„Fine“, wie der Italiener so schön sagt. Nach 31 Ausgaben unserer Retrospektive über die Edgar-Wallace-Filme der Rialto Film sind wir am Ende angekommen und besprechen mit der deutsch-italienischen Ko-Produktion DAS RÄTSEL DES SILBERNEN HALBMONDS (1972) den letzten offiziellen Beitrag zur Krimireihe. Obwohl das mit dem Label „Edgar Wallace“ so eine Sache ist, immerhin handelt es sich bei dem von Umberto Lenzi inszenierten Thriller um einen lupenreinen Giallo, dessen Handlung, im Gegensatz zum Vorgänger DAS GEHEIMNIS DER GRÜNEN STECKNADEL (1972), direkt in Italien verortet ist und allein aus diesem Grund unter Fans keinen guten Ruf genießt. Ob sich bei dem Streifen dennoch um einen unterhaltsamen Reißer handelt, erfahrt ihr im Artikel.

„Hallo, hier spricht Edgar Wallace!“

Originaltitel: Sette orchidee macchiate di rosso

Drehbuch: Roberto Gianviti, Umberto Lenzi, Paul Hengge

Regie: Umberto Lenzi

Darsteller: Uschi Glas, Antonio Sabato, Pier Paolo Capponi, Bruno Corazzari, Marisa Mell, Rossella Falk, Petra Schürmann, Claudio Gora…

Artikel von Christopher Feldmann

An dieser Stelle könnte ich schon fast meine Einleitung aus dem letzten Wallace-Artikel einfügen, denn DAS RÄTSEL DES SILBERNEN HALBMONDS (1972) und DAS GEHEIMNIS DER GRÜNEN STECKNADEL (1972) befanden sich mehr oder weniger zeitgleich in Produktion. Bis heute genießen insbesondere diese beiden letzten Nachzügler des Kinoerfolgs der klassischen Edgar-Wallace-Filme einen durchwachsenen Ruf. Die Zeit der augenzwinkernden und stellenweise leichtfüßigen Gruselkrimis war längst vorbei, der Zeitgeist änderte ich ebenso wie der Publikumsgeschmack. Rialto Film versuchte zu dieser Zeit mit italienischen Produktionspartnern Thriller auf den Weg zu bringen, die man durch die Marke in Deutschland publikumswirksam platzieren aber auch international vermarkten konnte. Dies war für die Firma ein lukratives Geschäft, da man sich nur mit einem Bruchteil der Kosten beteiligte, dafür aber die deutschsprachigen Verleihrechte bekam. Man hatte aus dem eher unglücklichen Versuch mit DAS GESICHT IM DUNKELN (1969) gelernt und konzentrierte sich auf klassische Whodunit-Reißer, quasi eine Weiterentwicklung der bewährten Muster. Dies war auch der Tatsache geschuldet, dass Wendlandts Konkurrent Arthur Brauner mit dem von ihm ko-produzierten Dario-Argento-Debüt DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN HANDSCHUHE (1970) einen Kinoerfolg feierte, vertrieb er den Giallo doch als Bryan-Edgar-Wallace-Film. Das dürfte mitunter der Grund sein, warum sowohl HALBMOND als auch STECKNADEL das sind, was sie eben sind. Im Vergleich zu seinem Vorgänger fällt DAS RÄTSEL DES SILBERNEN HALBMONDS (1972) allerdings etwas schwächer aus, stellt aber immer noch einen grundsoliden, unterhaltsamen und streckenweise spannenden Krimi dar.

Handlung:

Eine bizarre Mordserie, bei welcher der Mörder stets nur eine Kette mit einem silbernen Halbmond am Tatort hinterlässt, versetzt ganz Rom in Angst und Schrecken. Auch die frisch verheiratete Giulia (Uschi Glas) gerät scheinbar zufällig ins Visier des Killers und überlebt seinen Angriff nur denkbar knapp. Zusammen mit ihrem Ehemann (Antonio Sabato) beschließt sie daraufhin, selbst auf die Suche nach dem Täter zu gehen. So kommt die junge Frau einem dunklen Geheimnis auf die Spur, das nicht nur sie erneut in Lebensgefahr bringt.

