowstone Origin Story erzählt die Geschichte einer neuen Generation von Duttons im frühen 20. Jahrhundert, eine Zeit, in der Pandemien, Dürrekatastrophen, das Ende der Prohibition sowie die beginnende Wirtschaftskrise das Leben im Westen erheblich erschweren und den Alltag im rauen Montana, der Heimat von Jacob und Cara Dutton, bestimmen.

Sheridan liebt das Kino. Er hat sich alle großen Namen Hollywoods angesehen und daraus einen Serien-Epos gemacht. Mit Yellowstone war man noch in der Findungsphase, was die filmischen Hintergründe der Serie anbetraf. Filmisch wird Yellowstone lose durch die enorme Landschaft Montanas geprägt, diese wuchtige Schönheit in herbstlichen Farben, und seinen authentischen Cowboy-Szenen. Hier kommt eine herausragende Stimmung auf, die die sprunghafte Erzählung der Serie vergessen lässt. Yellowstone ist irgendwie eine brutale Variante der Bonanza-Ranch, in der die Inszenierung öfter zu Gunsten der Landschafts- und Cowboy-Szenen verrutscht. Mag Kevin Costner auch ein sehenswerter und starrköpfiger Cowboy sein, die eigentlichen Helden sind die Nebenhandlungen um Beth, Rip und Jimmy; dazu Landschaft, Rinder und Pferde. Trotzdem, oder gerade deshalb, wurde Yellowstone zu einem großen Erfolg. Sheridan nahm also die Zügel auf und begann bei den Duttons in die Tiefe zu gehen. Wie kamen die Duttons eigentlich an ihr Grundstück, um das sich alle streiten? Doch dazu musste man es 1883 erst besiedeln und so schickte Taylor Sheridan seinen Treck mit James Dutton und Tochter Elsa nach Montana. Die Miniserie findet ihr filmisches Zitat in Howard Hawks Red River (1948) und wurde ein packendes Western-Drama, das mit cineastischer Stärke daherkommt. Hier geht die Rechnung voll auf, 1883 ist eine gekonnte Klaviatur an Emotionen und damit rundum gelungenes Entertainment.

Bei einem so guten Vorgänger sind die Erwartungen an den Nachfolger natürlich hoch, und Sheridan versuchte nachzulegen. Das Abenteuer ruft und so griff der Serienschöpfer gleich auf eine Vielzahl an filmischen Motiven zurück, die die Entertainment-Absichten Sheridans fundiert unterstreichen. Neben den Elementen der besseren Soap Opera, fühlt sich der Zuschauer in 1923 quer durch allerlei Abenteuerfilme der letzten 35 Jahre mitgenommen. Der Western-Aspekt liegt auf der Hand, aber dann kommt da noch Der Geist und die Dunkelheit, Die blaue Lagune, Titanic und The Crown/Downton Abbey mit ins Spiel. Letzteres greift den Adels-Aspekt im Hafen von Marseille auf (was schon rein geografisch an French Connection 2 erinnert). Außerdem mit im Spiel: Quatermain.

Spencer Dutton ist Allen Quatermain und Alexandra ist Sharon Stone. Brandon Sklenar fehlt nur noch die Peitsche, um endgültig mit seinem Hut und dem offenen Hemd als Reminiszenz an Richard Chamberlain durchzugehen. Dazu kommt die charakterliche Verwandtschaft Spencer Duttons zu Rip Wheeler in Yellowstone. Beide sind „harte Hunde mit Herz“, beide sind selbstlose Kämpfer mit Übersicht. Spencer Dutton wird mit seiner Geliebten Alexandra, die eigentlich einen britischen Adligen heiraten sollte, wahrlich durch allerlei Abenteuer gescheucht, bis man endlich in die USA aufbrechen kann. Denn dort brauchen ihn Harrison Ford und Helen Mirren, die mit Jerome Flynn und Timothy Dalton sehr gefährliche Gegner haben.

Gefährliche Gegner hat auch Aminah Niewes als Teonna Rainwater, die die Hölle in einer Kirchenschule durchlebt. Hier wird auf die harte Art und Weise umgeschult. Sadistische Nonnen und Priester quälen die jungen Menschen, allen voran Teonna, die sich sich allerdings nicht alles gefallen lässt. Die Nonnen sind Psychopathen, besonders die Priester, aber Teonna kann trotzdem nicht an sich halten. Ihr platzt der Kragen, Blut fließt und es beginnt eine packende Flucht. Die Kirche ist ihr bald auf den Fersen.

Neben der Kirche gibt es noch einen weiteren Bösewicht in dieser Serie, und das ist Timothy Dalton. Gut gereift gibt Dalton hier einen Finsterling mieser Couleur ab. Er steigert sein schmieriges „Nehmen sie mich fest! Ich bin ein Killer! Ein Preiskiller!“-Lächeln aus Hot Fuzz auf sinistre Art und Weise und mit bösartiger Würde. Dalton passt wie der Würgegriff einer eleganten Python in die Story und setzt den Duttons mit einem fiesen Plan ziemlich zu. Aber auch Jerome Flynn macht eine gute Passage. Letztendlich ist seine Schafherde an allem Schuld.

1923 (Staffel 1) ist eine spannende Serie, die nicht ganz an 1883 heranreicht. Die Abenteuer um Spencer Dutton und Alexandra sind zahlreich und romantisch zugleich. Spencer und Alexandra erleben adrett inszenierte Romantik und versichern sich oft ihrer Liebe, doch die Gefahr lauert überall. Es macht Spaß, dem Paar beim Verlieben zuzusehen, wie sie sich durchkämpfen und wie sich der Gegner nicht geschlagen gibt. Dazu gesellt sich eine großartige Besetzung, wobei alle Schauspieler ihre filmischen Momente bekommen. Bestens gefilmt und mit guten Spezialeffekten versehen, liefert 1923 spannendes Serien-Kino ab, das auch in den Nebenplots nicht langweilig wird. Die Story um Spencer und Alexander könnte allerdings von weniger romantisch veranlagten Zuschauern als etwas überproportional empfunden werden. Ansonsten flutscht die Serie gut durch und schürt eine enorme Spannung auf die 2. Staffel. Sehenswert!

Das Bild der DVD ist für eine DVD, in Zeiten der HD-Auflösung, gut gelungen. Der Ton ist gut.

Als Extras gibt es Unaufhaltsame Veränderung: Das Abenteuer von 1923, Ich bin das Land: Teonna Rainwater, Wie man die Menschheit abbildet: Der Schnitt bei 1923 und Ein Einblick in die Serie.

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