Der 32. und letzte Edgar-Wallace-Krimi ist eigentlich eine Mogelpackung, beziehungsweise Etikettenschwindel. Mit dem bewährten Krimiautoren hat der Streifen ebenso wenig zu tun wie mit dem Stil, den die Reihe eigentlich einst salonfähig machte. Konnte man sich schon beim tonal entrückten Vorgänger immerhin damit begnügen, dass Altstar Joachim Fuchsberger ein letztes Mal den Scotland-Yard-Inspector gab und auch die Handlung selbst in London verortet war, guckt man als traditioneller Wallace-Fan beim hier vorliegenden Film etwas in die Röhre. Statt der britischen Metropole bekommt man italienisches Lokalkolorit geboten, spielt der Film doch ausschließlich in Rom und Umgebung. DAS RÄTSEL DES SILBERNEN HALBMONDS ist eben ein lupenreiner Giallo, dem nachträglich nur ein Label aufgeklebt wurde, um ihn in Deutschland besser vermarkten zu können. Das ist wahrscheinlich einer Hauptgründe, warum der Film unter Wallace-Fans keinen guten Ruf genießt, ist es doch auch ehrlich gesagt kein „Wallace“. Dies dürfte auch dazu geführt haben, dass der Streifen nie wirklich im TV lief, höchstens vielleicht irgendwann mal im Nachtprogramm. Auch ich kam erst mit der DVD aus der Edgar-Wallace-Collection in den Genuss des Films und ich mag ihn, da ich auch ein Fan des italienischen Giallos bin und ihn losgelöst von der Reihe betrachte.

Die Geschichte von DAS RÄTSEL DES SILBERNEN HALBMONDS bietet im Grunde alle gängigen Zutaten des Giallos. Ein schwarzbehandschuhter Mörder, weibliche Opfer, elaborierte Mordsequenzen und die obligatorischen Ermittlungen nach der Identität des Täters stehen hier im Zentrum. Natürlich gibt es auch ein Geheimnis aus der Vergangenheit zu lüften, welches die Mordserie erst in Gang gesetzt hat. Und weil wir uns in einem waschechten Giallo befinden, übernehmen den Großteil der Ermittlungen Privatpersonen, in diesem Fall „Giulia“ und ihr Mann „Mario“. Es ist ein bekanntes Element, dass die Polizei nur eine untergeordnete Rolle spielt, schnüffelt diese in solchen Streifen doch meist in den falschen Ecken. Auch hier leistet Scotland Yard…pardon, die Carabinieri keinen großen Beitrag zur Klärung der Verbrechen, sondern verhält sich oftmals etwas tölpelhaft. Diese Darstellung der staatlichen Verbrechensbekämpfer war in den 1970er Jahren im italienischen Kino allgegenwertig und wurde später mit den Politthrillern und Polizeireißern intensiviert. Zwar gab es dort meist den harten Ermittler, der durch meist grenzüberschreitendes Verhalten die Bösewichte dingfest, beziehungsweise dem Erdboden gleichmachte, das System an sich war aber meist korrupt, rückständig, unfähig oder alles zusammen.

DAS RÄTSEL DES SILBERNEN HALBMONDS ist ein klassischer Whodunit, der seinen Plot relativ frei von Längen durchzieht. Gerade zu Beginn serviert uns Lenzi gleich drei Mordsequenzen hintereinander, was in der Dichte etwas redundant wirkt. Später findet er allerdings seinen Flow und etabliert auch gekonnt die Mystery, die zum rätseln einlädt. Wer am Ende allerdings als Killer entlarvt wird, werden geübte Augen schon etwas früher prophezeien können, erlaubt sich das Drehbuch doch keine ausgefallenen Kniffe, sondern allenfalls etwas plumpe Red Herings. Das schadet dem Film allerdings wenig, schafft er es doch die bewährten Tropen gekonnt zusammenzuführen. Für einige wird es ein Manko sein, dass der Film lediglich Genre-Standard darstellt, ich für meinen Teil mag die Formelhaftigkeit des Drehbuchs. DAS RÄTSEL DES SILBERNEN HALBMONDS ist kein Film, auf dessen Bilderflut man sich einlassen und auf dessen vertracktes Storytelling man sich konzentrieren müsste. Der Plot verläuft geradlinig und das weiß zu gefallen. Dabei ist auch weniger abgründig als der Vorgänger aber auch nicht weniger zimperlich in seinem Umgang mit Gewalt, was auch sicher zum Regisseur passt.

Für die Regie verpflichtete man einen ganz besonderen Mann, der das italienische Genre- und Exploitationkino nachhaltig prägte. Die Rede ist von Umberto Lenzi, einem Filmemacher, der so ziemlich jeden cineastischen Trend der 1960er, 1970er und 1980er Jahre beackerte. Angefangen mit Sandalen- und Abenteuerfilmen wechselte er schnell zum Eurospy und Italowestern, bevor er einige Gialli drehte, zu denen neben DAS RÄTSEL DES SILBERNEN HALBMONDS auch PARANOIA (1970), DEADLY TRAP (1971) und SPASMO (1974) zählen. Zwischendurch drehte Lenzi mit MONDO CANNIBALE (1972) seinen ersten Kannibalenreißer, in den folgenden Jahren verschrieb er sich dem Eurocrime- und Polizioteschi-Genre, in dem er häufig mit Maurizio Merli und Tomas Millian arbeitete, die bekanntesten Werke sind DER BERSERKER (1974), DIE VIPER (1975), CAMORRA – EIN BULLE RÄUMT AUF (1976) und DIE GEWALT BIN ICH (1977). Mit dem Beginn der 1980er Jahre wechselte der Regisseur zum Horrorfilm und drehte die umstrittenen Kannibalenschocker LEBENDIG GEFRESSEN (1980) und DIE RACHE DER KANNIBALEN (1981), sowie den Kracher GROSSANGRIFF DER ZOMBIES (1980). Es folgten noch das CONAN-Rip-Off ER – STÄRKER ALS FEUER UND EISEN (1983), Söldneraction wie KOMMANDO SCHWARZER PANTHER (1987) und klassische Horrorkost wie GHOSTHOUSE (1988). Lenzi war in allerlei Genres unterwegs, seine Vita gleicht einer wahren Wundertüte, die es wert ist erkundet zu werden. Auch beim hier vorliegenden Film bewies er seinen Ruf als verlässlicher Handwerker. Frei von inszenatorischen Extravaganzen bietet DAS RÄSTSEL DES SILBERNEN HALBMONDS ordentliche Spannungsszenen und eine wohlige Optik, die Bilder der sonnigen Küste und der römischen Stadtromantik vermitteln sogar ein wenig Urlaubsflair. Auch der Nervenkitzel kommt nicht zu kurz, wenn auch gleich nicht so packend wie noch im Vorgängerfilm von Massimo Dallamano. Dafür gibt es (zumindest in der Langfassung) ein paar genretypische Brutalitäten, von denen der Bohrmaschinenmord wohl am meisten heraussticht, darf das Blut hier doch ordentlich spritzen. Im Hinblick auf seine von Tier-Snuff durchzogenen Kannibalenfilme tun mir die im Film vergifteten Katzen etwas leid, bin ich mir doch nicht wirklich sicher, ob diese während des Drehs wirklich draufgingen. Lenzi selbst kann uns dies nicht mehr verraten, er starb 2017 im Alter von 86 Jahren. Mit DAS RÄTSEL DES SILBERNEN HALBMONDS ist ihm kein perfekter Film aber ein mehr als ordentlicher Giallo gelungen, der weder verkopft, noch zu verspielt ist und der die bewährten Zutaten zu einem stimmigen Ganzen vereint. Tatsächlich würde ich den Film jedem empfehlen, der einmal in die Welt des Giallo eintauchen möchte, bisher aber noch keine Berührungspunkte mit den italienischen Krimis hatte.

Das größte Manko ist in diesem Fall allerdings die Besetzung. Vom altgedienten Wallace-Personal war hier niemand mehr zugegen, lediglich mit Uschi Glas, die bereits in DER UNHEIMLICHE MÖNCH (1965), DER MÖNCH MIT DER PEITSCHE (1967), DER GORILLA VON SOHO (1968) und DIE TOTE AUS DER THEMSE (1971) zu sehen war, bekommt der Fan zumindest ein ihm bekanntes Gesicht zu sehen. Dass Frau Glas keine guten Erinnerungen an die Zeit in Italien hat, ist kein Geheimnis, stand sie mit Lenzi, der der deutschen Schauspielerin mit Begriffen aus der NS-Zeit gegenübertrat und sie am Set bloßstellte, auf Kriegsfuß. Doch Uns Uschi ist eine ordentliche Arbeiterin und erfüllte trotz der Querelen ihren Vertrag. Allerdings ist ihre Performance der größte Kritikpunkt am Film, überzeugt sie doch weder als italienische „Giulia“, noch als Ehefrau von Antonio Sabato. Beide haben keinerlei Chemie und auch sonst wirkt Glas fehlbesetzt, eine dem Genre vertraure Darstellerin wie beispielsweise Nieves Navarro oder Barbara Bouchet hätten hier besser gepasst, zumal unsere deutsche Leihgabe viel zu bieder für diese Sorte Film wirkt. Sabato gibt indes den Vorzeige-Italiener mit leichter Playboy-Attitüde, die Nebenrollen wurden ebenfalls mit weitestgehend italienischen Schauspielern besetzt. Lediglich Petra Schürmann und Marisa Mell verstärkten noch den deutschen Anteil der Besetzung.

Für die Musik war dieses Mal nicht Ennio Morricone zuständig, sondern Riz Ortolani. Jener Komponist vertonte einige italienische Genreklassiker, u.a. Italowestern wie DER TOD RITT DIENSTAGS (1967). Seinen bekanntesten Score steuerte er zu einem der größten Skandalfilme bei, nämlich Ruggero Deodatos NACKT UND ZERFLEISCHT (1980) aka CANNIBAL HOLOCAUST. Seine Musik untermalt den Film sehr passend atmosphärisch, auch wenn Teile davon bereits in Lenzis ORGASMO (1969) zu hören waren.

Wie bereits erwähnt, stellt Lenzis Giallo ein Novum innerhalb der Wallace-Reihe dar, da die Handlung erstmals nicht London und Umgebung angesiedelt ist. Auch die Dreharbeiten fanden ausschließlich in Italien statt. So wurde größtenteils in Rom und in Spoleto gedreht, auch die Innenaufnahmen machte man in der italienischen Hauptstadt. Die Arbeiten fanden vom 06. September bis zum 23. Oktober 1971 statt, damit ist DAS RÄTSEL DES SILBERNEN HALBMONDS zwar im Hinblick auf die Veröffentlichung der letzte Wallace-Film, technisch allerdings der vorletzte, denn die letzte Klappe fiel tatsächlich am Set von DAS GEHEIMNIS DER GRÜNEN STECKNADEL (1972) am 01. November 1971. In den italienischen Kinos startete der Film bereits am 24. Februar 1972, die deutsche Uraufführung erfolgte am 30. Juni desselben Jahres in Saarbrücken. Die FSK vergab seiner Zeit die Freigabe ab 16 Jahren, wohlgemerkt für die deutsche Fassung. Wie auch beim Vorgänger wurde für diese großzügig gekürzt, nämlich ganze 17 Minuten. Dies beinhaltete nicht nur Gewaltspitzen (allen voran die Bohrmaschinenszene), sondern auch zahlreiche Handlungsmomente, um das Ganze etwas zu straffen. Den Vorspann gestaltete man hierzulande natürlich standesgemäß in blutroter Schrift und auch die Alfred-Vohrer-Konserve durfte nicht fehlen. Seit 1991 hat die deutsche Fassung eine 12er-Freigabe. Anders als bei DAS GEHEIMNIS DER GRÜNEN STECKNADEL war die als internationale Langfassung betitelte Originalversion schon bei der DVD-Erstveröffentlichung enthalten, man musste nur den englischen Ton anwählen. Diese Fassung ist wiederum nach wie vor ab 16 Jahren freigegeben. Mittlerweile wurde der Film von Plaion Pictures (ehemals Koch Films) in einer HD-Fassung als Mediabook veröffentlicht. Dies beinhaltet beide Versionen, die Langfassung sogar erstmals mit der deutschen Synchro, fehlende Stellen sind selbstverständlich untertitelt.

Mit DAS RÄTSEL DES SILBERNEN HALBMONDS beendete Rialto Film nach 32 Filmen und 13 Jahren die bis Dato produktivste, erfolgreichste und auch prägendste Filmreihe, die das deutsche Kino zu bieten hatte. Zwar gab es Pläne, den von Duccio Tessari inszenierten Krimi BLUTSPUR IM PARK (1971) unter dem Titel DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN ROSE als 33. Edgar-Wallace-Film zu veröffentlichen, nach einem Gutachten zogen sich sowohl Constantin Film als auch Wendlandt aus der Finanzierung zurück, weshalb der Film schlussendlich ohne jeglichen Wallace-Bezug erschien.

Fazit:

DAS RÄTSEL DES SILBERNEN HALBMONDS (1972) ist nicht unbedingt der passendste Abschluss der 32 Filme umfassenden Erfolgsreihe, handelt es sich bei dem Giallo doch um eine Wallace-Mogelpackung, die nichts mit dem gemein hat, was die Marke eigentlich auszeichnet. Losgelöst vom hiesigen Branding handelt es sich hierbei aber um einen unterhaltsamen, knackig erzählten Italo-Thriller, der alle Tropes des Genres vereint und sich perfekt als Einstiegsfilm für Grünschnäbel eignet. Uschi Glas erweist sich zwar als Fehlbesetzung, ansonsten lässt sich Umberto Lenzis Krimi aber ohne größere Mengel genießen.

3,5 von 5 Bohrmaschinen

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